Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Urteil vom 25.08.2008; Aktenzeichen 1 KN 16/07) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. August 2008 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf sämtliche Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
Rz. 2
1. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
Rz. 3
1.1 Die Beschwerde rügt das Fehlen eines Einzelrichterübertragungsbeschlusses nach § 6 VwGO. Eines solchen Beschlusses bedurfte es jedoch nicht. Das angegriffene Urteil ist gemäß § 87a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO im Einverständnis der Beteiligten ergangen. Danach kann der Berichterstatter anstelle des Senats entscheiden. Bei dieser Verfahrensweise ist § 6 Abs. 1 VwGO, der die Möglichkeit einer Übertragung des Rechtsstreits an den Einzelrichter vorsieht, nicht anzuwenden. Das folgt bereits daraus, dass die Möglichkeit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden oder den Berichterstatter gemäß § 87a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO schon mit dem 4. Änderungsgesetz zur VwGO mit Wirkung vom 1. Januar 1991 eingeführt worden ist und nicht gegen den Willen der Beteiligten erfolgen kann. Demgegenüber hat der Gesetzgeber in § 6 VwGO erst später (zum 1. Januar 1993) die Regelung eingeführt, wonach der Rechtsstreit in der Regel einem der Mitglieder des Spruchkörpers als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen werden soll; hierfür ist auch keine Zustimmung der Beteiligten erforderlich.
Rz. 4
1.2 Die ferner unter Hinweis auf § 86 Abs. 1 VwGO erhobene Aufklärungsrüge ist nicht hinreichend dargelegt (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Beschwerde legt nicht substantiiert dar, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Sollte die Beschwerde mit dem Vorbringen eine Verletzung des rechtlichen Gehörs mit der Begründung rügen wollen, die Vorinstanz habe wesentlichen Vortrag nicht berücksichtigt, genügt der Vortrag ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen. Die Antragsteller beschränken sich darauf, Stichworte zu nennen und beachten nicht, dass die Gerichte nicht verpflichtet sind, jedes (rechtliche) Vorbringen der Beteiligten in den Gründen ausdrücklich zu bescheiden. Nur dann, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass ein Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, nicht nachgekommen ist, ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. nur Beschluss vom 23. Oktober 2008 – BVerwG 4 B 30.08 –).
Rz. 5
2. Die Rechtssache hat auch nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll.
Rz. 6
Die Beschwerde wirft die Frage auf,
ob die Antragsgegnerin in ihr Abwägungsmaterial auch den hier unstreitig nicht vorliegenden Umweltbericht nach §§ 2a, 10 Abs. 4 BauGB hätte einstellen müssen.
Rz. 7
Diese Frage stellt sich so nicht. Sie zielt – wie sich aus der Beschwerdebegründung ergibt – auf die Frage, ob der Zeitpunkt der erstmaligen Bekanntmachung auch dann den nach § 244 Abs. 2 BauGB maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Verfahrens darstellt, wenn ein ergänzendes Verfahren zur (rückwirkenden) Behebung eines Verfahrens- oder Formfehlers mit einem neuen Satzungsbeschluss endet. Diese Frage lässt sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten.
Rz. 8
Ausgangspunkt der rechtlichen Prüfung ist § 244 BauGB. Nach § 244 Abs. 1 BauGB werden Verfahren, die nach dem 20. Juli 2006 abgeschlossen werden, nach den Vorschriften dieses Gesetzes, d.h. nach den Vorschriften des BauGB in der ab dem 20. Juli 2004 geltenden Fassung, zu Ende geführt. Abweichend davon finden nach § 244 Abs. 2 BauGB auf Bebauungsplanverfahren, die in der Zeit vom 14. März 1999 bis zum 20. Juli 2004 förmlich eingeleitet worden sind und die vor dem 20. Juli 2006 abgeschlossen werden, die Vorschriften des BauGB in der vor dem 20. Juli 2004 geltenden Fassung weiterhin Anwendung. § 244 Abs. 1 BauGB dient, worauf der Senat bereits in seinem Beschluss vom 1. August 2007 – BVerwG 4 BN 32.07 – (NVwZ 2007, 1310) hingewiesen hat, der Umsetzung der von Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl EG Nr. L 197 S. 30) vorgegebenen Umsetzungsfrist für die Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie. Nach Art. 13 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinie unterliegen Pläne und Programme, deren erster förmlicher Vorbereitungsakt vor dem 21. Juli 2004 liegt und die mehr als 24 Monate danach angenommen oder in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden, der Verpflichtung nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie, d.h. der Umweltprüfung, es sei denn, die Mitgliedstaaten entscheiden im Einzelfall, dass dies nicht durchführbar ist, und unterrichten die Öffentlichkeit über ihre Entscheidung.
