Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellungsklage. allgemeine Leistungsklage. Gemeinde. FFH-Richtlinie. verwaltungsinterner Akt. Vorschlag als FFH-Gebiet. Meldung von FFH-Gebieten
Leitsatz (amtlich)
Jedenfalls nach Aufnahme eines Gebiets in die Liste der “FFH-Gebiete” durch die EU-Kommission ist sowohl eine Klage, mit der begehrt wird festzustellen, dass der Beschluss einer Landesregierung, ein Gebiet zur Aufnahme in diese Liste vorzuschlagen, rechtswidrig ist, als auch eine Klage, mit der verlangt wird, das Land zur “Rücknahme” seines Vorschlags zu verurteilen, unzulässig.
Normenkette
VwGO § 43; Richtlinie 92/43/EWG ("FFH-Richtlinie") Art. 4
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 23.01.2008; Aktenzeichen 8 A 154/06) |
VG Minden (Entscheidung vom 06.12.2005; Aktenzeichen 1 K 229/04) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Januar 2008 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 100 000 € festgesetzt.
Tatbestand
I
Im Gebiet der klagenden Gemeinde liegt ein seit den 1990er Jahren im Landschaftsplan des Kreises G… als geschützter Landschaftsbestandteil festgesetztes Gebiet. Im November 2000 beschloss die Regierung des beklagten Landes, u.a. dieses Gebiet zur Aufnahme in die Liste der FFH-Gebiete vorzuschlagen. Den Vorschlag übermittelte das Land dem Bundesumweltministerium, das ihn an die EU-Kommission weiterleitete. Durch Entscheidung der EU-Kommission vom Dezember 2004 ist das Gebiet entsprechend dem Vorschlag der Bundesrepublik Deutschland in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (FFH-Gebiete) aufgenommen worden.
Dagegen wendet sich die Klägerin, die nach Abweisung ihrer Klage durch das Verwaltungsgericht im Berufungsverfahren beantragt hat,
das beklagte Land zu verurteilen, die Gebietsauswahl zu berichtigen, d.h. der Europäischen Kommission über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit mitzuteilen, dass das Gebiet “S…” den Kriterien aus Art. 4 Abs. 1 FFH-RL nicht genügt,
hilfsweise,
festzustellen, dass die Klägerin keinen Rechtsbindungen aus dem FFH-Schutzregime unterliegt,
weiter hilfsweise,
festzustellen, dass der Beschluss der Landesregierung des beklagten Landes vom 21. November 2000 rechtswidrig ist, soweit er das Gebiet “S…” betrifft.
Das Oberverwaltungsgericht hat sowohl den Hauptantrag als auch die beiden Hilfsanträge für unzulässig erachtet. Die Revision gegen seinen Beschluss hat es nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, vgl. 1.). Es liegt auch kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, vgl. 2.).
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Die Beschwerde stellt eine Reihe von Fragen, die letztlich auf die Frage hinauslaufen, ob die von der Klägerin gestellten Anträge zulässig sind. Insbesondere hält sie sinngemäß für grundsätzlich klärungsbedürftig die Fragen,
ob eine Gemeinde die Feststellung begehren kann, ein Bundesland habe zu Unrecht ein Gebiet als FFH-Gebiet vorgeschlagen, und
ob eine Gemeinde verlangen kann, ein Bundesland zu verurteilen, einen derartigen Vorschlag “zurückzunehmen”.
Diese Fragen können – soweit entscheidungserheblich – mit dem Oberverwaltungsgericht ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens verneint werden.
Jedenfalls wenn – wie hier – ein Gebiet durch Entscheidung der EU-Kommission in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen worden (und damit ein “FFH-Gebiet”) ist, stellt sich eine – über das Bundesumweltministerium an die EU-Kommission weitergeleitete – Gebietsmeldung als ein in der Vergangenheit liegender vorbereitender verwaltungsinterner Akt dar, der keine über mögliche Wirkungen der Veröffentlichung der Kommissionsliste hinaus reichenden Rechtswirkungen herbeiführt (vgl. Beschluss vom 7. April 2006 – BVerwG 4 B 58.05 – Buchholz 406.400 § 33 BNatSchG 2002 Nr. 1). Deshalb hat das Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung die Frage, ob eine derartige Meldung ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen dem meldenden Land und einem betroffenen Grundstückseigentümer begründet, verneint. Für die Frage, ob die Meldung ein verwaltungsinterner Akt ist, ist es ohne Bedeutung, ob ein privater Grundstückseigentümer oder eine Gemeinde, die einen Eingriff in ihre kommunale Planungshoheit geltend macht, Klage erhoben hat. Deshalb ist auch die Klage einer Gemeinde unzulässig, mit der sie beantragt festzustellen, dass der Beschluss einer Landesregierung, ein Gebiet zu melden, rechtswidrig ist.
