Verfahrensgang
VG Greifswald (Urteil vom 23.11.2005; Aktenzeichen 5 A 69/05) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 23. November 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf Zulassung der Revision gerichtete Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet.
Die Revision kann nicht nach §§ 133, 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugelassen werden.
Die Klägerin trägt zwar vor, das Verwaltungsgericht setze sich in Widerspruch zu den im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. März 2005 – BVerwG 3 C 20.04 – (BVerwGE 123, 142) aufgestellten Rechtssätzen, sie stellt in der Beschwerdebegründung aber nicht, wie es zur Divergenzrüge erforderlich wäre (BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 2005 – BVerwG 9 B 38.04 – NVwZ 2005, 447), jeweils tragende abstrakte, aber voneinander abweichende Rechtssätze des Verwaltungsgerichts einerseits und des Bundesverwaltungsgerichts andererseits gegenüber. Sie bezeichnet keinen Rechtssatz des Verwaltungsgerichts, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz aus der angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts steht. Zwar trägt die Klägerin vor, dass gemessen an den Kriterien und unter Zugrundelegung des Maßstabes für das Vorliegen eines erheblichen Vorschubleistens im Sinne des § 1 Abs. 4 AusglLeistG das Verwaltungsgericht seine Bewertung, der Rechtsvorgänger der Klägerin habe dem nationalsozialistischen System erheblich Vorschub geleistet, zu Unrecht ausschließlich auf die Ausübung bestimmter Ämter im Parteiapparat der NSDAP gestützt habe (Beschwerdebegründung ab S. 3 unter c). Aber eine Begründung, die nicht darlegt, dass das Verwaltungsgericht einen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Rechtssatz in Frage stellt, sondern lediglich eine fehlerhafte Anwendung von Rechtssätzen aufzeigt, bezeichnet keine Divergenz (BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 2005 a.a.O.). Zudem hat das Verwaltungsgericht das erhebliche Vorschubleisten nicht im bloßen Innehaben von Parteiämtern gesehen, sondern in der als solcher unstreitigen Ausübung der vom Rechtsvorgänger der Klägerin versehenen Parteiämter. Schließlich hat das Verwaltungsgericht nicht dem Rechtssatz im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. März 2005 widersprochen, der für Entscheidungen nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG eine Bindung an Entscheidungen im Entnazifizierungsverfahren verneint. Es hat sich ihm angeschlossen (VG-Urteil S. 11 Abs. 2). Dem steht nicht entgegen, dass das Verwaltungsgericht in eigener Wertung unter Berufung auf eine Direktive aus dem Entnazifizierungsverfahren den Rechtsvorgänger der Klägerin mit den ausgeübten Ämtern bzw. Funktionen der Kategorie der Hauptschuldigen zugeordnet hat (VG-Urteil S. 13 Abs. 2).
Das Urteil des Verwaltungsgerichts weicht auch nicht vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. März 1965 – BVerwG 8 C 396.63 – (ROW 1966, 30 = ZLA 9/1966, 138) ab. Denn in dem genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wird nicht generell vertreten, “dass die Bekleidung eines politischen Amtes hinsichtlich des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes nicht zu einer Umkehr der Beweislast führen darf” (Beschwerdebegründung S. 6 Abs. 4). Vielmehr heißt es dort konkret zu einem Kreistagsmandat in der SBZ: “Die Annahme und Bekleidung eines Kreistagsmandates begründet für sich allein auch noch keine rechtliche oder tatsächliche Vermutung dafür, dass der Tatbestand des erheblichen Vorschubleistens, etwa nach Maßgabe der sowjetzonalen Gesetze, durch die die Aufgaben und Befugnisse der Kreistage bestimmt werden, erfüllt sei. Eine Umkehr der (materiellen) Beweislast ist deshalb rechtlich nicht begründet.” Diese Aussage ist zudem im Zusammenhang mit der Feststellung im selben Urteil zu sehen: “Die politische Macht liegt nicht beim Kreistag, sondern bei dem als dessen Exekutivorgan getarnten ‘Rat des Kreises’.” Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht seine – im Einzelfall widerlegliche – Vermutung auf die “unstreitig ausgeübten Parteiämter bzw. ‘Partei-Dienststellungen’ als Ortsgruppenleiter, Kreiskassenleiter und (stellvertretender) Kreishauptstellenleiter” gestützt (VG-Urteil S. 12 Abs. 3) und hat in einer Gesamtschau die ab 1933 bestehende Parteimitgliedschaft des Rechtsvorgängers der Klägerin, die von diesem innegehabten Ämter und Funktionen innerhalb der NSDAP sowie dessen belegt engagierte Aufgabenerfüllung zusammen dahin gewertet, dass dieser dem nationalsozialistischen System erheblich Vorschub geleistet hat (VG-Urteil S. 11 Abs. 3).
