Verfahrensgang
OVG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 22.10.2003; Aktenzeichen 3 L 32/99) |
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 22. Oktober 2003 wird insoweit, als über den Hilfsantrag der Kläger nicht entschieden worden ist, sowie hinsichtlich der Kostenentscheidung aufgehoben; insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Hälfte der Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner; im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten der Schlussentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 226 € festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Kläger beantragten am 18. Dezember 1991 beim ehemaligen Landkreis Hagenow, dem Rechtsvorgänger des Beklagten, die Erteilung einer Abbruchgenehmigung für das Gebäude auf dem Grundstück P.…straße 3 in Hagenow. Mit Bescheid vom 27. April 1992 lehnte der Landkreis den Antrag ab, weil das Gebäude ein erhaltenswertes Baudenkmal sei und die Beigeladene zu 1 ihr Einvernehmen versagt habe. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Auf die Berufung der Kläger mit dem Antrag, den Beklagten zur Erteilung der Genehmigung zu verpflichten, hilfsweise die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 27. April 1992 festzustellen, verpflichtete das Berufungsgericht den Beklagten zur Neubescheidung des Abbruchantrags unter Ausübung des aus § 7 Abs. 3 DSchG M-V vom 6. Januar 1998 mit späteren Änderungen abzuleitenden Ermessens. Das Denkmalschutzgesetz in der aktuell gültigen Fassung sei anzuwenden, weil bei Klagen auf Erteilung einer Baugenehmigung das Recht anzuwenden sei, das zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auch von der Genehmigungsbehörde anzuwenden wäre. Den Hilfsantrag beschied das Berufungsgericht nicht. Gegen die Nichtzulassung der Revision haben die Kläger die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde erhoben.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist teilweise begründet.
- Hinsichtlich des im Berufungsverfahren gestellten Hauptantrags hat sie keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Kläger beimessen. Die Kläger halten die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob § 7 Abs. 3 DSchG M-V mit Art. 14 GG vereinbar ist. Ihrer Annahme, die Frage der Vereinbarkeit einer landesrechtlichen Rechtsvorschrift mit Bestimmungen des Grundgesetzes verleihe einer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, liegt freilich ein Missverständnis des Verfahrens nach § 133 Abs. 3 VwGO zugrunde. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist es nicht mit der Behauptung getan, eine Vorschrift des als solches nicht revisiblen Landesrechts stehe mit einer Regelung des Bundesrechts (einschließlich des Bundesverfassungsrechts) nicht im Einklang. Vielmehr muss dargelegt werden, dass der bundesrechtliche Maßstab selbst einen die Zulassung der Revision rechtfertigenden Klärungsbedarf aufweist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 1994 – BVerwG 4 B 114.94 – NVwZ 1995, 700 ≪702≫). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.
Die Beschwerde ist dagegen begründet, soweit die Kläger die unterbliebene Bescheidung des im Berufungsrechtszug gestellten Hilfsantrags beanstanden. Insoweit ist das Berufungsurteil mit einem Verfahrensfehler behaftet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Juli 1996 – BVerwG 6 B 8.95 – JZ 1997, 463 = Buchholz 451.9 Art. 48 EG-Vertrag Nr. 6).