Ebenso wie die Meldung ist auch deren “Rücknahme” lediglich ein verwaltungsinterner Akt. Mit einem Klageantrag, ein Land zu verurteilen, der Europäischen Kommission über das Bundesumweltministerium mitzuteilen, dass ein – gemeldetes und von der Europäischen Kommission in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommenes – Gebiet den Kriterien der FFH-Richtlinie nicht genügt, wird somit die Verurteilung zur Vornahme eines verwaltungsinternen Akts begehrt. Eine auf Vornahme eines verwaltungsinternen Akts ohne Außenwirkung gerichtete allgemeine Leistungsklage ist unzulässig.
Hat die EU-Kommission ein Gebiet in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen, ist auch die Klage einer Gemeinde gegen das Land festzustellen, dass sie keinen Rechtsbindungen aus dem FFH-Schutzregime unterliege, grundsätzlich unzulässig. Mit dieser Klage wird – soweit der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist – Rechtsschutz gegen künftige Rechtshandlungen innerstaatlicher Behörden begehrt. Eine Feststellungsklage ist aber nur zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (§ 43 Abs. 1 VwGO). Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Deshalb ist eine Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes gegen drohende Verwaltungsakte in Form einer – vorbeugenden – Feststellungsklage grundsätzlich unzulässig (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 7. Mai 1987 – BVerwG 3 C 53.85 – BVerwGE 77, 207).
Ausnahmsweise gilt etwas anderes, wenn ein besonderes qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis die Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes mit Blick auf das verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) erfordert. Ob die Voraussetzungen für eine derartige Ausnahme vorliegen, bestimmt sich grundsätzlich nach den Verhältnissen des Einzelfalls und ist vom Oberverwaltungsgericht hier verneint worden. Einen weitergehenden grundsätzlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde insoweit nicht auf.
2. Es liegt auch kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des Berufungsgerichts beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
a) Das Oberverwaltungsgericht durfte über die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden (§ 130a Satz 1 VwGO). Das Gericht hielt eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Dies ist hier nicht zu beanstanden. Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung schließt eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht allgemein aus. Soweit die Beschwerde geltend macht, in der mündlichen Verhandlung hätte die Fehlerhaftigkeit der Ausweisung als FFH-Gebiet erörtert werden können, verkennt sie, dass es hierauf nach der Überzeugung des Oberverwaltungsgerichts nicht ankam, weil es die Klage insgesamt für unzulässig gehalten hat. Soweit die Beschwerde geltend macht, eine mündliche Verhandlung hätte dem Oberverwaltungsgericht Gelegenheit gegeben, auf sachgerechte Anträge hinzuweisen (vgl. § 86 Abs. 3 VwGO), wird nicht dargelegt, welche zulässigen Anträge das Gericht hätte anregen können. Solche sind auch nicht ersichtlich. Im Übrigen besteht die Verpflichtung aus § 86 Abs. 3 VwGO unabhängig von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Der vorliegende Fall gibt damit keinen Anlass, der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 130a VwGO unzulässig sein kann, allgemein nachzugehen. Im Übrigen ist diese Frage, soweit sie in allgemeiner, über den Einzelfall hinausgreifender Weise beantwortet werden kann, bereits geklärt (Urteil vom 30. Juni 2004 – BVerwG 6 C 28.03 – BVerwGE 121, 211 = Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 64). Gemessen an den dort aufgestellten Kriterien kann hier nicht beanstandet werden, dass das Oberverwaltungsgericht sich für ein Verfahren nach § 130a VwGO entschieden hat.
b) Das Berufungsgericht war nicht verpflichtet, eine Vorabscheidung gemäß Art. 234 EGV vom Europäischen Gerichtshof einzuholen. Gemäß Art. 234 Satz 3 EGV sind lediglich Gerichte, deren Entscheidung selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann, unter den in Art. 234 Satz 1 EGV genannten Voraussetzungen zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet. Berufungsentscheidungen der Oberverwaltungsgerichte können grundsätzlich mit dem Rechtsmittel der Revision angefochten werden (vgl. § 132 Abs. 1 VwGO). Schon deshalb bestand keine Vorlagepflicht des Oberverwaltungsgerichts.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Herbert, Krauß, Neumann
Fundstellen
Haufe-Index 2013097 |
DÖV 2008, 919 |
NuR 2008, 575 |
ZUR 2008, 549 |
UPR 2008, 399 |
FSt 2009, 390 |