Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 28. März 2000 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 240 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Kläger beanspruchen die Rückübertragung eines Grundstücks nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen – VermG –. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen, weil der Vermögenswert von keiner Schädigungsmaßnahme im Sinne des § 1 VermG betroffen sei.
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache weist weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf, noch liegt eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vor. Schließlich ist der nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügte Verfahrensfehler nicht erkennbar.
1. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass das umstrittene Grundstück aufgrund einer Aufbaumaßnahme enteignet worden sei, die ein gesamtes Geviert betroffen habe und in deren Rahmen alle im Aufbaugebiet liegenden Grundstücke, soweit sie nicht bereits Volkseigentum gewesen seien, erfasst und aufgekauft oder nach dem Aufbaugesetz in Anspruch genommen worden seien. Zugriffsgrund sei nicht die Überschuldung des Grundstücks gewesen – auch schuldenfreie Grundstücke seien für die Modernisierung und den Neubau im Aufbaugebiet verwendet worden –, sondern die geplante Aufbaumaßnahme.
Bereits aufgrund dieser Feststellungen scheidet eine Anwendung des § 1 Abs. 2 VermG aus; denn diese Vorschrift verlangt auch in Enteignungsfällen, dass die vorhandene Überschuldung wesentliche Ursache für den Eigentumsverlust gewesen ist (grundlegend Urteil vom 16. März 1995 – BVerwG 7 C 39.93 – BVerwGE 98, 87 ≪89 f.≫; Beschluss vom 1. September 1998 – BVerwG 7 B 167.98 – S. 4). Die von den Beschwerdeführern als klärungsbedürftig bezeichnete und auf die Auslegung des § 1 Abs. 2 VermG zielende Frage, ob
„eine Modernisierung eines Hauses, die durch staatliche Organe im Rahmen einer so bezeichneten komplexen Modernisierung vorgeschrieben, für notwendig erachtet und in die Wege geleitet wurde, als ‚staatlich angeordnet’ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 102, 288) zu werten ist,”
müsste daher in einem Revisionsverfahren nicht beantwortet werden, es sei denn, auch hinsichtlich der selbständig tragenden Ausführungen zu den Ursachen des Eigentumsverlustes läge ein Revisionszulassungsgrund vor. Dies ist jedoch – wie im Folgenden darzulegen sein wird – nicht der Fall. Unerheblich für die begehrte Revisionszulassung ist daher auch, ob der vom Verwaltungsgericht aufgestellte Rechtssatz, eine „staatliche Anordnung” im beschriebenen Sinne setze voraus, dass zumindest ein Versuch unternommen worden sei, eine private Finanzierung der vorgesehenen Maßnahme durchzusetzen, von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht.
2. Soweit die Kläger für klärungsbedürftig im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO halten, ob für eine Schädigung nach § 1 Abs. 2 VermG die Überschuldung allein wesentliches Motiv der Enteignung gewesen sein müsse oder es ausreichend sei, dass sie wesentlich mitbestimmendes Motiv gewesen sei, geht ihre Frage daran vorbei, dass nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts allein die Aufbaumaßnahme und nicht der Schuldenstand des Grundstücks Grund des Zugriffs war. Zwar mag die Überschuldung bestimmend für die Art und Weise der Überführung in Volkseigentum – Enteignung oder Ankauf – gewesen sein. Maßgeblich für den Eigentumsverlust als solchen – und nur das ist für die Anwendung des § 1 Abs. 2 VermG von Belang – war sie jedoch nicht, sondern das großflächige komplexe Modernisierungs- und Neubauprojekt.
3. Die Zulassung der Revision ist daher auch nicht zur Beantwortung der Frage geboten, ob
„unwiderlegbar davon auszugehen ist, dass die Inanspruchnahme eines überschuldeten Grundstücks nach dem Aufbaugesetz stets grundsätzlich gerade auch auf der Überschuldung beruht”.
Auch dieser Frage liegt die irrige Vorstellung zugrunde, bereits die Art der Inanspruchnahme, nämlich die Enteignung nach dem Aufbaugesetz, und der für das zwangsweise Vorgehen maßgebliche Grund – die einen freihändigen Erwerb verhindernde Überschuldung – führten zur Anwendung des § 1 Abs. 2 VermG. Entscheidend dafür ist jedoch – wie dargelegt –, ob der Eigentumsverlust als solcher auf die Überschuldung zurückzuführen ist, und zwar unabhängig davon, ob der Vermögenswert infolge Selbstaufgabe oder Wegnahme in Volkseigentum überführt worden ist.
4. Auch die daran anschließende Frage der Kläger, ob
„eine Enteignung bei staatlicherseits veranlasster eingetretener Überschuldung unter Regelung der Beschlüsse des Politbüros vom 10.10.1972 (abgedruckt in ZOV 98, 310) und dem Beschluss des Präsidiums des Ministerrates vom 23.12.1976 (Schriftenreihe des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen, Heft 1, Behandlung des in der ehemaligen DDR belegenden Grundbesitzes von Berechtigten außerhalb dieses Gebietes) stets als überschuldungsbedingt anzusehen, mithin die Überschuldung stets kausal für die Enteignung ist,”
führt nicht zur Zulassung der Revision. Abgesehen davon, dass auch dieser Frage der oben erwähnte Irrtum zugrunde liegt, geht sie an der den Senat bindenden Feststellung des Verwaltungsgerichts vorbei, dass die Grundstücksbelastungen aus den Jahren 1963 und 1967 und damit aus einer Zeit lange vor den genannten Beschlüssen stammten.
Insofern scheidet auch der von den Klägern nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend gemachte Verfahrensmangel aus, der darin liegen soll, dass dem Vortrag zur geplanten schleichenden Überschuldung von Westgrundstücken nicht näher nachgegangen sei; denn darauf kam es aus der dem Urteil zugrunde liegenden materiellrechtlichen Sicht des Verwaltungsgerichts nicht an.
5. Schließlich weist die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung auf, soweit die Kläger mit Blick auf den erwähnten Beschluss des Politbüros vom 10. Oktober 1972 für klärungsbedürftig halten, ob jede Enteignung eines auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gelegenen Grundstücks nach dem 10. Oktober 1972 als willkürlich im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG zu werten sei. Es liegt auf der Hand und bedarf keiner Beantwortung in einem Revisionsverfahren, dass diese Frage zu verneinen ist; denn selbst die generell geäußerte Absicht, „Westgrundstücke” systematisch zu entwerten, entbindet nicht davon, solche Machenschaften oder zumindest Anhaltspunkte dafür und ihre Ursächlichkeit für den Eigentumsverlust im Einzelfall festzustellen. Ein Schädigungsvorwurf im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG scheidet jedenfalls dann von vornherein aus, wenn – wie hier – positiv festgestellt worden ist, dass Grund der Überführung des Vermögenswerts in Volkseigentum nicht dessen Überschuldung, auch nicht der Wohnort des Eigentümers, sondern eine notwendigerweise mit einem Eigentumsverlust verbundene – überschuldete wie nicht überschuldete Grundstücke von „West”- wie von „Ost”-Eigentümern treffende – Aufbaumaßnahme war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Franßen, Kley, Neumann
Fundstellen