Normenkontrolle. Rechtsmittel. “Doppelfehler”. Nichtigkeit. Unwirksamkeit. Unbeachtlichkeitsklausel, interne
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. November 2001 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 25 000 € festgesetzt.
I.
Der Antragsteller wendet sich im Normenkontrollverfahren gegen die 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. 41 der Antragsgegnerin. Durch die Planänderung wird die überbaubare Fläche auf seinem Grundstück verkleinert. Der Antragsteller hat beantragt, die 2. Änderung des Bebauungsplans für nichtig zu erklären. Er hat insbesondere geltend gemacht, dass er nicht ordnungsgemäß am Verfahren beteiligt worden sei und dass der Plan an einem Abwägungsfehler leide. Das Normenkontrollgericht hat die 2. Änderung des Plans wegen fehlerhafter Ausfertigung für unwirksam erklärt und im Übrigen den Antrag abgelehnt.
II.
Die statthafte Beschwerde bleibt erfolglos. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
Der Antragsteller ist durch die Normenkontrollentscheidung beschwert. Mit seinem Normenkontrollantrag hatte er begehrt, die 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. 41 für nichtig zu erklären. Diesem Antrag hat das Normenkontrollgericht nicht in vollem Umfang entsprochen, indem es den Plan nur für unwirksam erklärt und den Antrag im Übrigen abgelehnt hat. Es hat damit zugleich zum Ausdruck gebracht, dass es die 2. Änderung des Bebauungsplans – entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers – nicht für “unheilbar” fehlerhaft, sondern den festgestellten Mangel für behebbar hält.
Dagegen begründet es keine Beschwer, dass das Normenkontrollgericht den Änderungsplan nur wegen fehlerhafter Ausfertigung für unwirksam erklärt und damit die übrigen geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe als nicht stichhaltig angesehen hat. Für den Ausspruch der Unwirksamkeit eines Bebauungsplans genügt es, dass das Normenkontrollgericht einen einzigen zur Unwirksamkeit führenden Mangel feststellt. Die prozessuale Lage des Antragstellers würde sich nicht verbessern, wenn das Normenkontrollgericht weitere Unwirksamkeitsgründe angenommen hätte, weil der Bebauungsplan auch dann nur für unwirksam hätte erklärt werden können (vgl. hierzu auch BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2001 – BVerwG 4 BN 21.01 – ZfBR 2002, 274).
Aus § 47 Abs. 5 Satz 4 VwGO folgt nichts anderes. Zwar erklärt das Oberverwaltungsgericht nach dieser Vorschrift den Bebauungsplan “bis zur Behebung der (festgestellten) Mängel” für nicht wirksam. Auch daraus ergibt sich jedoch nicht, dass einzelne Unwirksamkeitsgründe zum Gegenstand des Normenkontrollverfahrens oder eines Rechtsmittels gegen die Normenkontrollentscheidung gemacht werden können. Die Vorschrift stellt klar, dass die Unwirksamkeitserklärung eines an behebbaren Mängeln leidenden Bebauungsplans – im Gegensatz zur Nichtigkeitserklärung nach Satz 2 – zeitlich beschränkt ist; sie gilt nur bis zum Abschluss des ergänzenden Verfahrens nach § 215a BauGB. Dabei verdeutlicht die Formulierung des § 47 Abs. 5 Satz 4 VwGO, dass das Normenkontrollgericht auch mehrere Unwirksamkeitsgründe feststellen kann.
Eine Beschwer liegt schließlich auch nicht darin, dass das Normenkontrollurteil in seiner Begründung Ausführungen enthält, nach denen der streitige Bebauungsplan an keinen weiteren Mängeln leidet, die für seine Wirksamkeit beachtlich sind. Diese Ausführungen tragen den Entscheidungsausspruch des Normenkontrollgerichts nicht und nehmen deshalb an seiner Rechtskraft nicht teil. Nach einer Behebung des im Normenkontrollverfahren festgestellten Mangels in einem ergänzenden Verfahren nach § 215a BauGB wäre der Antragsteller nicht gehindert, in einem zweiten Normenkontrollverfahren die für nicht durchgreifend angesehenen Rügen erneut zu erheben (vgl. hierzu auch BVerwG, Beschluss vom 30. Oktober 2002 – BVerwG 4 BN 45.02 – n.v.).
Das bedeutet nicht, dass das Normenkontrollgericht seine Prüfung beenden muss, wenn es einen zur Unwirksamkeit führenden Mangel festgestellt hat. Vielmehr sollte es im Sinne eines “nobile officium” auf die übrigen ernsthaft zwischen den Beteiligten streitigen oder sich anderweit aufdrängenden Fragen eingehen, wenn der Streitstoff auch insoweit entscheidungsreif ist, um auf diese Weise zur endgültigen Beilegung des Rechtsstreits beizutragen. Eine strikte prozessuale Pflicht hierzu besteht jedoch nicht.
