Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluß aus dem Personalrat, Voraussetzungen des Rechtsschutzbedürfnisses für Antrag auf –. Rechtsschutzbedürfnis, Voraussetzungen des – für Antrag auf Ausschluß aus dem Personalrat
Leitsatz (amtlich)
Ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Ausschluß eines Personalratsmitgliedes aus dem Personalrat ist nur gegeben, wenn die gerichtliche Entscheidung noch gestaltende Wirkung haben kann oder wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß sich die Rechtsfragen, die der Antrag aufwirft, unter denselben Verfahrensbeteiligten wiederum stellen werden (teilweise Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung, vgl. BVerwGE 7, 140; 22, 96; 49, 259).
Normenkette
BPersVG § 28 Abs. 1, § 67
Verfahrensgang
Tenor
Das Verfahren ist in der Hauptsache erledigt und wird deswegen eingestellt.
Die Beschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Dezember 1986 und des Bayerischen Verwaltungsgerichts München – Fachkammer für Personalvertretungsangelegenheiten nach Bundesrecht – vom 26. September 1986 sind unwirksam.
Tatbestand
I.
Die Gewerkschaft Deutscher Bundesbahnbeamten. Arbeiter und Angestellten im Deutschen Beamtenbund, die Antragstellerin, beantragte im Jahre 1986 bei dem Verwaltungsgericht den Ausschluß des stellvertretenden Vorsitzenden des Personalrats beim Hauptbahnhof A., des Beteiligten zu 1), aus dem Personalrat beim Hauptbahnhof A., dem Beteiligten zu 2). Zur Begründung führte sie an, der Beteiligte zu 1) habe in seiner Funktion als Mitglied des Beteiligten zu 2) Werbung für die Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands betrieben und Beschäftigte des Hauptbahnhofs A. dabei unter Druck gesetzt.
Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit der Begründung ab, der Beteiligte zu 1) habe zwar gegen seine Pflichten als Mitglied einer Personalvertretung verstoßen; sein Verhalten stelle sich jedoch nicht als grobe Pflichtverletzung im Sinne des § 28 Abs. 1 BPersVG dar. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hat das Beschwerdegericht entschieden, das von der Antragstellerin beanstandete Verhalten des Beteiligten zu 1) sei den Umständen nach entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts als grobe Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten im Sinne des § 28 Abs. 1 BPersVG anzusehen.
Gegen diesen Beschluß haben sich die vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerden der Beteiligten zu 1) und 2) gerichtet, mit denen sie die der angegriffenen Entscheidung zugrundeliegende Auslegung der §§ 28 Abs. 1, 67 BPersVG beanstandet haben.
Sie haben sinngemäß beantragt,
den Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Dezember 1986 zu ändern und die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichts München – Fachkammer für Personalvertretungsangelegenheiten nach Bundesrecht – vom 26. September 1986 zurückzuweisen.
Der Antragsteller ist der Rechtsbeschwerde entgegengetreten und hat – ebenso wie der Oberbundesanwalt – den angefochtenen Beschluß verteidigt.
Unter dem 28. Juni 1988 haben die Rechtsbeschwerdeführer das Verfahren mit dem Hinweis für erledigt erklärt, der Beteiligte zu 1) gehöre dem Beteiligten zu 2), der Anfang Mai 1988 neu gewählt worden sei, nicht mehr an, sei auf unbestimmte Zeit erkrankt und werde in Kürze in den Ruhestand treten.
Der Leiter des Hauptbahnhofs A., der Beteiligte zu 3), hat der Einstellung des Verfahrens wegen Erledigung der Hauptsache zugestimmt.
Der Antragsteller hält die Hauptsache demgegenüber nicht für erledigt. Er meint, die Rechtsfragen, welche die Sache aufwerfe, bedürften unabhängig davon der höchstrichterlichen Klärung, ob der Beteiligte zu 1) dem Beteiligten zu 2) noch angehöre oder wieder angehören könne. Im Interesse der Rechtseinheit und zur Vermeidung personalvertretungsrechtlicher Streitigkeiten müsse insbesondere entschieden werden, ob die Werbung für eine Gewerkschaft nur dann als nachhaltige Pflichtverletzung eines Personalratsmitgliedes angesehen werden könne, wenn dieses längere Zeit auf den Umworbenen einwirke. Diese Frage werde sich in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut stellen. Das begründe sein zur Fortführung des Verfahrens erforderliches Rechtsschutzbedürfnis, zumal das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einen objektiven Charakter habe.