Die Revision kann auch nicht nach §§ 133, 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensmangels zugelassen werden.
Weitere Beweise in Bezug auf das vom Verwaltungsgericht verwendete Archivmaterial waren unter dem Gesichtspunkt der Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht geboten.
Das Verwaltungsgericht hat nicht, wie die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung (S. 7 Abs. 5) behauptet, zugestanden, “dass sich aus dem zugrundeliegenden Archivmaterial keinerlei Hinweise auf ein aktives Tun oder Unterlassen im Hinblick auf ein erhebliches Vorschubleisten ergeben”. Vielmehr hat es eingeräumt, “dass die vorhandenen Archivunterlagen keine Belege für ein konkretes aktives Tun oder Unterlassen … in Richtung einer Unterstützung oder Förderung des nationalsozialistischen Regimes durch erhebliches Vorschubleisten enthalten” (VG-Urteil S. 11 Abs. 2). Der Umstand aber, dass ein “konkretes” Tun oder Unterlassen des Rechtsvorgängers der Klägerin in den Archivunterlagen nicht belegt ist, hindert nicht den Schluss, dass in der durch Archivunterlagen belegten engagierten Erfüllung von Parteiämtern und -funktionen ein erhebliches Vorschubleisten der Ziele der NSDAP zu sehen ist.
Mit ihrem Vortrag (Beschwerdebegründung S. 7 Abs. 6), “die Erforderlichkeit einer Beweiserhebung zumindest darüber, welche Aufgaben der Rechtsvorgänger der Klägerin in Ausübung der ihm übertragenen Ämter auch nur hätte ausüben können, hätte sich unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Kammer aufdrängen müssen”, bezeichnet die Klägerin keinen Verfahrensmangel. Denn ein Gericht verletzt seine Pflicht zu erschöpfender Aufklärung des Sachverhalts dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine durch einen Rechtsanwalt vertretene Partei nicht förmlich beantragt (BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 2005 a.a.O.).
Das Verwaltungsgericht hat den Sachverhalt nicht aktenwidrig festgestellt.
Zu Unrecht behauptet die Klägerin, das Verwaltungsgericht habe aktenwidrig als zwischen den Parteien unstreitig festgestellt, dass das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse nur an politische Leiter verliehen werde, weil die Klägerin in ihren Schriftsätzen mehrfach deutlich zum Ausdruck gebracht habe, dass dem Rechtsvorgänger der Klägerin per se keine leitende Parteifunktion zugekommen sei (Beschwerdebegründung S. 8 Abs. 5). Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil festgestellt, dass das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse “nach dem insoweit unbestrittenen Vortrag des Beklagten nach den Ausführungsbestimmungen der Reichsleitung der NSDAP vom 30.09.1940 u.a. nur an Politische Leiter verliehen” worden sei (VG-Urteil S. 13 Abs 2). Vortrag einer Partei, dass eine Auszeichnung nach der dafür maßgeblichen Ausführungsbestimmung u.a. nur an politische Leiter verliehen worden sei, wird nicht mit dem Vortrag der anderen Partei widersprochen, der Vorgeschlagene sei kein politischer Leiter. Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung nicht die Annahme zugrunde gelegt, “der Rechtsvorgänger der Klägerin sei zwischen den Parteien unstreitig als politischer Leiter des nationalsozialistischen Systems einzustufen” (Beschwerdebegründung S. 8 Abs. 6).
Zu Unrecht behauptet die Klägerin, das Verwaltungsgericht habe “als unstreitig der Entscheidung zugrunde (ge)legt, dass die ausgeübten Parteiämter ihrer Wertigkeit nach höheren Positionen innerhalb der Partei entsprächen”. Denn im Satz im Urteil des Verwaltungsgerichts (S. 12 Abs. 3): “Hiervon ausgehend begründen bereits die vom Rechtsvorgänger der Klägerin ausweislich der vorhandenen Unterlagen der NSDAP unstreitig ausgeübten Parteiämter bzw. ‘Partei-Dienststellungen’ als Ortsgruppenleiter, Kreiskassenleiter und (stellvertretender) Kreishauptstellenleiter ihrer Wertigkeit nach eine höhere Position innerhalb der Partei im o.g. Sinne …”, bezieht sich das Wort “unstreitig” eindeutig nur auf die ausgeübten Parteiämter bzw. Partei-Dienststellungen, nicht aber auf ihre Wertigkeit als höhere Position; letztere entspricht der Beurteilung des Verwaltungsgerichts.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Säcker, Schmidt, Dr. Franke
Fundstellen