Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 02.07.2007; Aktenzeichen 4 L 425/06) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 2. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 337,50 € festgesetzt.
Gründe
Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Als grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wirft die Beschwerde folgende Fragen auf:
“Darf der Umstand, dass der Beitragspflichtige finanziell nicht in der Lage ist, sein Grundstück tatsächlich anzuschließen, bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Heranziehung zu einer Vorausleistung zu einem Schmutzwasserbeitrag außer Betracht bleiben?”
“Können Einwendungen des Klägers hinsichtlich der Durchsetzung des Anschluss- und Benutzungszwanges im Rahmen der Heranziehung zu einem Beitragsvorausleistungsbescheid dahingestellt bleiben?”
“Darf die Möglichkeit der Anschlussnahme – welche im Rahmen der Heranziehung zu einer Vorausleistung regelmäßig noch nicht gegeben ist – für die Bejahung des wirtschaftlichen Vorteils herangezogen werden?”
Diese Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Sie betreffen Vorschriften des Landesrechts und des ihm zuzurechnenden Ortsrechts und mithin irrevisible Normen, deren Auslegung und Anwendung vom Revisionsgericht nicht nachgeprüft wird (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) und die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung deswegen nicht begründen kann. Den für eine Grundsatzrüge erforderlichen Bezug zum Bundesrecht (vgl. hierzu näher Beschluss vom 7. März 1996 – BVerwG 6 B 11.96 – Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 7) lässt die Beschwerde, die ausdrücklich das Ziel einer einheitlichen Auslegung und Anwendung von Landesrecht hervorhebt, nicht erkennen.
2. Mit ihrer Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) macht die Beschwerde geltend, der angefochtene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts weiche von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH, Urteil vom 23. Februar 1999 – IX R 61/96 – BFH/NV 1999, 1079) ab. Einen Zulassungsgrund vermag die Beschwerde damit aber schon deswegen nicht darzulegen, weil die nach ihrer Ansicht voneinander abweichenden Rechtssätze der Entscheidungen nicht dieselbe Rechtsnorm betreffen (vgl. zu diesem Erfordernis Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14). Während sich derjenige des Oberverwaltungsgerichts auf die – ohnehin irrevisible – Vorschrift des § 6 KAG LSA bezieht, äußert sich der Bundesfinanzhof insoweit zu § 9 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes. Auch in inhaltlicher Hinsicht führt der Hinweis der Beschwerde auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs nicht weiter, weil es dort in Abgrenzung von Anschaffungs- und Werbungskosten um eine wesentliche Verbesserung des Grundstücks geht, wohingegen für das Oberverwaltungsgericht nach dem KAG LSA der – deutlich weiter gefasste – (wirtschaftliche) Vorteil für den Beitragspflichtigen entscheidend ist.
3. Auch die von der Beschwerde erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
a) Als Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) macht die Beschwerde geltend, das Oberverwaltungsgericht habe sich nicht mit der Wirksamkeit der Erweiterungsbeitragssatzung als Rechtsgrundlage des angefochtenen Vorausleistungsbescheides auseinandergesetzt. Dieses Vorbringen erfüllt nicht die Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung eines Zulassungsgrundes. Denn die Beschwerde legt weder dar, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären, noch zeigt sie auf, dass vom Kläger vor dem Oberverwaltungsgericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung hingewirkt worden ist oder sich dem Gericht entsprechende Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (vgl. zu diesen Anforderungen Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O.).
Unabhängig hiervon ist in der Sache selbst daran zu erinnern, dass eine sachgerechte Handhabung des Amtsermittlungsgrundsatz dem Gericht keine “ungefragte” Fehlersuche abverlangt (Urteil vom 17. April 2002 – BVerwG 9 CN 1.01 – BVerwGE 116, 188 ≪196 f.≫). Das gilt insbesondere im Fall einer inzidenten Satzungskontrolle, wenn der Kläger – worauf hier das Oberverwaltungsgericht von der Beschwerde unbeanstandet hingewiesen hat – Bedenken gegen die formelle oder materielle Wirksamkeit der Satzung nicht erhoben hat.
b) Einen weiteren Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz sieht die Beschwerde darin, dass das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung ohne nähere Klärung der Grenzverhältnisse annehme, das klägerische Grundstück grenze unmittelbar an den öffentlichen Straßenraum an. § 86 Abs. 1 VwGO ist jedoch nicht verletzt. Zwar macht die Beschwerde geltend, der Kläger habe (im Schriftsatz vom 22. Januar 2007) die Richtigkeit des vom Beklagten vorgelegten Flurkartenauszugs bestritten und auf eine Klärung der Eigentumsverhältnisse – gegebenenfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens – hingewirkt. Sie übersieht jedoch, dass der Kläger in seinem Schriftsatz vom 17. April 2007 den Einwand des fehlenden Anschlusses seines Grundstückes an den öffentlichen Verkehrsraum nicht mehr aufrechterhalten hat, nachdem der Beklagte einen aktuellen Liegenschaftsauszug vorgelegt hat. Da sich der Kläger hiermit in der Sache der Beweiswürdigung des Oberverwaltungsgerichts in seinem Berufungszulassungsbeschluss vom 23. Februar 2007 angeschlossen hat, bestand für das Oberverwaltungsgericht kein Anlass mehr, früheren Beweisangeboten des Klägers nachzugehen. Auch hat sich angesichts des nunmehr insoweit unstreitigen Sachverhalts dessen weitere Aufklärung jedenfalls nicht aufgedrängt. Die Angriffe der Beschwerde im Zusammenhang mit der Annahme des unmittelbaren Angrenzens des klägerischen Grundstücks an den öffentlichen Verkehrsraum im angefochtenen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts erweisen sich deswegen als bloße Kritik an der Beweiswürdigung des Oberverwaltungsgerichts, die eine Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels nicht begründen kann (vgl. hierzu Beschluss vom 2. November 1999 – BVerwG 4 BN 41.99 – UPR 2000, 226).
