Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsschutzbedürfnis, Antrag maßgebend für Beurteilung des Fortbestands des –. Fortfall des – nach Beendigung des den personalvertretungsrechtlichen Streit auslösenden Vorganges

 

Normenkette

ArbGG § 81

 

Verfahrensgang

OVG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 16.05.1984; Aktenzeichen 4 A 5/83)

VG Koblenz (Beschluss vom 06.05.1983; Aktenzeichen 4 PV 8/82)

 

Tenor

Der Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz – Fachsenat für Personalvertretungssachen (Bund) – vom 16. Mai 1984 wird geändert.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Koblenz – Fachkammer für Personalvertretungssachen (Bund) – vom 6. Mai 1983 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Der Personalrat bei dem Bundesarchiv, der Antragsteller, will festgestellt wissen, daß der Präsident des Bundesarchivs, der Beteiligte, sich zu Unrecht über die Weigerung des Antragstellers hinweggesetzt hat, der Einstellung eines Angestellten zuzustimmen, der im Jahre 1982 eine befristete Aushilfstätigkeit ausgeübt hat. Dem Verfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die längere Erkrankung eines Beschäftigten des Bundesarchivs führte im Oktober 1982 zu vorübergehenden Schwierigkeiten in der Besetzung der Aufsicht im Benutzersaal des Bundesarchivs. Um ihnen zu begegnen, beabsichtigte der Beteiligte, für die Monate November und Dezember 1982 einen im Ruhestand befindlichen früheren Soldaten als Aushilfskraft einzustellen. Hierzu erbat er in einem von dem Regierungsamtsrat S. „Im Auftrag” unterzeichneten Schreiben vom 22. Oktober 1982 die Zustimmung des Antragstellers. Dieser widersprach der Einstellung mit der Begründung, es sei nicht auszuschließen, daß andere – z.B. im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen eingestellte – Beschäftigte des Bundesarchivs durch die vorgesehene Einstellung benachteiligt würden, ohne daß dies durch sachliche oder persönliche Gründe gerechtfertigt werde. Auch vermöge er die Eilbedürftigkeit der Maßnahme nicht zu erkennen, weil der personelle Notstand im Benutzersaal seit mehr als zwei Monaten bestehe. Er schlage deswegen vor, die Aushilfstätigkeit innerhalb des Bundesarchivs auszuschreiben. Der Beteiligte teilte dem Antragsteller daraufhin in einem wiederum von Regierungsamtsrat S. „Im Auftrag” unterzeichneten Schreiben vom 2. November 1982 mit, die Weigerung des Antragstellers, der beabsichtigten Maßnahme zuzustimmen, sei rechtlich unbeachtlich, weil sie nicht auf sachlichen Gründen, sondern auf Vermutungen beruhe. Deswegen sei die Aushilfskraft ohne vorheriges Einigungsverfahren eingestellt worden.

Der Antragsteller leitete daraufhin im November 1982 das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren ein, in dem er beantragte,

festzustellen, daß die Einstellung des Herrn Hans-Joachim S. ab 2. November 1982 beim Bundesarchiv, die gegen seine ausdrückliche Verweigerung der Zustimmung erfolgt sei, sein aus § 75 BPersVG herrührendes Mitbestimmungsrecht verletze.

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag durch Beschluß vom 6. Mai 1983 ab. Auf die Beschwerde des Antragstellers traf das Beschwerdegericht am 16. Mai 1984 die begehrte Feststellung. Zur Begründung führte es aus, das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers sei in dem zu beurteilenden Zusammenhang schon dadurch verletzt worden, daß der Beteiligte das Mitbestimmungsverfahren nicht rechtswirksam eingeleitet habe. Nach § 69 Abs. 2 Satz 1 BPersVG habe der Dienststellenleiter die Zustimmung des Personalrats zur mitbestimmungspflichtigen Maßnahme zu beantragen. Im Falle seiner Verhinderung könne ihn gemäß § 7 BPersVG nur sein ständiger Vertreter oder– beim Bundesarchiv als einer Bundesoberbehörde ohne nachgeordnete Dienststellen – der Leiter der Abteilung für Personal- und Verwaltungsangelegenheiten vertreten, letzterer jedoch nur, wenn der Dienststellenleiter eine entsprechende Bestimmung getroffen habe. Regierungsamtsrat S., der im vorliegenden Falle im Auftrage des Beteiligten gehandelt habe, sei als stellvertretender Leiter der Abteilung für Personal- und Verwaltungsangelegenheiten nicht zur Vertretung des Beteiligten befugt gewesen. Das habe auch dann zu gelten, wenn sowohl der Beteiligte als auch dessen ständiger Vertreter und der Leiter der Abteilung für Personal- und Verwaltungsangelegenheiten verhindert gewesen sein sollten; denn die personalvertretungsrechtliche Vertretungsbefugnis des Leiters der Abteilung für Personal- und Verwaltungsangelegenheiten gehe bei dessen Verhinderung nicht auf seinen nach der Dienststellenorganisation in sonstigen dienstlichen Angelegenheiten berufenen Vertreter über. Es spreche auch nichts dafür, daß Regierungsamtsrat S. im Zusammenhang mit der den Gegenstand des Verfahrens bildenden Einstellung einer Aushilfskraft besonders mit der personalvertretungsrechtlichen Vertretung des Beteiligten beauftragt gewesen sei. Fehle es somit an einem ordnungsgemäßen Mitbestimmungsverfahren, so komme es auf die eigentlich zwischen den Verfahrensbeteiligten streitigen Fragen nicht an.

Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten, mit der er sich gegen die dem angefochtenen Beschluß zugrundeliegende Auslegung des § 7 BPersVG wendet.

Der Beteiligte beantragt,

den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz – Fachsenat für Personalvertretungssachen (Bund) – vom 16. Mai 1984 zu ändern und die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Koblenz – Fachkammer für Personalvertretungssachen (Bund) – vom 6. Mai 1983 zurückzuweisen.

Der Antragsteller tritt der Rechtsbeschwerde entgegen und verteidigt den angefochtenen Beschluß.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat im Ergebnis Erfolg. Das für die vom Antragsteller begehrte Feststellung erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist fortgefallen. Der Antrag ist dadurch unzulässig geworden.

In Auseinandersetzungen zwischen Personalrat und Diensstelle über die beiderseitigen Rechte und Pflichten bedürfen beide Seiten nur dann und solange des gerichtlichen Schutzes, als die begehrte Entscheidung noch rechtliche Auswirkungen haben kann. Das ist der Fall, wenn der tatsächliche Vorgang, der den Streit ausgelöst hat, zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung nocht nicht abgeschlossen ist. Nach der Rechtsprechung des Senats und des Bundesarbeitsgerichts ist dem Antragsteller nach Abschluß des auslösenden Vorganges ein fortdauerndes schutzwürdiges Interesse an der gerichtlichen Klärung der aufgetretenen personalvertretungsrechtlichen Streitfrage aber auch dann zuzubilligen, wenn sich der Vorgang erfahrungsgemäß wiederholen wird oder wenn tatsächliche Vorgänge mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind, in denen sich die gleiche Rechtsfrage wiederum stellen wird (ständige Rechtsprechung des Senats; BAG, Beschluß vom 29. Juli 1982 – 6 ABR 51/79 – ≪AP § 83 ArbGG 1979 Nr. 5≫). Hingegen fehlt es an dem in jedem Abschnitt des gerichtlichen Beschlußverfahrens – also auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz – erforderlichen Rechtsschutzinteresse, wenn der Vorgang, der das Verfahren ausgelöst hat, abgeschlossen ist und nur eine geringe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß sich ein gleichartiger Vorgang wiederholen wird oder daß sich die streitig gewesene Rechtsfrage den Verfahrensbeteiligten in anderem sachlichen Zusammenhang in gleicher Weise erneut stellen wird (BAG, a.a.O.). Unter diesen Voraussetzungen beendete eine gleichwohl ergehende gerichtliche Entscheidung weder die ursprüngliche personalvertretungsrechtliche Auseinandersetzung noch befriedigte sie ein über diese Auseinandersetzung hinausgehendes, konkretes Bedürfnis nach Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens bestimmter personalvertretungsrechtlicher Befugnisse. Eine solche Entscheidung hätte nur noch die Bedeutung einer gutachtlichen Äußerung zu der anfänglich aus einem konkreten Vorgang erwachsenen, mit dessen Beendigung aber „abstrakt” gewordenen Rechtsfrage, zu deren Abgabe die Gerichte nicht berufen sind.

Hiervon ausgehend kann im vorliegenden Fall keine Sachentscheidung mehr ergehen. Das ergeben folgende Erwägungen:

