Entscheidungsstichwort (Thema)
Bebauungsplan. Normenkontrolle. Nichtigkeit. Unwirksamkeit. ergänzendes Verfahren. Landschaftsschutzverordnung. “Öffnungsklausel” zugunsten Bauleitplanung. Schallleistungspegel. immissionswirksamer flächenbezogener –. Sondergebiet. Abwägung. umweltschützende Belange in der –. naturschutzrechtliche Eingriffsregelung. Ausgleichspflicht
Leitsatz (amtlich)
Hat das Normenkontrollgericht einen Bebauungsplan nur für unwirksam erklärt und den weitergehenden Antrag auf Erklärung seiner Nichtigkeit abgelehnt, so wird ein Rechtsmittel des Antragstellers nicht unzulässig, wenn die Gemeinde den festgestellten Mangel im ergänzenden Verfahren nach § 215a BauGB behebt.
Die Regelung einer Landschaftsschutzverordnung, nach der Flächen innerhalb des Geltungsbereichs der Verordnung nicht mehr Bestandteile der Landschaftsschutzverordnung sind, sobald sie durch einen Bebauungsplan überplant werden, ist mit Bundesrecht vereinbar.
§ 1a Abs. 3 Satz 4 BauGB gilt auch im Hinblick auf solche alten Bebauungspläne, bei deren Aufstellung die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung nicht berücksichtigt worden ist.
Normenkette
BauGB § 1a Abs. 3 S. 4, § 215a Abs. 1; BBauG 1960 § 5 Abs. 6; BauNVO § 1 Abs. 3 S. 3, § 11 Abs. 2; BNatSchG 1976 §§ 12, 15; VwGO § 47 Abs. 5 S. 4
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. September 2002 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu je einem Drittel.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Antragsteller wenden sich im Normenkontrollverfahren gegen den Bebauungsplan “Medienpark (B 146)” der Antragsgegnerin. Sie haben eine Reihe von Mängeln gerügt und beantragt, den Bebauungsplan für nichtig zu erklären. Das Normenkontrollgericht hat den Plan wegen eines Abwägungsfehlers für nicht wirksam erklärt und im Übrigen den Antrag abgelehnt (OVG Koblenz, Urteil vom 18. September 2002 – 8 C 11279/01.OVG – BauR 2002, 1817). Der Abwägungsfehler betreffe die Berücksichtigung derjenigen Geräusche, die von der privaten Zu- und Abfahrtsstraße im südöstlichen Bereich des Plangebiets zu erwarten seien. Er sei beachtlich, jedoch in einem ergänzenden Verfahren behebbar.
Mit ihrer auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützten Beschwerde erstreben die Antragsteller die Zulassung der Revision. Während des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin das ergänzende Verfahren durchgeführt und den angegriffenen Bebauungsplan in einer geänderten Fassung erneut beschlossen und bekannt gemacht.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Der Senat geht zugunsten der Antragsteller von der Zulässigkeit der Beschwerde aus.
a) Die Antragsteller sind durch die Normenkontrollentscheidung beschwert. Mit dem Hinweis auf die Senatsentscheidung vom 20. Juni 2001 – BVerwG 4 BN 21.01 – (ZfBR 2002, 274) lassen sich ihre Beschwer und auch ihr Rechtsschutzbedürfnis nicht (mehr) in Zweifel ziehen. Die in dieser Entscheidung offen gelassene Frage nach der grundsätzlichen Zulässigkeit eines Rechtsmittels, mit dem ein Antragsteller – wie hier – die Erklärung der Nichtigkeit anstelle der Unwirksamkeit eines Bebauungsplans anstrebt, hat der Senat im Beschluss vom 11. Dezember 2002 – BVerwG 4 BN 16.02 – (ZfBR 2003, 383) inzwischen bejaht.
b) Die Zulässigkeit der Beschwerde ist auch nicht dadurch entfallen, dass die Antragsgegnerin den Bebauungsplan im ergänzenden Verfahren nach § 215a BauGB geändert, erneut als Satzung beschlossen und öffentlich bekannt gemacht hat. Der neue Plan hat den ursprünglichen weder ersetzt noch überholt.
Mit Abschluss des ergänzenden Verfahrens durch die Bekanntmachung nach § 10 Abs. 3 BauGB trat der geänderte Bebauungsplan in Kraft. Zugleich endete die nach § 47 Abs. 5 Satz 4 VwGO vom Normenkontrollgericht festgestellte Unwirksamkeit des ursprünglichen Bebauungsplans. Dieser erlangte zusammen mit dem geänderten Bebauungsplan insgesamt als ein Bebauungsplan Wirksamkeit (vgl. Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 47 Rn. 102; Stüer/Rude, ZfBR 2000, 85 ≪89≫; Dolde, NVwZ 2001, 976 ≪981≫).