Im Hinblick auf die Änderung der Tatsachenlage beantragt der Antragsteller nunmehr,
festzustellen, daß die gewerkschaftliche Werbung des Beteiligten zu 1) im Hauptbahnhof A. gegen die Bestimmungen des Bundespersonalvertretungsgesetzes verstoßen habe.
Entscheidungsgründe
II.
Die Rechtsbeschwerdeführer haben das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt, die Antragstellerin hat dem widersprochen. In dieser Verfahrenslage hat der Senat darüber zu entscheiden, ob das Verfahren – entgegen der Auffassung der Antragstellerin – in der Hauptsache erledigt ist. Das ist zu bejahen mit der Folge, daß das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin für eine Fortführung des Verfahrens fortgefallen ist.
In Auseinandersetzungen darüber, ob ein Personalratsmitglied seine gesetzlichen Pflichten grob verletzt hat und deswegen gemäß § 28 Abs. 1 BPersVG aus dem Personalrat ausgeschlossen werden darf, können die Verwaltungsgerichte nur dann und nur solange über einen Ausschlußantrag entscheiden, wie die begehrte Entscheidung noch rechtliche Auswirkungen haben kann. Das ist in erster Linie dann der Fall, wenn die Amtszeit des Personalrats, dem das Personalratsmitglied angehört, dessen Ausschluß verlangt wird, noch nicht abgelaufen ist.
Ein schutzwürdiges Interesse an der gerichtlichen Klärung der mit dem Ausschlußantrag verbundenen personalvertretungsrechtlichen Streitfragen ist dem jeweiligen Antragsteller aber auch dann zuzubilligen, wenn die Entscheidung wegen Ablaufs der Amtszeit zwar keine gestaltende Wirkung mehr entfalten kann, jedoch eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß sich der tatsächliche Vorgang, der den Ausschlußantrag ausgelöst hat, wiederholen wird und sich die an ihn anknüpfenden Rechtsfragen unter denselben Verfahrensbeteiligten erneut stellen werden. Hingegen fehlt es an dein in jedem Abschnitt des gerichtlichen Beschlußverfahrens – also auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz – erforderlichen Rechtsschutzinteresse, wenn nicht nur der Vorgang, der den Ausschlußantrag ausgelöst hat, beendet ist, sondern wenn darüber hinaus anzunehmen ist, daß sich ein gleichartiger Vorgang unter den Verfahrensbeteiligten nicht wiederholen wird, so daß sich ihnen auch die streitig gewesene Rechtsfrage nicht erneut in gleicher Weise stellen kann. Denn unter diesen Voraussetzungen würde eine gleichwohl ergehende gerichtliche Entscheidung weder die ursprüngliche personalvertretungsrechtliche Auseinandersetzung beenden noch ein über diese Auseinandersetzung hinausgehendes konkretes Bedürfnis nach Klärung grundsätzlicher, die Verfahrensbeteiligten betreffender personalvertretungsrechtlicher Fragen befriedigen. Eine solche Entscheidung hätte vielmehr nur noch die Bedeutung einer gutachtlichen Äußerung zu der anfänglich aus einem konkreten Vorgang erwachsenen, mit dessen Beendigung aber „abstrakt” gewordenen Rechtsfrage, zu deren Abgabe die Gerichte nicht berufen sind.
Danach kann im vorliegenden Fall keine Sachentscheidung mehr ergehen. Das ergeben folgende Erwägungen:
Die Amtszeit des Beteiligten zu 2), während der ihm der Beteiligten zu 1) angehörte, ist beendet. Eine die personalvertretungsrechtliche Stellung des Beteiligten zu 1) gestaltende Entscheidung ist daher nicht mehr möglich.
