Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 19.08.2022; Aktenzeichen 10 D 9/20.NE) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. August 2022 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Sie ist unbegründet.
Rz. 2
Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Denn grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die in dem angestrebten Revisionsverfahren beantwortet werden kann, sofern dies über den Einzelfall hinaus zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts beiträgt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 ≪91≫ und vom 14. Oktober 2019 - 4 B 27.19 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 225 Rn. 4).
Rz. 3
1. Die Beschwerde möchte rechtsgrundsätzlich klären lassen,
ob die Regelungen des Baugesetzbuchs und der Baunutzungsverordnung Festsetzungen zur zulässigen Anzahl und äußeren Gestaltung von Nicht-Vollgeschossen in Gestalt örtlicher Bauvorschriften in einem Bebauungsplan entgegenstehen,
verneinendenfalls, ob eine Gemeinde in einem Bebauungsplan auf Grundlage des Bauordnungsrechts Festsetzungen treffen darf, die im Schwerpunkt gestalterische Zwecke verfolgen, jedoch zugleich den Anwendungsbereich des § 9 BauGB berühren, weil sie bodenrechtliche Relevanz haben.
Rz. 4
Die erste Frage führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie sich dem Oberverwaltungsgericht nicht gestellt hat. Nach § 89 Abs. 1 Nr. 1 BauO NRW können die Gemeinden durch Satzung örtliche Bauvorschriften über besondere Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen erlassen. Nach § 89 Abs. 2 Satz 1 BauO NRW können die örtlichen Bauvorschriften auch durch Bebauungsplan erlassen werden. § 9 Abs. 4 BauGB gestattet eine solche landesrechtliche Regelung. Nach Auffassung der Vorinstanz findet die textliche Festsetzung Nr. 2.2 über die Zahl der Nicht-Vollgeschosse und das Verhältnis zum Flächenmaß des darunterliegenden Geschosses in den landesrechtlichen Vorschriften keine Rechtsgrundlage. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Auffassung weder ausdrücklich noch der Sache nach angenommen, die Regelungen des Baugesetzbuchs oder der Baunutzungsverordnung ständen einer solchen Festsetzung als örtliche Bauvorschrift von vornherein, gleichsam "automatisch" entgegen. Eine Rechtsfrage, die sich für die Vorinstanz nicht gestellt oder auf die diese nicht entscheidend abgehoben hat, führt aber grundsätzlich - und auch hier - nicht zur Zulassung der Revision (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 5. Oktober 2009 - 6 B 17.09 - Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 4 Rn. 7, vom 30. Januar 2018 - 9 B 20.17 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 52 Rn. 9 und vom 28. April 2020 - 4 B 39.19 - ZfBR 2020, 680 Rn. 8).
Rz. 5
Die zweite Frage wirft der Fall nicht auf. § 9 Abs. 1 BauGB entfaltet keine Sperrwirkung des Inhalts, dass ein Sachverhalt, der mit den Instrumenten des Bauplanungsrechts geregelt werden kann, einer bauordnungsrechtlichen Regelung nicht zugänglich ist, die sich im Ergebnis wie eine bauplanungsrechtliche Festsetzung auswirkt. Entscheidungsmaßstab für die Abgrenzung der Rechtsgebiete ist vielmehr die Zielsetzung des Normgebers (konkreter Regelungszweck, Regelungsgegenstand) (BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2007 - 4 C 8.06 - BVerwGE 129, 318 Rn. 14 f.). Das Oberverwaltungsgericht hat aus der Systematik des Plans, der Planbegründung und ihrem Aufbau sowie dem Verlauf des Aufstellungsverfahrens geschlossen, dass der Rat der Antragsgegnerin eine städtebauliche und damit bodenrechtliche Regelung treffen wollte. Einen gestalterischen Schwerpunkt der Regelung, wie ihn die aufgeworfene Frage voraussetzt, hat es ausdrücklich verneint (UA S. 16). An die insoweit getroffenen tatsächlichen Feststellungen wäre der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, die darauf aufbauende Auslegung des irrevisiblen Ortrechts wäre für die auf die Revision ergehende Entscheidung maßgebend nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO.
Rz. 6
2. Die Beschwerde möchte der Sache nach rechtsgrundsätzlich klären lassen,
welche allgemeinen rechtlichen Anforderungen an baugestalterische Festsetzungen in formeller und materieller Hinsicht - insbesondere in Bezug auf die Ausführungen in der Begründung des Bebauungsplans - zu stellen sind.
Rz. 7
Die Frage wirft keine Rechtsfrage auf, sondern ist auf Erläuterungen im Stile eines juristischen Kommentars gerichtet. Das ist nicht Aufgabe eines Revisionsverfahrens (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 18. Dezember 2017 - 4 BN 27.17 - juris Rn. 7 und vom 31. August 2021 - 4 BN 4.21 - juris Rn. 12).
Rz. 8
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung zum Streitwert auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15712063 |