Die befristete Beschäftigung der Aushilfskraft im Bundesarchiv, bei deren Einstellung der Antragsteller gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG mitzubestimmen hatte, endete am 31. Dezember 1982. Von ihr können daher keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Antragsteller und Beteiligtem mehr ausgehen. Angesichts der besonderen Umstände, die diese Beschäftigung notwendig machten, ist auch nicht zu erwarten, daß die sachliche Problematik nochmals auftritt. Es ist schon ungewöhnlich, daß ein vorübergehender krankheitsbedingter Personalausfall nicht dienststellenintern, sondern durch die befristete Beschäftigung einer Aushilfe ausgeglichen wird. Sollte das beim Bundesarchiv in Zukunft dennoch wiederum geschehen, so ist es aber im höchsten Maße unwahrscheinlich, daß als mögliche Aushilfe nochmals der im Ausgangsfall beschäftigt gewesene Soldat im Ruhestand und zugleich im Bundesarchiv eine Arbeitskraft zur Verfügung stehen, deren Beschäftigung – etwa im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen – gerade zu Beginn der befristeten Aushilfstätigkeit ausläuft, so daß zwischen beiden ausgewählt werden kann. Ganz überwiegendes spricht vielmehr dafür, daß der Antragsteller nicht in die Lage kommen wird, sich ein weiteres Mal in einer Situation, die derjenigen Ende 1982 tatsächlich vergleichbar ist, zu der beabsichtigten befristeten Einstellung einer Aushilfskraft äußern zu müssen. Dies bedeutet, daß die vom Antragsteller begehrte Feststellung, er habe seine Zustimmung seinerzeit wirksam verweigert, die in dem längst abgeschlossenen Ausgangsfall ohnehin keine Rechtswirkung mehr entfalten könnte, auch für die weitere Arbeit des Antragstellers keine vorhersehbare rechtliche Bedeutung mehr erlangen könnte, wenn sie getroffen würde. Für das in seinem Antrag formulierte, nach dem zuvor Gesagten, auf diesen singulären Vorgang zurückgehende Verlangen des Antragstellers ist das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis sonach entfallen.

Anderes ergibt sich nicht aus den Zweifeln des Antragstellers daran, daß der Beteiligte das den abgeschlossenen Streit auslösende Mitbestimmungsverfahren wirksam eingeleitet hat. Denn für die Beurteilung, ob das für das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (noch) besteht, ist der vom Antragsteller in der Vorinstanz formulierte Antrag maßgebend, der den Gegenstand des Verfahrens bestimmt. Er richtet sich auf die Feststellung, „daß die Einstellung des Herrn Hans-Joachim S. ab 2. November 1982 beim Bundesarchiv, die gegen seine (des Antragstellers) ausdrückliche Verweigerung der Zustimmung erfolgt ist, sein ihm aus § 75 BPersVG herrührendes Mitbestimmungsrecht verletzt” hat. Dieser Antrag übergeht die vorgreifliche Frage, ob das Mitbestimmungsverfahren hinsichtlich der genannten Maßnahme im Blick auf § 7 BPersVG wirksam eingeleitet worden ist, und stellt allein zur Entscheidung des Gerichts, ob der Beteiligte über die ablehnende Stellungnahme des Antragstellers hat hinweggehen dürfen oder ob er die Einstellung des S. hätte unterlassen oder das Einigungsverfahren hätte einleiten müssen. Da die Entscheidung über dieses Begehren eine wirksame Beteiligung des Antragstellers im Mitbestimmungsverfahren voraussetzt, kann dieser Antrag trotz schriftsätzlichen Eingehens des Antragstellers auf die bezeichnete „Vorfrage” in den Vorinstanzen nicht dahin verstanden werden, daß er vorrangig geklärt wissen will, ob das Mitbestimmungsverfahren wirksam eingeleitet worden ist, und den formulierten Feststellungsantrag nur für den Fall gestellt hat, daß das Gericht dies bejaht. Der Antrag beschränkt sich vielmehr eindeutig auf das Verlangen nach gerichtlicher Prüfung, ob sich der Beteiligte nach der ablehnenden Äußerung des Antragstellers rechtmäßig verhalten hat. Das enthob die Vorinstanzen, die das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers nicht in Zweifel gezogen haben, allerdings nicht der Notwendigkeit, auch die „Vorfrage” zu prüfen. Das Interesse der Verfahrensbeteiligten daran, daß auch das Rechtsbeschwerdegericht zu ihr Stellung nimmt, obwohl die konkrete personalvertretungsrechtliche Auseinandersetzung zwischen ihnen gegenstandslos geworden und damit das Rechtsschutzbedürfnis fortgefallen ist, rechtfertigt es indes – wie dargelegt – nicht, das Verfahren deswegen in der Sache fortzusetzen.

Der ursprüngliche Antrag des Antragstellers kann im Rechtsbeschwerdeverfahren auch nicht mehr auf das Begehren „ausgeweitet” werden, festzustellen, daß das Mitbestimmungsverfahren, welches den personalvertretungsrechtlichen Streit auslöste, nicht wirksam eingeleitet worden ist. Eine solche Änderung des Verfahrensgegenstandes ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht mehr zulässig; die Entscheidungsgrundlage für das Rechtsbeschwerdegericht bildet allein der zum Abschluß der Vorinstanz gestellte Antrag (BAG, a.a.O. mit weiteren Nachweisen).

Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten war der angefochtene Beschluß daher zu ändern und die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts zurückzuweisen.

 

Unterschriften

Prof. Dr. Gützkow, Dr. Eckstein, Dr. Schinkel, Nettesheim, Dr. Seibert

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1212429

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