Rz. 9
Hierzu ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt, dass der Zeitpunkt der erstmaligen Bekanntmachung auch dann maßgebend ist, wenn der Plan zur Behebung eines Verfahrensfehlers wie eines Ausfertigungsmangels zu einem späteren Zeitpunkt durch ein ergänzendes Verfahren (§ 214 Abs. 4 BauGB) mit unverändertem Inhalt erneut bekannt gemacht wird (Beschluss vom 1. August 2007 – BVerwG 4 BN 32.07 – a.a.O.). Wird dagegen ein ergänzendes Verfahren durchgeführt, in dem das ursprüngliche Verfahren in das Stadium vor dem Satzungsbeschluss zurückversetzt wird, und endet es mit einem neuen Satzungsbeschluss, ist das Verfahren jedenfalls dann erst mit der Bekanntmachung dieses Satzungsbeschlusses abgeschlossen, wenn das zuständige Gemeindeorgan in eine erneute Abwägungsentscheidung eingetreten ist, und ist nunmehr der Zeitpunkt der zweiten Abwägungsentscheidung der gesetzliche im Sinne des § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB (vgl. Beschluss vom 26. Januar 2009 – BVerwG 4 BN 27.08 – ZfBR 2009, 273).
Rz. 10
Beschränkt sich das ergänzende Verfahren auf die Behebung des Verfahrensfehlers der fehlenden Genehmigung gemäß § 10 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 3 BauGB, bleibt der Zeitpunkt der erstmaligen Bekanntmachung dagegen auch dann maßgebend, wenn die Gemeinde vorsorglich in eine erneute Abwägung eingetreten ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn zum Zeitpunkt der ursprünglichen Beschlussfassung die Genehmigungsvoraussetzungen in der Sache zu bejahen sind oder es – wie vorliegend – nach Bekanntmachung des Flächennutzungsplans einer Genehmigung nicht mehr bedarf. So liegt es hier.
Rz. 11
Das durch den Aufstellungsbeschluss vom 3. November 1999 (und damit zwischen dem 14. März 1999 und dem 20. Juli 2004) förmlich eingeleitete Bebauungsplanverfahren ist durch den ersten Satzungsbeschluss der Antragsgegnerin vom 14. Juni 2005 und die Schlussbekanntmachung vom 21. Dezember 2005 gemäß § 244 Abs. 2 BauGB vor dem 20. Juli 2006 abgeschlossen worden. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Bebauungsplans und bis zu seiner Schlussbekanntmachung fehlte zwar noch die Bekanntmachung der Genehmigung des Flächennutzungsplans; diese erfolgte erst am 21. Juni 2006. Dies hat das Oberverwaltungsgericht veranlasst, den Bebauungsplan durch sein erstes Urteil vom 15. März 2007 im Hinblick auf das Fehlen eines genehmigten Flächennutzungsplans und die daher erforderliche Genehmigung des Bebauungsplans (§ 10 Abs. 2 i.V.m. § 8 Abs. 3 BauGB) für unwirksam zu erklären. Im Anschluss daran hat die Antragsgegnerin den Bebauungsplan aber am 7. Juni 2007 mit rückwirkendem Inkrafttreten erneut als Satzung beschlossen, wobei sie auf die bereits am 21. Juni 2006 erfolgte Bekanntmachung der Genehmigung des Flächennutzungsplans Bezug genommen und am 11. Juni 2007 den Bebauungsplan neu bekanntgemacht hat. Eine Änderung des Planinhalts erfolgte dadurch nicht. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts war auch eine erneute Abwägung nicht erforderlich; vielmehr konnte sich die Antragsgegnerin auf ihre bereits mit dem ersten Satzungsbeschluss vom 14. Juni 2005 abgeschlossene Abwägung beziehen. Somit diente die Beschlussfassung über den Bebauungsplan am 7. Juni 2007 lediglich der Behebung des Mangels der Übereinstimmung mit einem gültigen Flächennutzungsplan. Diese Übereinstimmung bestand im Übrigen in der Sache bereits spätestens seit der Bekanntmachung der Genehmigung des geänderten Flächennutzungsplans am 21. Juni 2006 und damit auch schon vor dem nach § 244 BauGB maßgeblichen Datum des 20. Juli 2006.
