Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 23.06.2009; Aktenzeichen 23 C 1378/08) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Flurbereinigungsgerichts beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof vom 23. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 33 750 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
Rz. 2
1. Verfahrensmängel, die zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führen könnten, ergeben sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht.
Rz. 3
a) Die Beschwerde rügt, das Flurbereinigungsgericht habe seine Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt, weil es die dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 19. Mai 1992 – 9 G 11/86 – (RdL 1995, 40) zugrunde liegenden Gerichtsakten, aus denen es allein die zutreffenden Schlüsse auf den dortigen Sachverhalt hätte ziehen können, nicht beigezogen habe. Diese Rüge greift nicht durch. Ihr Erfolg setzt unter anderem die Darlegung voraus, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14 f.; stRspr). Dem genügt das Beschwerdevorbringen nicht. Ihm ist nicht zu entnehmen, dass der Kläger in der Vorinstanz die Beiziehung der Akten beantragt hat. Es fehlt auch an einer Darlegung, warum das Flurbereinigungsgericht nicht in der Lage gewesen sein soll, aus Tatbestand und Entscheidungsgründen des Urteils vom 19. Mai 1992 die für seine Entscheidung erforderlichen Schlussfolgerungen zu ziehen.
Rz. 4
b) Das Flurbereinigungsgericht hat die ihm nach § 86 Abs. 1 VwGO obliegende Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, auch nicht dadurch verletzt, dass es kein Sachverständigengutachten eingeholt, sondern seine Entscheidung aufgrund eigener Sachkenntnis getroffen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gewährleistet die in § 139 FlurbG vorgeschriebene Besetzung des Flurbereinigungsgerichts regelmäßig eine sachverständige Würdigung der im Flurbereinigungsverfahren auftretenden Sachverhalte, so dass es nur unter besonderen Umständen gehalten ist, Sachverständige hinzuzuziehen, etwa in Fällen, die schwierig gelagert sind oder besondere Spezialkenntnisse erfordern (vgl. Beschluss vom 22. September 1989 – BVerwG 5 B 146.88 – Buchholz 424.01 § 139 FlurbG Nr. 14 S. 9 m.w.N.). Derartige außergewöhnliche Umstände liegen hier nicht vor. Es gehört zu den ständigen Aufgaben des Flurbereinigungsgerichts, über die Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung zu entscheiden und dabei insbesondere zu klären, ob der Wertermittlungsrahmen deshalb fehlerhaft ist, weil er die unterschiedlichen Bodenmerkmale im Flurbereinigungsgebiet nicht ausreichend berücksichtigt. Das Flurbereinigungsgericht war daher nicht gehindert, in eigener Sachkunde zu entscheiden, nachdem es die streitbefangenen Grundstücke des Klägers und deren Umgebung in Augenschein genommen hatte. Anders als die Beschwerde meint, war die Beweiserhebung auch nicht auf die Frage beschränkt, ob die vier streitgegenständlichen Grundstücke die Voraussetzungen nach § 28 FlurbG für begünstigtes Ackerland erfüllen. Aus dem Protokoll der Beweisaufnahme am 9. Juni 2009 geht hervor, dass die Zulässigkeit der Gleichbehandlung von Acker- und Grünland ebenfalls Gegenstand der Erörterungen während der Beweisaufnahme war.