Ob und in welchem Umfang der Plan in dem angestrebten Revisionsverfahren überprüft werden könnte, ist eine Frage des § 142 Abs. 1 VwGO. Danach sind Klageänderungen im Revisionsverfahren unzulässig. Eine Klageänderung liegt u.a. vor, wenn sich der Streitgegenstand ändert. Eine Änderung des Streitgegenstandes ist allenfalls im Umfang des ergänzenden Verfahrens eingetreten. Die wesentliche Bedeutung des § 215a BauGB besteht darin, dass im ergänzenden Verfahren nicht alle Sachfragen neu behandelt werden müssen. Das ergänzende Verfahren kann sich inhaltlich auf die punktuelle Nachbesserung einer ansonsten fehlerfreien Planung beschränken. Nur diese punktuelle Nachbesserung ist Gegenstand des ergänzenden Verfahrens. Im Übrigen wirken der ursprüngliche Satzungsbeschluss und das ursprüngliche Verfahren grundsätzlich weiter. Ein Bebauungsplan, der einem ergänzenden Verfahren unterzogen worden ist, setzt sich mithin aus (mindestens) zwei Teilnormgebungsakten zusammen (Gerhardt, a.a.O.). Im Revisionsverfahren könnte jedenfalls der vom Normenkontrollgericht nicht beanstandete Teilakt einer Rechtskontrolle unterworfen werden; ob § 142 Abs. 1 VwGO einer revisionsgerichtlichen Überprüfung der im ergänzenden Verfahren eingefügten Regelungen gegenstünde, bedarf hier keiner Entscheidung.
c) Zutreffend geht der Beigeladene davon aus, dass ein Rechtsmittel unzulässig ist, das auf die Erklärung der Unwirksamkeit eines Bebauungsplans wegen weiterer als der vom Normenkontrollgericht festgestellten Unwirksamkeitsgründe gerichtet ist (BVerwG, Beschluss vom 11. Dezember 2002, a.a.O sowie BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2003 – BVerwG 4 CN 14.01 –). Sie fordert deshalb von einem die Nichtigerklärung beanspruchenden Beschwerdeführer die Darlegung, dass die behaupteten Mängel des Plans nicht in einem ergänzenden Verfahren behoben werden können. Da es die Antragsteller an dieser Darlegung fehlen ließen, genüge ihre Beschwerde nicht den Erfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Der Senat lässt offen, ob § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO die von dem Beigeladenen vermissten Ausführungen verlangt. Denn der Beschwerde bleibt aus den nachstehenden Erwägungen der Erfolg versagt.
2. a) Die als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage, ob einer Klausel in einer Landschaftsschutzverordnung, der zufolge sich ihr Anwendungsbereich nicht auf das Gebiet neu aufgestellter Bebauungspläne erstreckt, Bundesrecht entgegensteht, bräuchte in einem Revisionsverfahren nicht geklärt zu werden, weil es auf ihre Beantwortung nicht ankäme. Der gerügte Mangel der Billigung der “Öffnungsklausel” in der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet “Rheinhessisches Rheingebiet” vom 17. Mai 1977 durch das Normenkontrollgericht würde nämlich nicht zur Nichtigkeit des angefochtenen Bebauungsplans, sondern ebenfalls nur zu seiner Unwirksamkeit führen. Er wäre im ergänzenden Verfahren nach § 215a Abs. 1 Satz 1 BauGB durch eine entsprechende Änderung der Landschaftsschutzverordnung behebbar (vgl. dazu Kalb in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 215a, Rn. 37).