c) Ohne Erfolg stützt die Beschwerde ihre weitere Verfahrensrüge auf einen Verstoß gegen § 128a Abs. 1 VwGO. Sie meint, das Oberverwaltungsgericht hätte das Vorbringen des Beklagten vor dem Oberverwaltungsgericht in Form der Vorlage der Flurkarten als verspätet und nicht entschuldigt zurückweisen müssen. Diese Rüge greift schon deswegen nicht durch, weil im Nichtzurückweisen von unentschuldigt verspätetem Vorbringen des einen Beteiligten keine die Beschwerdebefugnis auslösende Beschwer des anderen Beteiligten liegt. Ebenso wie § 87b Abs. 3 VwGO, auf dessen Voraussetzungen § 128a VwGO Bezug nimmt, ist § 128a Abs. 1 VwGO nicht in diesem Sinne “drittschützend” (vgl. zur Vorschrift des § 87b Abs. 3 VwGO Urteil vom 1. April 2004 – BVerwG 4 C 2.03 – NVwZ 2004, 1114 ≪1115≫). Die Vorschrift dient dem öffentlichen Interesse, das verwaltungsgerichtliche Verfahren zu straffen und zu beschleunigen. Wenn Vorbringen von der Vorinstanz entgegen der Vorschrift des § 128a Abs. 1 VwGO bereits zugelassen wurde, kann diesem Interesse vom Revisionsgericht ohnehin nicht mehr Rechnung getragen werden. Erst recht besteht kein Anlass, dem Beteiligten, der sich mit einem solchen Vorbringen konfrontiert sieht, die Rechtsmacht zu verleihen, die Zulassung des Vorbringens im Interesse der Allgemeinheit zu rügen (Bader, in: ders., VwGO, 4. Aufl. 2007, § 128a Rn. 12; Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand September 2007, § 128a Rn. 12; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 128a Rn. 6; vgl. auch BGH, Beschluss vom 26. Februar 1991 – XI ZR 163/90 – NJW 1991, 1896 ≪1897≫ zu § 528 ZPO a.F.).
d) Als vierten Verfahrensmangel macht die Beschwerde schließlich geltend, das Oberverwaltungsgericht habe seine Amtsermittlungspflicht auch dadurch verletzt, dass es das Vorbringen des Klägers, die Herstellung des Grundstücksanschlusses gefährde die Standsicherheit eines seiner Gebäude, als bloße Behauptung qualifiziert habe, ohne dem gestellten Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzugehen. Auch diese Rüge bleibt ohne Erfolg. Auf der Grundlage der bereits dargelegten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Aufklärungspflicht abgesehen vom Fall einer sich aufdrängenden Sachverhaltsermittlung nicht verletzt ist, wenn das Gericht von einer Beweiserhebung absieht, auf die eine anwaltlich vertretene Partei nicht förmlich hingewirkt hat, setzt eine Aufklärungspflichtverletzung im hier gegebenen Fall einer Entscheidung nach § 130a VwGO voraus, dass die anwaltlich vertretene Partei auf das gerichtliche Anhörungsschreiben hin einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung mit dem Hinweis widersprochen hat, in der mündlichen Verhandlung solle ein Beweisantrag zu der für erforderlich gehaltenen Sachverhaltsermittlung gestellt werden (Beschluss vom 30. Oktober 2007 – BVerwG 5 B 157.07 – juris Rn. 12). Daran fehlt es hier. Zwar hat die damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers im Schriftsatz vom 17. April 2007 zur Frage der Standsicherheit des betroffenen Gebäudes für den Bestreitensfall die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeregt und im Schriftsatz vom 31. Mai 2007 einem Verzicht auf mündliche Verhandlung ausdrücklich widersprochen. Auf das gerichtliche Anhörungsschreiben vom 6. Juni 2007 hat sie jedoch keine Einwendungen gegen eine Entscheidung nach § 130a VwGO erhoben und auch keinen förmlichen Beweisantrag angekündigt, obwohl der Berichterstatter im Anhörungsschreiben unter Einbeziehung des Schriftsatzes vom 31. Mai 2007 zu den – aus seiner Sicht gegebenen – Erfolgsaussichten der Berufung des Beklagten Stellung genommen hat. Dieses fehlende “Hinwirken” auf eine mündliche Verhandlung und eine Beweisaufnahme konnte das Gericht nur dahingehend verstehen, dass sich der Kläger mit der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, es fehle bereits an einem substanziierten Vorbringen zur Frage der Standsicherheit des klägerischen Gebäudes, abgefunden hat. Dass sich eine Beweisaufnahme dennoch aufgedrängt hätte, ist auf dieser Grundlage nicht erkennbar und wird von der Beschwerde auch nicht geltend gemacht.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Dr. Storost, Prof. Dr. Rubel, Dr. Nolte
Fundstellen