Verfahrensgang
VG Halle (Saale) (Aktenzeichen 4 A 431/99 HAL) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 24. Juni 1999 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die allein auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Die Rechtssache hat hinsichtlich der von der Klägerin dargelegten Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur, wenn zu erwarten ist, daß die Revisionsentscheidung dazu dienen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Die aufgeworfene Rechtsfrage muß der Klärung in einem Revisionsverfahren bedürfen. Hieran fehlt es u.a. dann, wenn sie sich ohne größeren gedanklichen Aufwand bereits anhand der gängigen Auslegungsmethoden beantworten läßt. So liegt der Fall hier.
Die Beschwerde möchte – sinngemäß – die Frage geklärt wissen, ob Gebäudeeigentum zugunsten einer LPG gemäß Art. 233 § 2 b Abs. 1 i.V.m. § 2 a Abs. 1 Buchstabe b EGBGB auch dann entstanden ist, wenn das Gebäude geringfügig über die Grenze des von der LPG oder ihrer Rechtsvorgängerin zu nutzenden Grundstücks hinaus errichtet worden war („Überbau”), ohne daß der überbaute Grundstücksteil der LPG durch hoheitlichen oder zivilrechtlichen Übertragungsakt zur Nutzung überlassen worden wäre. Das Verwaltungsgericht hat die Frage bejaht, und zwar unter Hinweis auf den Rechtsgedanken des zur Zeit der Gebäudeerrichtung in der DDR noch anzuwendenen § 912 BGB sowie die Rechtswirklichkeit der DDR. Der beschließende Senat hat jedenfalls im Ergebnis keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Rechtsanwendung, denn die von der Beschwerde vertretene Ansicht würde zu einem mit dem Normzweck offensichtlich nicht zu vereinbarenden Ergebnis führen.
Ziel des in Art. 233 §§ 2 a – c EGBGB geregelten Moratoriums war es, aus der Zeit der DDR überkommene Nutzungsverhältnisse vorläufig, das heißt bis zur endgültigen Neuordnung der Rechtsbeziehungen zwischen Grundstückseigentümer und Nutzer, zu sichern und damit auch den Rechtsfrieden zwischen den Beteiligten zu garantieren. Insbesondere sollten durch das gesetzliche Besitzrecht des Nutzers die von diesem im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit seines Handelns getätigten Investitionen in das Grundstück geschützt und die Schaffung vollendeter Tatsachen (etwa durch die zivilgerichtlich erzwungene Herausgabe einzelner Grundstücke) verhindert werden, durch die die Verwirklichung der Sachenrechtsbereinigung hätte erschwert oder unmöglich gemacht werden können (vgl. BTDrucks 12/2480, S. 77). Der Gesetzgeber strebte deshalb die Überführung der im Zeitpunkt des Beitritts vorhandenen Rechts- und Besitzverhältnisse in das Sachenrechtssystem des BGB an. Dabei ging es ihm im Interesse des Rechtsfriedens zunächst darum, im wesentlichen den überkommenen status quo aufrechtzuerhalten (BVerfG, Beschluß vom 8. April 1998 – 1 BvR 1680/93 – BVerfGE 98, 17, 38).
Auf dem Hintergrund dieser Zielrichtung spricht alles dafür, die vorläufige Sicherung der im vorliegenden Fall mit der Gebäudeerrichtung getätigten Investition nicht an der geringfügigen Überbauung eines (volkseigenen) Grundstücks scheitern zu lassen. In der Rechtswirklichkeit der DDR war diese von dem betroffenen Grundstückseigentümer zu duldende Überbauung – wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat – ohne Bedeutung. Dies zeigt sich insbesondere auch darin, daß das Bauwerk im Einklang mit der Baugenehmigung errichtet und einer bauaufsichtlichen Gebrauchsabnahme unterzogen worden ist. Der so geschaffene status quo konnte für die im Moratorium vorgesehene Übergangszeit nur dadurch aufrechterhalten werden, daß für die Frage des möglichen Entstehens von Gebäudeeigentum auf die Besitz- und Nutzungsrechte am Stammgrundstück abgehoben wurde.
Die Klägerin macht auf S. 4 der Beschwerdebegründung geltend, die Anwendung von Art. 233 § 2 a Abs. 1 Buchstabe b EGBGB setze für die Annahme eines berechtigten Besitzes des Nutzers zumindest voraus, daß ein Übertragungsakt zur Nutzung des Stammgrundstückes vorliege. Dies trifft zu, jedoch verkennt die Beschwerde, daß das Verwaltungsgericht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt hat, daß die Lagerhalle „und die dazugehörigen Grundstücksflächen” – mit Ausnahme des von dem Überbau betroffenen Grundstücksteils – der LPG übertragen worden waren (UA S. 10).
Die Kostenentscheidung beruht auf den § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG i.V.m. Art. 233 § 2 b Abs. 3 Satz 2 EGBGB.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel
Fundstellen
AgrarR 2001, 61 |
RdL 2000, 239 |