Unabhängig davon nötigt die Frage nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision. Sie lässt sich in bejahendem Sinne beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
Bauplanungsrecht wird durch die beanstandete “Öffnungsklausel” nicht berührt. Die Beschwerde zieht aus der Streichung des § 5 Abs. 6 BBauG im Jahre 1977 zu Unrecht den Schluss, der Bundesgesetzgeber habe in Wahrnehmung seiner Gesetzgebungskompetenz für das Bodenrecht (Art. 72 Abs. 2, Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG) das Verhältnis zwischen Landschaftsschutzverordnungen und kommunaler Bauleitplanung abschließend zugunsten eines Vorrangs des Landschaftsschutzes geregelt. Nach § 5 Abs. 6 Satz 2 BBauG 1960 traten mit dem In-Kraft-Treten eines Bebauungsplans in seinem Geltungsbereich Regelungen, die dem Landschaftsschutz dienten, insoweit außer Kraft, als sie der Durchführung des Bebauungsplans entgegenstanden. Damit hatte der Gesetzgeber angeordnet, dass sich im Konfliktfall die Bauleitplanung auch gegenüber einem förmlichen Natur- und Landschaftsschutz durchsetzt. Beim Erlass der BBauG-Novelle 1976 änderte er diese Bewertung. In dem Bewusstsein, dass der ausnahmslose Vorrang der Bauleitplanung vor Landschaftsschutzbestimmungen die Belange des Naturschutzes vernachlässige, entzog er den Gemeinden die Befugnis, natur- und landschaftsschutzrechtliche Vorschriften im Wege der Bauleitplanung zurückzudrängen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1999 – BVerwG 4 C 1.99 – BVerwGE 109, 371 ≪378 f.≫). Mehr als die Abkehr vom Vorrang der Bauleitplanung gibt die Streichung des § 5 Abs. 6 Satz 2 BBauG 1960 aber nicht her. Insbesondere lässt sie die dem Landesrecht eingeräumte Befugnis, die Reichweite naturschutzrechtlicher Verbote zu bestimmen, unberührt. Der Bundesgesetzgeber, dem im Bereich des Naturschutzes ohnedies nur eine Rahmenkompetenz zusteht (vgl. Art. 74 Nr. 3 GG in der seinerzeit geltenden Fassung), hat mit der Gesetzesänderung dem Verordnungsgeber einer Landschaftsschutzverordnung nicht untersagen wollen, selbst den Geltungsanspruch seiner Bestimmungen zugunsten der Bauleitplanung einzuschränken. Ob das zulässig ist, richtet sich allein nach den einschlägigen natur- und landschaftsschutzrechtlichen Bestimmungen.
Entgegen der Auffassung der Beschwerde steht § 15 BNatSchG 1976, der bei In-Kraft-Treten der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet “Rheinhessisches Rheingebiet” galt, der Öffnungsklausel nicht entgegen. Die Vorschrift zählt in Absatz 1 die Voraussetzungen auf, unter denen ein Gebiet als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen werden durfte, und ordnete in Absatz 2 das Verbot aller Handlungen nach Maßgabe näherer Bestimmungen an, die den Charakter des Gebietes veränderten oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderliefen. Eine Verpflichtung, alle Gebiete, die den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 entsprachen, zu Landschaftsschutzgebieten zu erklären, bestand indessen nicht. Vielmehr stand die Ausweisung nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 1976 im Ermessen. Es blieb dem landesrechtlichen Normgeber daher unbenommen, vom Erlass einer Landschaftsschutzverordnung abzusehen oder jedenfalls den Geltungsbereich einer solchen Verordnung durch eine Öffnungsklausel zugunsten der gemeindlichen Bauleitplanung einzuschränken.
b) Die Frage, ob § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO den immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegel als eine Festsetzung der “Art der Nutzung” erlaubt, wird als entscheidungserheblich unterstellt. Zwar können auch Lärmschutzprobleme, die im Bebauungsplan fehlerhaft gelöst worden sind, in einem ergänzenden Verfahren abgearbeitet werden (BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1999 – BVerwG 4 CN 7.98 – BVerwGE 110, 193 ≪203≫). Dies gilt aber nur, wenn der Mangel nicht von solcher Art und Schwere ist, dass er die Planung von vornherein in Frage stellt oder die Grundzüge der Planung berührt (BVerwG, Urteil vom 8. Oktober 1998 – BVerwG 4 CN 7.97 – Buchholz 406.11 § 215a BauGB Nr. 1). Ob bei einer Beanstandung des von der Antragsgegnerin gewählten immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegels der Lärmschutz durch andere Festsetzungen, z.B. durch Festsetzung von Lärmschutzwänden, gewährleistet werden könnte, ist offen. Das Normenkontrollurteil enthält dazu – folgerichtig – keine Feststellungen.
