Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Urteil vom 19.07.2007; Aktenzeichen 3 LB 20/06) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 19. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Klägers kann keinen Erfolg haben. Dem Beschwerdevorbringen lässt sich nicht entnehmen, dass ein Revisionszulassungsgrund gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO gegeben ist.
In dem Berufungsurteil hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil, das auf Antrag des Klägers die Erledigung des Klageverfahrens durch Prozessvergleich vom 28. Januar 2005 festgestellt hat, aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat den Prozessvergleich zum einen wegen des Fehlens eines Genehmigungsvermerks in der Sitzungsniederschrift des Verwaltungsgerichts, zum anderen wegen des Widerrufs der Beklagten für unwirksam gehalten. Der Eingang der Widerrufserklärung vor Beginn der vereinbarten Widerrufsfrist stehe der Rechtswirksamkeit des Widerrufs nicht entgegen. Die im Tenor des Berufungsurteils ausgesprochene Abweisung der Klage beziehe sich nur auf den Feststellungsantrag des Klägers. Hinsichtlich seines Schadensersatzbegehrens sei das Klageverfahren beim Verwaltungsgericht anhängig.
1. Der Kläger hält die Frage für rechtsgrundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, ob ein Prozessvergleich vor Beginn des Laufs der vereinbarten Widerrufsfrist wirksam widerrufen werden könne.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO obliegt es dem Beschwerdeführer darzulegen, worin der allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedarf an der Klärung der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage bestehen soll (Urteil vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫; stRspr).
Der Kläger hat einen allgemeinen Klärungsbedarf nicht aufgezeigt. Die von ihm aufgeworfene Frage nach der Widerrufbarkeit eines Prozessvergleichs vor Beginn des Laufs der Widerrufsfrist ist einer generellen Klärung nicht zugänglich, weil ihre Beantwortung stets von den Umständen des konkreten Falles, nämlich vom Inhalt des jeweiligen Vergleichs abhängt. Auch der Inhalt öffentlich-rechtlicher Vergleichsverträge ist nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB über die Auslegung von Willenserklärungen zu ermitteln, die hier gemäß § 129 Satz 2 LVwG SH anwendbar sind (vgl. Urteil vom 26. Januar 1993 – BVerwG 1 C 29.92 – BVerwGE 92, 29 ≪30≫).
2. Der Kläger hält eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO für gegeben, weil das Oberverwaltungsgericht von dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Oktober 1996 – BVerwG 6 P 21.94 – abgewichen sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe entschieden, dass ein vor Beginn der Dreimonatsfrist des § 9 Abs. 2 BPersVG gestelltes Weiterbeschäftigungsverlangen eines Auszubildenden regelmäßig unwirksam sei und es nur Grundsätze von Treu und Glauben ausnahmsweise gebieten könnten, ein vorzeitig gestelltes Verlangen als fristgemäß zu behandeln. Daraus könne geschlossen werden, dass vor Beginn des Laufs der vereinbarten Widerrufsfrist prozessuale Erklärungen wie ein Vergleichswiderruf nicht wirksam vorgenommen werden könnten.
Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt vor, wenn die Entscheidung der Vorinstanz auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 n.F. VwGO Nr. 26; stRspr).
Diese Voraussetzungen sind hier offensichtlich nicht erfüllt, weil sich das Berufungsurteil und die angeführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht mit derselben Rechtsvorschrift befassen. Nach der Darstellung des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht Aussagen zu dem Bedeutungsgehalt des § 9 Abs. 2 BPersVG getroffen. Demgegenüber hat das Berufungsgericht über die Wirksamkeit des Widerrufs des Prozessvergleichs vom 28. Januar 2005 entschieden. Hierfür ist § 9 Abs. 2 BPersVG ohne jede Bedeutung.
3. Der Kläger macht als Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend, das Oberverwaltungsgericht habe die Klage auch hinsichtlich seines Schadensersatzbegehrens abgewiesen. Dies ergebe sich aus dem Urteilstenor “Die Klage wird abgewiesen” in Verbindung mit dem Zusatz “Streitgegenstand: Schadensersatz wegen Nichtbeförderung” im Rubrum des Berufungsurteils.
Der Inhalt des Entscheidungsausspruchs eines Urteils und demnach der Umfang seiner Rechtskraft ist dem Urteil im Ganzen zu entnehmen. Gerade bei klageabweisenden Urteilen ist die Urteilsformel für sich genommen unergiebig. Hier müssen die Entscheidungsgründe und der Urteilstatbestand herangezogen werden, um den Inhalt des Entscheidungsausspruchs zu bestimmen. Nur durch Auslegung des gesamten Urteils lässt sich abgrenzen, inwieweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist (vgl. Urteile vom 21. September 1984 – BVerwG 8 C 4.82 – BVerwGE 70, 159 ≪161≫ und vom 20. November 1997 – BVerwG 5 C 1.96 – BVerwGE 105, 370 ≪372≫; stRspr).