Über einen Hilfsantrag ist dann nicht mehr zu entscheiden, wenn sich ein Kläger mit seinem Hauptantrag durchsetzt. Das ist hier nicht der Fall. Das Berufungsgericht ist mit der im Berufungsurteil ausgesprochenen Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung des Antrags auf Erteilung einer Abrissgenehmigung hinter dem Antrag auf Erteilung der beantragten Genehmigung zurückgeblieben. Das Bescheidungsurteil ist für die Kläger von geringerem Wert, müssen sie doch damit rechnen, dass der Beklagte von seinem Ermessen zu ihren Lasten Gebrauch macht und die Genehmigung erneut versagt. Vor diesem Hintergrund und weil das Berufungsgericht im Laufe des Berufungsverfahrens zu erkennen gegeben hatte, dass entgegen der erstinstanzlichen Auffassung die Erhaltungssatzung der Beigeladenen zu 1 vom 18. Februar 1993 der Erteilung der Genehmigung nicht entgegenstehe, war den Klägern für den Fall, dass das Berufungsgericht aufgrund der zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung geltenden Rechtslage den geltend gemachten Anspruch auf Erteilung der Genehmigung verneinen sollte, erkennbar daran gelegen, im Rahmen des Hilfsantrags zu erfahren, ob ihnen jedenfalls bis zu einem Zeitpunkt vor In-Kraft-Treten des Denkmalschutzgesetzes M-V der Anspruch zugestanden hat. An einer entsprechenden Feststellung haben sie ein berechtigtes Interesse, weil sie ihre Position in einem beabsichtigten Amtshaftungsprozess stärken würde. Die Kläger hätten zwar gut daran getan, neben der Feststellung, dass der Ablehnungsbescheid vom 27. Februar 1992 rechtswidrig war, zusätzlich die Feststellung zu beantragen, dass der Beklagte verpflichtet gewesen ist, ihnen bis zu einem Zeitpunkt vor In-Kraft-Treten des Denkmalschutzgesetzes M-V vom 6. Januar 1998 die erstrebte Abrissgenehmigung zu erteilen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1998 – BVerwG 4 B 72.98 – BRS 60 Nr. 100, S. 389). Ihre Nachlässigkeit kann ihnen aber nicht entgegengehalten werden. Da sie zur Begründung ihres Hilfsantrags im Berufungsverfahren vorgetragen haben, der Beklagte hätte bis zum In-Kraft-Treten der Erhaltungssatzung die Abrissgenehmigung erteilen müssen, war ihr Rechtsschutzbegehren hinreichend klar erkennbar. Das Berufungsgericht hätte daher entweder gemäß § 86 Abs. 3 i.V.m. § 125 Abs. 1 VwGO auf eine sachdienliche Formulierung des Hilfsantrags hinwirken oder diesen im Sinne des Klagebegehrens auslegen müssen.
Alternativ wäre vom Berufungsgericht zu erwägen und zu erörtern gewesen, dass es sich bei dem Hilfsantrag nicht um einen Fortsetzungsfeststellungsantrag analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO handelt, über den erst bei (teilweiser) Erfolglosigkeit des Hauptantrags zu befinden ist. Der Senat lässt es zu, dass ein Verpflichtungskläger im Wege eines “unechten” Hilfsantrags eine auf § 43 Abs. 1 VwGO gestützte Feststellung begehren kann, dass ihm bereits zu bestimmten Zeiten der geltend gemachte materiellrechtliche Anspruch zugestanden habe (vgl. Urteil vom 28. April 1999 – BVerwG 4 C 4.98 – BVerwGE 109, 74 ≪78≫). Dass den Klägern an einer entsprechenden Feststellung gelegen sein könnte, lag deshalb nahe, weil zwischen dem Antrag auf Erteilung der Abrissgenehmigung und der abschließenden mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nahezu zwölf Jahre vergangen waren.
Zwecks Beschleunigung des Verfahrens macht der Senat von der Ermächtigung des § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch, das angefochtene Urteil durch Beschluss teilweise aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung über den Hilfsantrag an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Da zugunsten der Kläger davon auszugehen ist, dass das Berufungsgericht die Bescheidung dieses Antrags nicht versehentlich unterlassen, d.h. “vergessen” hat, sondern irrig der Auffassung war, sich wegen der Stattgabe der Berufung im Sinne eines Bescheidungsurteils mit dem Hilfsantrag nicht mehr befassen zu müssen, liegt kein Fall eines übergangenen Antrags im Sinne von § 120 VwGO vor, der nur mit fristgebundenem Antrag auf Urteilsergänzung hätte gerügt werden können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. August 1992 – BVerwG 7 B 58 und 113.92 – Buchholz 310 § 120 VwGO Nr. 7).
Die Kostenentscheidung beruht, soweit sie abschließend ist, auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO und die Streitwertentscheidung auf § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Halama, Gatz, Dr. Philipp
Fundstellen