Die Frage rechtfertigt aber nicht die Zulassung der Revision, weil sie sich mit dem Senatsurteil vom 28. Februar 2002 – BVerwG 4 CN 5.01 – (NVwZ 2002, 1114) im Sinne des Normenkontrollurteils beantworten lässt. Das Normenkontrollgericht hat der Entscheidung zutreffend entnommen, dass auf der Grundlage des § 11 Abs. 2 BauNVO auch in Sondergebieten das Emissionsverhalten eines Betriebs durch einen immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegel gesteuert werden darf. Deshalb ist auch die Divergenzrüge unbegründet. Entgegen der Auffassung der Beschwerde lässt sich der Senatsentscheidung vom 28. Februar 2002, in der es um die Festlegung von Emissionsradien für Tiermastbetriebe anhand der VDI-Richtlinie 3471 ging, nicht entnehmen, dass die Festsetzung von Emissions- und Immissionsgrenzwerten nur dann als Festsetzung der Art der Nutzung angesehen werden kann, wenn sie auf die Art des zugelassenen Betriebs schließen lässt. Die Tatsache, dass die VDI-Richtlinie 3471 ausschließlich der Kontrolle von Emissionen aus der Schweinehaltung dient und deshalb die Festsetzung von Emissionsradien auf ihrer Grundlage die betroffenen Betriebe als Schweinemastbetriebe ausweist, war für die zu entscheidende grundsätzliche Frage ohne Bedeutung.
Richtig ist, dass der Senat immissionswirksame flächenbezogene Schallleistungspegel zur Gliederung von Baugebieten nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO mit der Begründung zugelassen hat, zu den besonderen Eigenschaften von Betrieben und Anlagen gehöre auch ihr Emissionsverhalten, und dass diese Vorschrift gemäß § 1 Abs. 3 Satz 3 BauNVO bei der Festsetzung von Sondergebieten nicht gilt. Daraus kann indessen nicht abgeleitet werden, dass immissionswirksame flächenbezogene Schallleistungspegel in Sondergebieten nicht festgesetzt werden dürfen. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 10. August 1993 – BVerwG 4 NB 2.93 – (BRS 55 Nr. 11) nicht ausgeschlossen, dass mit den Begriffen “Art der Nutzung” und “besondere Eigenschaften von Betrieben” Sachverhalte beschrieben werden, die sich – auch teilweise – überlappen, so dass mit einem bestimmten Emissionsverhalten auch eine Nutzungsart umschrieben sein kann. Die Entwicklung der Baunutzungsverordnung zeigt, dass der Verordnungsgeber durch § 1 Abs. 3 Satz 3 BauNVO die Gestaltungsmöglichkeiten bei der Festsetzung von Sondergebieten gegenüber den Gebietsarten nach den §§ 2 bis 9 BauNVO in der Tat nicht einschränken wollte. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO 1977 sah vor, dass auch Sondergebiete nach den besonderen Eigenschaften der Betriebe und Anlagen gegliedert werden konnten. Die Einfügung des § 1 Abs. 3 Satz 3 BauNVO und die Herausnahme des § 11 aus § 1 Abs. 4 Satz 1 BauNVO durch die Novelle 1990 haben daran nichts geändert. Nach dem Willen des Verordnungsgebers soll § 1 Abs. 3 Satz 3 BauNVO “in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht klarstellen, dass besondere Festsetzungen, wie sie für die Baugebiete nach den §§ 2 bis 9 in § 1 Abs. 1 bis 10 gelten, in Sondergebieten aufgrund der §§ 10 und 11 (insbesondere § 10 Abs. 2 Satz 1 und § 11 Abs. 2 Satz 1) erfolgen” (BRDrucks 354/89 S. 40). Anlass für die Überarbeitung des § 1 Abs. 3 und 4 BauNVO 1977 sei der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. September 1984 – BVerwG 4 N 3.84 – (NVwZ 1985, 338), in dem ausgeführt wird, dass “bei der Festsetzung der Art der Nutzung für ein Sondergebiet gemäß § 11 Abs. 2 die Gemeinde nicht an die in §§ 2 bis 10 aufgeführten Nutzungsarten und nicht an die in § 1 Abs. 4 bis 9 für typisierte Baugebiete eröffneten Möglichkeiten der Differenzierung gebunden ist.”
c) Die Fragen,
- ob ein Bebauungsplan rechtmäßig ist, der für ein Grundstück im Plangebiet eine Nutzung festsetzt, die nicht der Eigentümer dieses Grundstücks, sondern aus rechtlichen Gründen nur sein Nachbar realisieren kann, und gleichzeitig durch die Planung eine Aufrechterhaltung der bisherigen Nutzung nur unter erheblich erschwerten Umständen möglich ist,
- ob ein derartiger Bebauungsplan jedenfalls dann gegen § 1 Abs. 3 BauGB oder § 1 Abs. 6 BauGB verstößt, wenn der Nachbar, für dessen Vorhaben der Bebauungsplan aufgestellt wird, dieses Vorhaben auch dann verwirklichen kann, wenn dem Eigentümer des Grundstücks ebenfalls eine plankonforme Nutzung ermöglicht würde,
führen ebenfalls nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision.