Für die Beschwerde besteht im genannten Umfang auch ein Rechtsschutzbedürfnis. Dabei geht der Senat davon aus, dass der Antragsteller weiterhin die Nichtigerklärung der 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. 41 erreichen möchte. Durch einen solchen Ausspruch – anstelle der Erklärung (nur) der Unwirksamkeit – würde sich die Position des Antragstellers zumindest aus tatsächlichen Gründen verbessern. Denn selbst wenn für die Gemeinde auch im Hinblick auf eine im Normenkontrollverfahren getroffene Feststellung der Nichtigkeit kein Verbot der Normwiederholung bestehen sollte, wie der Senat in seinem Beschluss vom 6. März 2000 – BVerwG 4 BN 31.99 – (ZfBR 2000, 341; vgl. hierzu aber auch BVerwG, Urteil vom 25. November 1999 – BVerwG 4 CN 17.98 – ZfBR 2000, 191) angenommen hat, so brauchte der Antragsteller doch zumindest im Regelfall nicht mehr damit zu rechnen, dass die Antragsgegnerin die ihm nachteilige Regelung in einem neuen Bebauungsplan wiederholen wird, nachdem im Normenkontrollverfahren festgestellt worden wäre, dass er an einem nicht behebbaren Mangel leide. Ein solcher (nur) tatsächlicher Vorteil kann zur Begründung des Rechtsschutzinteresses genügen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2002 – BVerwG 4 CN 3.01 – ZfBR 2002, 687).
Von der grundsätzlichen Zulässigkeit eines Rechtsmittels, mit dem der Antragsteller die Erklärung der Nichtigkeit anstelle der Unwirksamkeit eines Bebauungsplans oder mit dem die Gemeinde die Erklärung (nur) seiner Unwirksamkeit anstelle der festgestellten Nichtigkeit anstrebt, ist der Senat im Übrigen bisher ohne weiteres ausgegangen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. August 2000 – BVerwG 4 CN 2.99 – ZfBR 2001, 61; Urteil vom 21. März 2002 – BVerwG 4 CN 14.00 – ZfBR 2002, 795).
Mit ihren zur Abwägung erhobenen Fragen ist die Beschwerde jedoch unbegründet. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung liegt nicht vor.
Die Frage, ob “die Verringerung der Breite eines Bauteppichs um 28 % – hier von 17,5 Meter auf 12,6 Meter – bei gleichzeitigem teilweisen Ausschluss der Bebaubarkeit eines Grundstücksteils auch für untergeordnete Bauteile oder sonstige nach Landesrecht bis zur Grundstücksgrenze zulässige Baulichkeiten ein Abwägungsbelang von so geringem Gewicht (ist), dass sich hierüber in einer Abwägungsentscheidung hinweggesetzt werden kann, deren einziges städtebauliches Anliegen in einer zuvor ergangenen Planentscheidung zurückgestellt worden war”, betrifft geradezu exemplarisch einen Einzelfall. Eine verallgemeinerungsfähige Fragestellung, aus der allein sich eine grundsätzliche Bedeutung auch für andere Fälle ergeben könnte, kann ihr nicht entnommen werden. Die Frage ließe sich nur einzelfallbezogen unter Berücksichtigung aller weiteren, in ihr nur angedeuteten Umstände beantworten; dies ist die Aufgabe des Tatrichters.
Dasselbe gilt für die Frage, “welche Umstände außerhalb der Festsetzung eines Bebauungsplans sich ein Planunterworfener bei der Gewichtung seines Vertrauens in die Festsetzung des Bebauungsplans entgegen halten lassen (muss)”. Auch diese Frage lässt sich nicht in einer verallgemeinerungsfähigen Weise beantworten. Zudem berücksichtigt sie nicht, dass der Antragsteller nach den Ausführungen des Normenkontrollgerichts ohnehin nur in geringem Umfang Vertrauensschutz genoss, weil er bereits beim Erwerb des Grundstücks nur sehr eingeschränkt mit einer Ausnutzung seines Baugrundstücks nach den Festsetzungen des (ursprünglichen) Bebauungsplans rechnen konnte.
Auch die drei zur sog. internen Unbeachtlichkeitsklausel in § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (letzte Alternative) BauGB formulierten Grundsatzfragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Die in ihnen enthaltene Frage, ob das Versäumnis, einem betroffenen Bürger im vereinfachten Beteiligungsverfahren nach § 3 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit § 13 Nr. 2 BauGB Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, nach dieser Klausel für die Wirksamkeit des Bebauungsplans unbeachtlich ist, mag allerdings grundsätzliche Bedeutung haben. Auf die Frage käme es jedoch in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht an. Denn auch wenn unterstellt wird, dass der Beteiligungsmangel entgegen der Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts beachtlich ist, würde er doch nicht zur Nichtigkeit der Planänderung, sondern – wie schon der Ausfertigungsmangel – ebenfalls nur zu ihrer Unwirksamkeit führen können. Verfahrensfehler können nämlich immer in einem ergänzenden Verfahren ausgeräumt werden. Im vorliegenden Fall ließe sich der Mangel der nicht ausreichenden Beteiligung des Antragstellers innerhalb des Planaufstellungsverfahrens ohne weiteres durch eine nachträgliche Anhörung und Wiederholung der anschließenden Verfahrensschritte beheben. Für eine Feststellung, dass die 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. 41 nicht nur wegen eines Ausfertigungsmangels, sondern auch wegen eines – beachtlichen – Beteiligungsmangels unwirksam ist, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis.
