Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Entscheidung vom 19.10.2020; Aktenzeichen 9 N 15.2158) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.
Rz. 2
Die Beschwerde macht geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe auf der Grundlage eines aktenwidrig festgestellten bzw. unvollständig ermittelten Sachverhalts zu Unrecht angenommen, dass die Antragstellerin im Hinblick auf den planbedingten Zuwachs an Verkehrslärm antragsbefugt im Sinne von § 47 Abs. 2 VwGO sei. Diese Rügen greifen nicht durch.
Rz. 3
Nimmt das Tatsachengericht fehlerhaft das Vorliegen von Sachurteilsvoraussetzungen an und ergeht zu Unrecht ein Sachurteil, kann dies einen Verfahrensfehler begründen. Ein rügefähiger Verfahrensfehler liegt aber nur dann vor, wenn die inkorrekte Entscheidung auf einer fehlerhaften Anwendung der prozessualen Vorschriften beruht, etwa einer Verkennung ihrer Begriffsinhalte und der zugrunde liegenden Maßstäbe (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13. Januar 2016 - 7 B 3.15 - juris Rn. 18 und vom 19. November 2020 - 4 BN 14.20 - ZfBR 2021, 180 Rn. 8 m.w.N.). Dies zeigt die Beschwerde nicht auf.
Rz. 4
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Anforderungen an die Darlegung der Antragsbefugnis nicht verfehlt, insbesondere hat er keinen zu großzügigen Maßstab angelegt. Darlegungspflichtig ist der Antragsteller. Er muss hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die die Verletzung in eigenen Rechten - hier des Rechts auf gerechte Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) - als möglich erscheinen lassen. Die Prüfung, ob das der Fall ist, ist nicht unter Auswertung des gesamten Prozessstoffs vorzunehmen und darf nicht in einem Umfang und einer Intensität erfolgen, die einer Begründetheitsprüfung gleichkommt. Das Normenkontrollgericht ist daher insbesondere nicht befugt, für die Entscheidung über die Antragsbefugnis den Sachverhalt von sich aus weiter aufzuklären. Es ist allerdings verpflichtet, den Tatsachenvortrag auf seine Schlüssigkeit und voraussichtliche Belastbarkeit hin zu prüfen. Widerstreitendes Vorbringen des Antragsgegners, auf dessen Grundlage sich die maßgeblichen Tatsachenbehauptungen in der Antragsschrift als offensichtlich unrichtig erweisen, muss es nicht ausblenden, sondern kann auf der Grundlage des wechselseitigen Schriftverkehrs darüber befinden, ob es einen abwägungserheblichen Belang des Antragstellers geben kann (stRspr, BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2020 - 4 CN 9.19 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 222 Rn. 18 m.w.N.; Beschlüsse vom 16. Juni 2020 - 4 BN 53.19 - juris Rn. 9 und vom 1. Juli 2020 - 4 BN 49.19 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 221 Rn. 7).
Rz. 5
Daran gemessen hat der Verwaltungsgerichtshof die Antragsbefugnis zu Recht bejaht (UA Rn. 26 ff.). Zur Begründung hat er auf die Verkehrsuntersuchung und die darauf basierende schalltechnische Untersuchung verwiesen, die bei Zugrundelegung eines planbedingten zusätzlichen Verkehrsaufkommens von insgesamt 766 Pkw/24 h ohne den Bau der geplanten Verbindungsstraße von einer Zunahme der Lärmbelastung am H.weg von 2 dB(A) und mit Verbindungsstraße um 0,1 dB(A) ausgehe (UA Rn. 28). Die Richtigkeit dieser Untersuchungen habe die Antragstellerin hinsichtlich der Fahrbewegungen im Ist-Zustand und im Planfall, des Prognosehorizonts und der Verkehrsbedeutung des H.wegs substantiiert in Frage gestellt. Gleiches gelte für die Bewertung der Schutzwürdigkeit des Gebiets, in dem ihr Wohngebäude liege (UA Rn. 28).
Rz. 6
Die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang erhobene Rüge aktenwidriger Feststellungen und einer daraus folgenden Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegt neben der Sache. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs zur planbedingten Gesamtverkehrszunahme und zur Zunahme der Lärmbelastung am H.weg stimmen mit dem Akteninhalt überein (vgl. S. 9, 22 und 24 des Schlussberichts der schalltechnischen Untersuchung vom 20. Februar 2015). Dass die schalltechnische Untersuchung konkrete Angaben zur planbedingten Verkehrs- und Lärmzunahme am Grundstück der Antragstellerin (H.weg...) enthält, die der Verwaltungsgerichtshof übergangen hat und die zu einer anderen Bewertung hätten führen müssen, legt die Antragsgegnerin nicht dar. Auf die mit der Beschwerdebegründung vorgelegte Stellungnahme des Schallgutachters vom 18. Dezember 2020, die für das Grundstück der Antragstellerin im Übrigen eine Verkehrszunahme von 299 Kfz/24 h und eine Lärmzunahme von 1,1 bis 1,3 dB(A) tags sowie 1,6 bis 1,9 dB(A) nachts angibt, kommt es insoweit nicht an.
Rz. 7
Eine Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO scheidet nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bei der Entscheidung über die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO schon tatbestandlich aus (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. März 2015 - 4 BN 30.14 - juris Rn. 7 und vom 14. September 2015 - 4 BN 4.15 - ZfBR 2016, 154 Rn. 15).
Rz. 8
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Fundstellen
ZfBR 2022, 70 |
BBB 2022, 60 |