Beide Fragen sind nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerde nicht entscheidungserheblich. Die Beschwerde trägt selbst vor, dass eine Umsetzung des Bebauungsplans auch dann möglich ist, wenn entweder die der Antragstellerin zu 3 gehörende, bislang landwirtschaftlich genutzte Parzelle 199 nicht in der großen Parkplatzanlage aufgeht oder wenn nicht dem Beigeladenen, sondern der Antragstellerin zu 3 die plankonforme Nutzung der Parzelle als Abstellfläche für Kraftfahrzeuge ermöglicht wird. Mit der dahinter stehenden Behauptung, dass der Beigeladene auf das Flurstück nicht angewiesen ist, räumt sie ein, dass ein Abwägungsmangel zu Lasten der Antragstellerin zu 3 nicht von solcher Art und Schwere wäre, dass er die Planung in Frage stellt oder ihre Grundzüge berührt. Er könnte daher in einem ergänzenden Verfahren behoben werden und hätte nicht die Nichtigkeit des Planes zur Folge. Im Übrigen sind beide Fragen auf den konkreten Fall zugeschnitten und führen nicht auf eine fallübergreifende Thematik.
d) Schließlich erfordern die Fragen,
- ob § 1a Abs. 3 Satz 4 BauGB auch solche Eingriffe erfasst, die von einem Bebauungsplan für zulässig erklärt worden sind, dessen Abwägung zu einem Zeitpunkt getroffen wurde, als die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung überhaupt noch nicht existierte und keine entsprechende Pflicht zur Vermeidung von Eingriffen und zur Festlegung von Ausgleichsmaßnahmen bestand,
- ob § 1a Abs. 3 Satz 4 BauGB auch solche Eingriffe erfasst, die zu einem Zeitpunkt von einem Bebauungsplan für zulässig erklärt worden sind, als die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung und die Notwendigkeit von Ausgleichsmaßnahmen noch nicht auf der Ebene der Bauleitplanung, sondern erst bei der späteren Planverwirklichung beachtet werden mussten,
- ob § 1a Abs. 3 Satz 4 BauGB auch solche Eingriffe, die von einem Bebauungsplan für zulässig erklärt worden sind, der unverhältnismäßige Festsetzungen im Hinblick auf Eingriffe in Natur und Landschaft enthält und nur deshalb wirksam ist, weil zeitweise die Möglichkeit zur Vornahme von Korrekturen durch die Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung im Baugenehmigungsverfahren bestanden hätte,
ihre Entscheidungserheblichkeit vorausgesetzt, nicht die Zulassung der Revision. Sie lassen sich auch ohne Revisionsverfahren in bejahendem Sinne beantworten.
Nach § 1a Abs. 2 Nr. 2 BauGB sind in der Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB die Vermeidung und der Ausgleich der zu erwartenden Eingriffe in Natur und Landschaft zu berücksichtigen (Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz). Nach § 1a Abs. 3 Satz 4 BauGB ist ein Ausgleich nicht erforderlich, soweit die Eingriffe bereits vor der planerischen Entscheidung erfolgt sind oder zulässig waren. Der Wortlaut des § 1a Abs. 3 Satz 4 BauGB ist eindeutig. Er stellt allein darauf ab, welche Bebauung vor der Aufstellung des neuen Bebauungsplans zulässig war, und differenziert nicht danach, wann und unter welcher Rechtslage die bestehenden Baurechte entstanden sind. Ein Ausgleich ist bei der Überplanung von Flächen, für die bereits Baurechte bestehen, nur insoweit erforderlich, als zusätzliche und damit neu geschaffene Baurechte entstehen (Krautzberger in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., § 1a, Rn. 213). Angesichts des klaren Wortlauts der Regelung kommt eine von der Beschwerde befürwortete einschränkende Auslegung, nach der von einem Ausgleich nur abgesehen werden darf, wenn bei der Aufstellung oder dem Vollzug des alten Bebauungsplans die Anforderungen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung erfüllt worden sind, auch mit Blick auf die Staatszielbestimmung in Art. 20a GG nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO und die Streitwertentscheidung auf § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Paetow, Lemmel, Gatz
Fundstellen
Haufe-Index 952531 |
BauR 2003, 1688 |
ZAP 2003, 948 |
NuR 2003, 624 |
ZUR 2004, 41 |
ZfBR 2003, 692 |
BTR 2003, 245 |
DVBl. 2003, 1462 |
UPR 2003, 443 |
ZfW 2005, 125 |
BRS-ID 2003, 1 |
BRS-ID 2003, 2 |
BRS-ID 2003, 3 |
EurUP 2003, 47 |
FSt 2004, 24 |
FSt 2004, 26 |
FSt 2004, 27 |