Aus der Unzulässigkeit von Rechtsmitteln zur Feststellung weiterer Unwirksamkeitsgründe ergibt sich allerdings auch, dass der Antragsteller nicht gehindert ist, diese Gründe in einem späteren (neuen) Normenkontrollverfahren geltend zu machen. Dementsprechend sollte die Antragsgegnerin ihrerseits prüfen, ob ihr Bebauungsplan über den vom Normenkontrollgericht festgestellten Ausfertigungsmangel hinaus weitere zu seiner Unwirksamkeit führende Mängel aufweist. Gegebenenfalls kann – und sollte – sie diese zusammen mit dem vom Normenkontrollgericht bejahten Ausfertigungsmangel beheben; einer positiven Entscheidung des Normenkontrollgerichts hierzu bedarf es nicht.
Hierfür besteht vorliegend umso mehr Anlass, weil der Senat der Beurteilung des Beteiligungsverfahrens durch das Normenkontrollgericht nicht zu folgen vermag.
Der – auch vom Normenkontrollgericht angenommene – Beteiligungsfehler liegt hier darin, dass der Planentwurf zweimal geändert worden ist, dem Antragsteller jedoch entgegen § 13 Nr. 2 BauGB nur zum ursprünglichen Entwurf und zur ersten Änderung, nicht jedoch zur zweiten Änderung, die zum Planinhalt geworden ist, Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden ist. Da die letzte Änderung für den Antragsteller nachteilig war, – der Bauteppich auf seinem Grundstück wurde um weitere 1,5 Meter verschmälert –, hätte der Antragsteller ein drittes Mal beteiligt werden müssen.
Das Normenkontrollgericht hält diesen Beteiligungsmangel für unerheblich, weil es auf ihn die interne Unbeachtlichkeitsklausel des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB anwendet. Nach ihr ist es unbeachtlich, wenn bei Anwendung des § 3 Abs. 3 Satz 3 oder des § 13 BauGB die Voraussetzungen für die Beteiligung nach diesen Vorschriften verkannt worden sind. Gemeint ist damit aber immer nur, dass statt des an sich gebotenen “normalen” Beteiligungsverfahrens nach § 3 Abs. 2 BauGB das vereinfachte Verfahren nach den genannten Vorschriften durchgeführt worden ist. Unbeachtlich ist also allein, dass die Gemeinde das “falsche” Beteiligungsverfahren gewählt hat. Dagegen bleibt die völlige Unterlassung einer notwendigen Beteiligung erheblich. Das ist ganz allgemeine Auffassung (vgl. Stock, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 214 Rn. 54, m.w.N.; VGH Mannheim, Urteil vom 17. Oktober 1989 – 5 S 3065/88 – BauR 1990, 448 – NVwZ-RR 1990, 290; OVG Magdeburg, Urteil vom 2. November 1995 – 1 K 3/95 – JMBl.LSA 1998, 391). Für sie spricht auch, dass nach der internen Unbeachtlichkeitsklausel nur die Nichtbeteiligung einzelner Träger öffentlicher Belange, nicht jedoch die einzelner Bürger unbeachtlich ist. Eine andere Regelung wäre auch rechtsstaatlich bedenklich; die (erneute) Beteiligung von betroffenen Bürgern nach einer Änderung des ausgelegten Entwurfs zu ihren Lasten ist dem rechtlichen Gehör vergleichbar, das immer vor einer nachteiligen Entscheidung gewährt werden muss.
Soweit sich das Normenkontrollgericht auf den Beschluss des Senats vom 15. März 2000 – BVerwG 4 B 18.00 – (NVwZ-RR 2000, 759) beruft, hat es ihn missverstanden. In dieser Entscheidung ging es allein um den Begriff des “Verkennens”; der Senat hat dargelegt, dass die Gemeinde nicht nur dann die Voraussetzungen für die Durchführung des vereinfachten Beteiligungsverfahrens verkannt hat, wenn sie sich ausdrücklich und im Einzelnen mit den Anforderungen des § 13 BauGB auseinander gesetzt hat, sondern auch dann, wenn sie stillschweigend angenommen hat, nach § 13 BauGB verfahren zu dürfen. Dass auch die Nichtbeteiligung betroffener Bürger im vereinfachten Verfahren unerheblich sei, lässt sich dieser Entscheidung nicht entnehmen.
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Den Wert des Streitgegenstandes setzt der Senat gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG fest.