Entscheidungsstichwort (Thema)
Bebauungsplan. Festsetzung einer öffentlichen Verkehrsfläche. Abwägungsgebot. keine enteignungsrechtliche Vorwirkung
Leitsatz (amtlich)
Auch ein Bebauungsplan, der sich auf die Festsetzung einer öffentlichen Verkehrsfläche (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) beschränkt, hat keine enteignungsrechtliche Vorwirkung derart, daß mit ihm – wie mit der bundesfernstraßenrechtlichen Planfeststellung gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 FStrG – über die Zulässigkeit der Enteignung verbindlich entschieden wäre.
Normenkette
GG Art. 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 3; BauGB § 1 Abs. 6, § 9 Abs. 1 Nr. 11
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 03.11.1997; Aktenzeichen 10a D 56/95.NE) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 3. November 1997 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50.000 DM festgesetzt.
Gründe
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich kein Grund für eine Zulassung der Revision.
1. Die mit der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob
„die für die Zulässigkeit einer Enteignung geltenden Grundsätze ausnahmsweise schon auf die der Enteignung vorangehende Bauleitplanung anzuwenden sind, wenn sich der Bebauungsplan auf die Festsetzung einer öffentlichen Verkehrsfläche gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB beschränkt und nur das öffentliche Verkehrsinteresse einerseits und das private Interesse des Eigentümers der in Anspruch genommenen Flächen andererseits auszugleichen sind”,
hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Antragstellerin beimißt. Die aufgeworfene Frage zielt auf die Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts, die Festsetzung einer öffentlichen Verkehrsfläche nach § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB setze nicht voraus, daß die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Enteignung für diesen Zweck gemäß Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG gegeben seien. In der neueren Rechtsprechung ist jedoch geklärt, daß ein Bebauungsplan eine enteignungsrechtliche Vorwirkung, die an Art. 14 Abs. 3 GG zu messen wäre, nicht entfaltet; denn der Bebauungsplan trifft keine verbindliche Aussage über die Zulässigkeit einer Enteignung (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. März 1987 – 1 BvR 1046/85 – BVerfGE 74, 264 ≪282≫; BVerwG, Urteil vom 14. März 1985 – BVerwG 5 C 130.83 – BVerwGE 71, 108 ≪121≫ m.w.N., Beschluß vom 25. August 1997 – BVerwG 4 BN 4.97 – Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 94; ZfBR 1997, 328). Für Bebauungspläne, die sich wie der hier angegriffene Bebauungsplan darauf beschränken, öffentliche Verkehrsflächen für den fließenden und ruhenden Straßenverkehr festzusetzen, gilt nichts anderes. Insoweit besteht kein revisionsgerichtlicher Klärungsbedarf. Auch ein solcher Bebauungsplan entfaltet keine Rechtsbindung für ein sich anschließendes Enteignungsverfahren, da sich das Recht der Bauleitplanung einer hierauf gerichteten gesetzlichen Regelung gerade enthält (vgl. demgegenüber § 169 Abs. 3 Satz 1 BauGB sowie zum Fachplanungsrecht etwa § 19 Abs. 1 Satz 3 FStrG). Allerdings sind (auch) bei der Aufstellung eines Bebauungsplans, der sich auf die Festsetzung einer Straße beschränkt (sog. isolierte Straßenplanung), alle betroffenen und schutzwürdigen privaten Interessen, insbesondere soweit sie sich aus dem Eigentum und seiner Nutzung herleiten lassen, zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 6 BauGB). Der planerische Zugriff der Gemeinde auf im privaten Eigentum stehende Grundstücke bedeutet aber nicht, daß etwa öffentliche Verkehrsflächen nur unter den Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG festgesetzt werden dürfen. Daß das Grundeigentum an den im Plangebiet liegenden Flächen durch einen Bebauungsplan inhaltlich bestimmt und gestaltet wird (Art. 14 Abs. 1 GG) und daß in der Realität der Bauleitplanung eine eigentumsverteilende Wirkung zukommen kann, hat nicht zur Folge, daß schon für den Bebauungsplan die Enteignungsvoraussetzungen (pauschal) zu prüfen sind (vgl. Senatsbeschluß vom 21. Februar 1991 – BVerwG 4 NB 16.90 – NVwZ 1991, 873 ≪874≫ m.w.N.). Die Beschwerde zeigt nicht auf, daß der vorliegende Fall darüber hinausgehende Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft.
2. Die mit der Beschwerde erhobenen Rügen der fehlerhaften Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) greifen ebenfalls nicht durch. Es ist grundsätzlich Sache des Tatsachengerichts, sich im Wege der freien Beweiswürdigung eine Überzeugung über den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden. Dabei sind die Grundsätze der Beweiswürdigung revisionsrechtlich in aller Regel dem sachlichen Recht zuzurechnen; mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung kann daher grundsätzlich ein Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht begründet werden (vgl. BVerwG, Beschluß vom 12. Januar 1995 – BVerwG 4 B 197.94 – Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 4 = NVwZ-RR 1995, 310 f.).
Die mit der Beschwerde gerügte Widersprüchlichkeit des Normenkontrollurteils hinsichtlich der Verkehrsbedeutung der Weißensteinstraße als Hauptsammelstraße, die durch ein Industrie- und Gewerbegebiet führe, besteht im übrigen nicht. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist das Normenkontrollgericht auf Seite 15 seines Urteils keineswegs davon ausgegangen, daß die Weißensteinstraße nicht durch ein Industrie- und Gewerbegebiet führe. Vielmehr hat es ausgeführt, daß der Teilbereich der Straße, in dem auch das Grundstück der Antragstellerin liege, noch einen hohen Anteil von Wohnnutzung aufweise, in diesem Bereich der Straße also nicht ausschließlich mit gewerblichem Verkehr zu rechnen sei. Soweit die Beschwerde ferner rügt, das Normenkontrollgericht hätte die Ausbaupläne für die beiden Brücken westlich der Autobahnbrücke bei der Überprüfung des angegriffenen Bebauungsplans nicht berücksichtigen dürfen, weil diese Ausbaupläne bei der Beschlußfassung über den Bebauungsplan noch gar nicht existiert hätten, erschöpft die Beschwerde sich in einer Kritik der tatrichterlichen Rechtsanwendung, die nicht geeignet ist, einen Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu begründen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Gaentzsch, Halama, Rojahn
Fundstellen
Haufe-Index 1474719 |
BauR 1998, 406 |
BauR 1998, 515 |
NVwZ 1998, 845 |
DÖV 1998, 517 |
NuR 1998, 424 |
VRS 1998, 443 |
BRS 1999, 58 |
UPR 1998, 228 |