Verfahrensgang
Truppendienstgericht Süd (Beschluss vom 01.12.2021; Aktenzeichen S 4 BLc 3/19 und S 4 RL 1/22) |
Tenor
Die Beschwerde der früheren Soldatin gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss der 4. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 1. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.
Die frühere Soldatin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Rz. 1
1. Die frühere Soldatin wendet sich gegen die teilweise gerichtliche Bestätigung einer Absehensverfügung unter Feststellung eines Dienstvergehens. Das Truppendienstgericht hat es in dem angegriffenen Beschluss als erwiesen angesehen, dass sie am 30. Juni 2018 mehrere Polizisten bei einer Verkehrskontrolle als "Arschlöcher" bezeichnet und durch diese Beleidigung von Hoheitsträgern ihre außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 3 SG) verletzt hat. Es hat die Rechtsbeschwerde gegen seine Entscheidung nicht zugelassen.
Rz. 2
2. Die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht ausreichend dargelegt und liegen nicht vor.
Rz. 3
a) Die grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 22a Abs. 2 Nr. 1 WBO ist nicht ausreichend im Sinne des § 22b Abs. 2 Satz 2 WBO dargelegt. Dies erfordert die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Rechtsbeschwerde entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (BVerwG, Beschluss vom 12. April 2018 - 2 WNB 1.18 - juris Rn. 5). Die Beschwerde formuliert schon keine klärungsbedürftige Rechtsfrage. Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde nach Art einer Berufungsschrift formell- und materiell-rechtliche Einwände gegen die Richtigkeit der truppendienstgerichtlichen Entscheidung erhebt, genügt dies den Darlegungsanforderungen nicht (BVerwG, Beschluss vom 12. April 2018 - 2 WNB 3.18 - juris Rn. 5). Im Übrigen ist eine grundsätzliche Bedeutung des Falles auch nicht ersichtlich.
Rz. 4
b) Auch die behauptete Abweichung des Beschlusses des Truppendienstgerichts von "Entscheidungen der Gerichtsbarkeit" wird den Anforderungen an die Darlegung einer Divergenz im Sinne des § 22a Abs. 2 Nr. 2 WBO nicht gerecht. Danach ist eine Abweichung des angefochtenen Beschlusses von der Entscheidung eines Wehrdienstgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem die Bezugsentscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Der völlig vage Hinweis auf eine Abweichung von Gerichtsentscheidungen "u. a. in finanzgerichtlichen Verfahren" genügt den Darlegungsanforderungen nicht. Er lässt schon nicht darauf schließen, dass überhaupt eine Divergenz zur Rechtsprechung der in § 22a Abs. 2 Nr. 2 WBO als maßgeblich bezeichneten Bezugsgerichte vorliegt.
Rz. 5
c) Die behaupteten Verfahrensmängel im Sinne von § 22a Abs. 2 Nr. 3 WBO sind gleichfalls nicht ausreichend dargelegt und liegen nicht vor. Bei der Geltendmachung einer Verfahrensrüge ist nach § 22b Abs. 2 Satz 2 WBO die verletzte Verfahrensvorschrift zu bezeichnen. Ferner ist neben den Tatsachen, aus denen sich der Mangel ergeben soll, insbesondere darzulegen, inwiefern die Entscheidung auf der Verletzung beruhen kann (BVerwG, Beschlüsse vom 7. September 2020 - 2 WNB 6.20 - juris Rn. 3 und vom 12. Oktober 2022 - 2 WNB 3.22 - juris Rn. 11).
Rz. 6
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. So wird bei der Rüge der unterbliebenen Rechtsmittelbelehrung nicht dargelegt, gegen welche Verfahrensvorschrift verstoßen worden ist und inwieweit sich dieser Mangel der angegriffenen Entscheidung auf die Rechtsposition der früheren Soldatin nachteilig ausgewirkt haben könnte. Dafür ist auch nichts ersichtlich, weil sie ihre Nichtzulassungsbeschwerde fristgerecht erhoben hat.
Rz. 7
Ebensowenig wird bei der Rüge der nicht rechtswirksamen Zustellung des "Bescheids" ausreichend dargelegt, ob die ursprüngliche Absehensverfügung oder der Beschwerdebescheid nicht nach den Regelungen des § 5 Abs. 1 WDO zugestellt worden sei. Es wird auch nicht dargelegt, warum die Aushändigung der Absehensverfügung und des Beschwerdebescheids trotz Vorliegens einer Übergabeniederschrift bzw. eines Empfangsbekenntnisses in den Akten nicht den Anforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 WDO genügen soll. Soweit bei der Rüge der nicht ordnungsgemäßen Zustellung der angegriffene Beschluss des Truppendienstgerichts gemeint sein sollte, ist dies nicht klar genug bezeichnet. Ferner liegt in diesem Fall kein Verfahrensfehler vor, weil das Truppendienstgericht in Ausübung seines Wahlrechts aus § 23a Abs. 1 WBO i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i. V. m. § 145a Abs. 1 und 3 StPO den Beschluss dem Verteidiger zustellen konnte. Fristauslösende Wirkung hat dabei die Zustellung an den ausgewählten Adressaten (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. Januar 2014 - 2 WRB 3.12 u. a. -juris Rn. 31 und vom 5. Dezember 2018 - 2 WNB 4.18 - Buchholz 450.1 § 12 WBO Nr. 1 Rn. 8).
Rz. 8
Bei der Verfahrensrüge der Fortführung des ausgesetzten Verfahrens ohne "rechtsbehelfsfähige Entscheidung" wird keine Vorschrift bezeichnet, die eine solche Entscheidung erforderlich machen könnte. Soweit die Beschwerde ausführt, dies ergebe sich mittelbar aus § 250 ZPO, bleibt sie die erforderliche Darlegung schuldig, weshalb diese Vorschrift anzuwenden und weshalb ihr diese im Normtext nicht zu findende Aussage zu entnehmen wäre. Im Übrigen ist ein ergebnisrelevanter Verfahrensfehler auch nicht erkennbar, wenn man das Vorgehen des Truppendienstgerichts an der nach § 42 Nr. 4 WDO i. V. m. § 23a Abs. 2 WBO maßgeblichen Aussetzungsvorschrift des § 94 VwGO prüft (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2016 - 1 WB 17.15 - NZWehrr 2016, 249 ≪251≫; Dau/Scheuren, WBO, 7. Aufl. 2020, § 23a Rn. 12). Denn das Truppendienstgericht hat jedenfalls mit der Entscheidung für die Fortführung des Verfahrens das ihm zustehende prozessuale Ermessen nicht überschritten. Da die Entlassung der früheren Soldatin maßgeblich auch auf einen anderen Vorwurf gestützt worden ist, konnte die Fortführung des vorliegenden Verfahrens als sachgerecht angesehen werden.
Rz. 9
Ein Verfahrensfehler ist schließlich auch nicht ausreichend dargetan, soweit die Beschwerde die Feststellungen des Truppendienstgerichts zum Vorsatz und zur Schuldfähigkeit in Zweifel zieht und als unzureichend ermittelt kritisiert. Auch hier wird nicht klar bezeichnet, welche prozessuale Vorschrift als verletzt angesehen wird. Den an eine Aufklärungsrüge zu stellenden detaillierten Darlegungsanforderungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. September 2020 - 2 WNB 6.20 - juris Rn. 3 m. w. N.) wird die Beschwerde offensichtlich nicht gerecht.
Rz. 10
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Fundstellen
Haufe-Index 16249979 |
NZWehrr 2024, 131 |