Danach liegt der vom Kläger geltend gemachte Verfahrensmangel nicht vor: In dem Berufungsurteil hat das Oberverwaltungsgericht lediglich über den Feststellungsantrag des Klägers entschieden, dass das Klageverfahren durch Prozessvergleich vom 28. Januar 2005 beendet worden sei. Dagegen erfasst das Berufungsurteil nicht den Antrag des Klägers, die Beklage zur Zahlung von Schadensersatz zu verurteilen. Dieser beschränkte Inhalt des Entscheidungsausspruchs ergibt sich eindeutig aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils. Zum einen hat das Oberverwaltungsgericht ausschließlich die Frage der Rechtswirksamkeit und demnach der prozessbeendenden Wirkung des Prozessvergleichs vom 28. Januar 2005 behandelt. Zum anderen hat es am Ende der Entscheidungsgründe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die im Tenor ausgesprochene Abweisung der Klage nur auf den Feststellungsantrag des Klägers beziehe. Das Klageverfahren mit dem in der Klageschrift angekündigten Leistungsantrag sei “noch/wieder” beim Verwaltungsgericht anhängig. In Anbetracht dieses Inhalts der Entscheidungsgründe kommt der Bezeichnung des Streitgegenstandes im Rubrum des Berufungsurteils keine Bedeutung für den Inhalt des Entscheidungsausspruchs zu.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen liegt ein Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auch nicht darin, dass die Beklagte nicht darauf hingewiesen worden ist, sie müsse Zwischenfeststellungswiderklage erheben. Ein solcher Hinweis wäre nicht sachdienlich gewesen, weil die Beklagte ihr Rechtsschutzziel durch den Antrag erreichen konnte, den Feststellungsantrag des Klägers abzuweisen. In der Abweisung dieses Antrags liegt die von der Beklagten angestrebte Feststellung, dass das Klageverfahren nicht durch Prozessvergleich beendet worden ist.
4. Für die weitere Sachbehandlung weist der Senat darauf hin, dass das Klageverfahren hinsichtlich des Schadensersatzbegehrens des Klägers nicht erstinstanzlich beim Verwaltungsgericht, sondern in der Berufungsinstanz anhängig ist. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Ein Prozessvergleich der Verfahrensbeteiligten über den Streitgegenstand beendet das gerichtliche Verfahren. Daher ist ein Streit über seine Wirksamkeit und damit über seine prozessbeendende Wirkung in demjenigen Verfahren auszutragen, auf dessen Streitgegenstand sich der Prozessvergleich bezieht. Die Sachanträge der Beteiligten werden erst gegenstandslos, wenn die Wirksamkeit des Prozessvergleichs feststeht. Hält das Gericht den Prozessvergleich in einem Hauptsacheverfahren für wirksam, so hat es auf Antrag des Klägers durch Endurteil festzustellen, dass der Prozessvergleich das Verfahren beendet hat. Kommt es dagegen zu dem Ergebnis, der Prozessvergleich sei nicht wirksam zustande gekommen oder durch Widerruf unwirksam geworden, so wird das Verfahren mit den ursprünglichen Sachanträgen fortgesetzt. Die negative Feststellung, dass der Prozessvergleich das Klageverfahren nicht beendet hat, kann nur durch rechtsmittelfähiges Zwischenurteil gemäß § 109 VwGO getroffen werden (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1996 – VIII ZB 28/96 – NJW 1996, 3345 ≪3346≫; zum Ganzen Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, 3. Auflage, § 794 Rn. 58, 59; vgl. auch Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 11. Auflage, § 109 VwGO Rn. 3; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Auflage, § 109 Rn. 2).
Hier hat das Verwaltungsgericht ein Endurteil erlassen. Denn es hat auf Antrag des Klägers die Beendigung des Klageverfahrens durch den Prozessvergleich vom 28. Januar 2005 festgestellt. Eine Entscheidung über den ursprünglichen Klageantrag, die Beklagte zum Schadensersatz zu verurteilen, ist dem Verwaltungsgericht nach seinem Rechtsstandpunkt verwehrt gewesen. Durch die Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Endurteil ist das Klageverfahren in vollem Umfang in der Berufungsinstanz anhängig geworden. Der ursprüngliche Klageantrag ist als Hilfsantrag in der Berufungsinstanz angefallen (vgl. Urteile vom 15. April 1997 – BVerwG 9 C 19.96 – BVerwGE 104, 260 ≪263≫ und vom 28. April 2005 – BVerwG 2 C 1.04 – BVerwGE 123, 308 ≪312≫).
Wie oben dargelegt hat das Oberverwaltungsgericht in dem Berufungsurteil die Klage nur hinsichtlich des Antrags abgewiesen, die Beendigung des Klageverfahrens durch den Prozessvergleich vom 28. Januar 2005 festzustellen. Daher handelt es sich bei dem Berufungsurteil in der Sache um ein Zwischenurteil gemäß § 109 VwGO. Als solches wird es mit der Ablehnung der Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers durch den vorliegenden Beschluss rechtskräftig (§ 133 Abs. 5 Satz 3 VwGO). Damit steht rechtskräftig fest, dass das Klageverfahren nicht durch Prozessvergleich vom 28. Januar 2005 beendet worden ist. Daher wird sich das Oberverwaltungsgericht nunmehr mit dem Verweisungsantrag des Klägers und gegebenenfalls mit seinem in der Berufungsinstanz anhängigen Klageantrag, die Beklagte zum Schadensersatz zu verurteilen, befassen müssen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Kugele, Dr. Heitz, Thomsen
Fundstellen