Rz. 12
3. Die Divergenzrügen bleiben ebenfalls ohne Erfolg. Eine die Revision eröffnende Abweichung, also ein Widerspruch im abstrakten Rechtssatz, läge nur vor, wenn das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen wäre (stRspr).
Rz. 13
Dieser Zulassungsgrund muss in der Beschwerdeschrift nicht nur durch Angabe der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, von der das Berufungsgericht abgewichen sein soll, sondern auch durch Darlegung der als solche miteinander in unmittelbarem Widerspruch stehenden, entscheidungstragenden Rechtssätze bezeichnet werden. Die – behauptete – unrichtige Anwendung eines vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten und vom Berufungsgericht nicht in Frage gestellten Rechtsgrundsatzes auf den zu entscheidenden Einzelfall rechtfertigt dagegen nicht die Zulassung der Revision.
Rz. 14
3.1 Die Beschwerde nimmt zunächst Bezug auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Abwägungsgebot und vertritt die Auffassung, den darin entwickelten Grundsätzen werde die angegriffene Entscheidung nicht gerecht. Zur Begründung verweist sie auf mehrere Gesichtspunkte, auf die das Normenkontrollgericht nach ihrer Auffassung näher hätte eingehen müssen (Beschwerdebegründung S. 4 – 7). Damit wird jedoch nicht dargelegt, dass das Oberverwaltungsgericht einen mit den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zum Abwägungsgebot nicht vereinbaren entgegenstehenden Rechtssatz aufgestellt hätte; hierfür ist auch nichts ersichtlich.
Rz. 15
3.2 Auch hinsichtlich der im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. November 1999 – BVerwG 4 CN 12.98 – (BVerwGE 110, 118 = NVwZ 2000, 676) näher dargestellten Pflicht des Gemeindeorgans, das den Satzungsbeschluss zu erlassen hat, die eingegangenen Anregungen zu prüfen, ist eine Abweichung nicht dargelegt. Das Oberverwaltungsgericht hat einen entgegenstehenden Rechtssatz nicht aufgestellt; es geht vielmehr davon aus, die erneute Abwägung sei ebenso wie die maßgebliche Abwägungsentscheidung vom 14. Juni 2005 (UA S. 4, 8) von der Stadtvertretung vorgenommen worden (UA S. 9 und 10 f.). Die Vorbereitung durch einen Ausschuss steht dem nicht entgegen.
Rz. 16
3.3 Das Oberverwaltungsgericht hat auch keinen Rechtssatz aufgestellt, der von einem im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. August 1987 – BVerwG 4 N 1.86 – (NVwZ 1988, 351 = BRS 47 Nr. 3) aufgestellten Rechtssatz abweichen würde.
Rz. 17
3.4 Zur Frage, ob im ergänzenden Verfahren Abwägungsmaterial zu berücksichtigen ist, das zwischen früherer Beschlussfassung und dem erneuten Inkrafttreten der Satzung entstanden ist, ist eine Divergenz ebenfalls nicht dargelegt worden. Das Oberverwaltungsgericht stützt sich vielmehr auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur jetzt geltenden Rechtslage; es zieht ausdrücklich den Beschluss vom 12. März 2008 – BVerwG 4 BN 5.08 – (juris) heran. Dort hat der Senat ausgeführt, nach seiner neueren Rechtsprechung stehe im Regelfall auch eine nachträgliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse einer Fehlerbehebung nicht entgegen, weil gemäß § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der (ursprünglichen) Beschlussfassung über den Plan maßgebend ist. Nur wenn sich – im Ausnahmefall – die Verhältnisse so grundlegend geändert haben, dass der Bebauungsplan inzwischen einen funktionslosen Inhalt hat oder das ursprünglich unbedenkliche Abwägungsergebnis unhaltbar geworden ist, kommt eine Fehlerbehebung nicht mehr in Betracht. Davon abgesehen würde die angegriffene Entscheidung auf einer – unterstellten – Divergenz nicht beruhen, denn das Oberverwaltungsgericht hat überdies ausgeführt, die Antragsgegnerin habe der Sache nach eine nochmalige umfassende Abwägung vorgenommen und dabei erneut auch die die Viehhaltung der Antragsteller betreffenden privaten Belange einbezogen (UA S. 12).
Rz. 18
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Rz. 19
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Dr. Jannasch, Dr. Bumke
Fundstellen