Für die Fortsetzung des gegen den Beteiligten zu 1) gerichteten Ausschlußverfahrens mit einem Feststellungsantrag ist im vorliegenden Fall kein Raum, weil es angesichts der Tatsache, daß der Beteiligte zu 1) dem Beteiligten zu 2) nicht mehr angehört und seine Zurruhesetzung bevorsteht, nahezu ausgeschlossen ist, daß sich ein Vorfall wie derjenige, der zu dem Ausschlußantrag der Antragstellerin geführt hat, unter den Beteiligten dieses Verfahrens wiederholt. Das aber wäre nach der neueren Rechtsprechung des Senats Voraussetzung dafür, daß der Antragstellerin ein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis zugebilligt werden könnte (vgl. Beschluß vom 12. Februar 1986 – BVerwG 6 B 25.04 –, PersV 1906, 327).
Der Ansicht der Antragstellerin, die in den Vorinstanzen auf der Grundlage dieses Vorfalls erörterten Rechtsfragen bedürften der unverzüglichen rechtsgrundsätzlichen Klärung, weil sie sich mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald wiederum stellen würden, vermag der Senat schon aus tatsächlichen Gründen nicht zu folgen. Die von der Antragstellerin gegen den Beteiligten zu 1) erhobenen Vorwürfe hatten ein von den Umständen des Einzelfalles abhängiges Verhalten des Beteiligten zu 1) zum Gegenstand, das zudem durch individuelle Eigenarten seiner Persönlichkeit mitbestimmt gewesen sein mag. Erfahrungsgemäß kann daher weder erwartet werden, daß sich die Situation wiederholt, in der der Vorfall stattgefunden hat, noch daß sich ein anderes Mitglied des Beteiligten zu 2) oder irgendeines anderen Personalrats in einer annähernd vergleichbaren Situation ebenso verhalten wird wie seinerzeit der Beteiligte zu 1).
Überdies lassen sich auch kaum allgemeine Rechtssätze darüber aufstellen, welches Verhalten eines Personalratsmitgliedes, sei es auch in dem engeren sachlichen Zusammenhang der Werbung für eine Gewerkschaft, im Sinne des § 28 Abs. 1 BPersVG grob pflichtwidrig und deswegen geeignet ist, den Ausschluß des Betreffenden aus dem Personalrat zu rechtfertigen. Dies kann vielmehr jeweils nur auf der Grundlage der konkreten Umstände des einzelnen Falles beurteilt werden.
Die Fortführung des Verfahrens könnte nach alledem nur noch dazu führen, daß das individuelle und daher nicht verallgemeinerungsfähige Verhalten des Beteiligten zu 1) in der seinerzeit gegebenen Situation rechtlich gewürdigt würde, obwohl als feststehend angenommen werden kann, daß der Beteiligte zu 1) nicht noch einmal in eine solche Situation geraten wird. Die rechtsgrundsätzliche Klärung und Feststellung von personalvertretungsrechtlich festgelegten Pflichten ist demgegenüber wegen der Abhängigkeit der Entscheidung von den Umständen des Einzelfalls nicht zu erwarten. Die bislang vom Bundesverwaltungsgericht vertretene Auffassung, daß das Rechtsschutzbedürfnis wegen der Eigenart des personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahrens als eines „objektiven” Verfahrens auch unter dieser Voraussetzung als fortbestehend anzusehen ist (BVerwGE 7, 140; 22, 96 ≪97≫; 49, 259 ≪263 ff.≫), hält der Senat im Hinblick darauf nicht aufrecht, daß das im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren anzuwendende Arbeitsgerichtsgesetz eine der Fortsetzungsfeststellungsklage des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entsprechende Möglichkeit der Fortsetzung des Verfahrens trotz Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache nicht vorsieht.
Nach alledem waren die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festzustellen, das Verfahren einzustellen und die vorinstanzlichen Entscheidungen für unwirksam zu erklären.
Unterschriften
Dr. Eckstein, Dr. Schinkel, Nettesheim, Ernst, Dr. Seibert
Fundstellen
Haufe-Index 1215797 |
BVerwGE, 50 |
ZBR 1989, 80 |