Rz. 5
c) Die Beschwerde beanstandet, das Flurbereinigungsgericht habe die im Erörterungs- und Beweistermin protokollierte Erklärung des Beklagten übergangen, dass der tatsächlich vorliegende höhere Nutzungswert von Ackerland gegenüber Grünland bei der Aufstellung des Wertermittlungsrahmens nicht berücksichtigt worden sei. Hätte das Gericht diese Erklärung zur Kenntnis genommen, hätte es nicht zu dem Schluss kommen können, dass die Verwendung eines einheitlichen Wertermittlungsrahmens für Acker- und Grünland zulässig gewesen sei. Eine Verletzung des Gehörsanspruchs des Klägers (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) ist damit schon deswegen nicht dargetan (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), weil die Beschwerde ausdrücklich nur eine Nichtberücksichtigung des Vortrags des Beklagten und nicht des Vorbringens des Klägers rügt. Aber auch unterstellt, die Beschwerde habe jedenfalls sinngemäß rügen wollen, dass der Schriftsatz vom 16. Juni 2009, mit dem der Kläger sich die Äußerungen des Beklagten zu eigen gemacht hat, unberücksichtigt geblieben sei, kann die Gehörsrüge keinen Erfolg haben. Denn es fehlen besondere Umstände, die den eindeutigen Schluss zulassen, das Gericht habe diesen Schriftsatz nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht in Erwägung gezogen und damit das Recht des Klägers auf Gehör verkürzt (vgl. Urteil vom 20. November 1995 – BVerwG 4 C 10.95 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 267 S. 22). Solche besonderen Umstände lägen allerdings vor, wenn der Beklagte hätte einräumen wollen, dass im Verfahrensgebiet Unterschiede im Nutzungswert von Acker- und Grünland bestehen, die im Wertermittlungsverfahren hätten berücksichtigt werden müssen. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Beschwerde verkürzt mit ihrer Rüge die protokollierte Äußerung des Beklagten, der dargelegt hat, dass ein Ausgleich des höheren Nutzungswertes von Ackerland nicht im Stadium der Wertermittlung, sondern erst im Abfindungsverfahren vorgenommen werde. Vor dem Hintergrund des übrigen Beschwerdevorbringens kann diese Äußerung nur so verstanden werden, dass der Beklagte die von ihm festgestellten Unterschiede des Nutzungswertes als so gering ansieht, dass sie einer gemeinsamen Klassifizierung von Acker- und Grünland in einem Wertermittlungsrahmen nicht entgegenstehen.
Rz. 6
d) Als weiteren Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO rügt die Beschwerde, das Flurbereinigungsgericht habe den Kern des Vorbringens des Klägers verkannt, wenn es dessen Angriffe gegen den Wertermittlungsrahmen deshalb für treuwidrig halte, weil er die Wertermittlung nur für vier ausgesuchte Grundstücke in Streit stelle. Tatsächlich habe er zu keinem Zeitpunkt eine solche Einschränkung vorgenommen, sondern eine Neubewertung sämtlicher im Flurbereinigungsgebiet gelegener Grundstücke verfolgt. Diese Rüge rechtfertigt die Zulassung der Revision ebenfalls nicht. Sie übersieht, dass das Flurbereinigungsgericht dem Kläger nicht vorwirft, er habe sich mit seinem Klagebegehren auf die in seinem Eigentum stehenden Grundstücke beschränkt. Eine Treuwidrigkeit sieht das Flurbereinigungsgericht vielmehr darin, dass der Kläger nicht hinsichtlich sämtlicher Grundstücke, für die er als Eigentümer klagebefugt ist, eine Neubewertung verfolgt und damit die Wertermittlungsfeststellung vom 28. Juni 2007 jedenfalls hinsichtlich eines Teils seiner Grundstücke hat bestandskräftig werden lassen.
Rz. 7
2. Der Rechtssache kommt nicht die grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu, die ihr von der Beschwerde beigemessen wird.
Rz. 8
a) Die von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage,
ob die Zusammenfassung von Acker- und Grünland in einem einheitlichen Wertrahmen im Hinblick auf die vom Flurbereinigungsgesetz verlangte Abfindung der Teilnehmer mit Land von gleichem Wert (§ 44 FlurbG) zulässig ist,
rechtfertigt bei wörtlichem Verständnis die Zulassung der Revision schon deswegen nicht, weil es sich im vorliegenden Fall um eine Unternehmensflurbereinigung nach § 87 ff. FlurbG handelt und im Rahmen dieses Verfahrens kein Teilnehmer Anspruch auf wertgleiche Landabfindung nach § 44 FlurbG hat (Urteil vom 24. April 1970 – BVerwG 4 C 47.66 – Buchholz 424.01 § 88 FlurbG Nr. 1 und Beschluss vom 6. Januar 1987 – BVerwG 5 B 30.85 – Buchholz 424.01 § 87 FlurbG Nr. 9 S. 6). Aber auch dann, wenn man die Fragestellung dahin versteht, dass die Beschwerde es für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, ob die Verwendung eines einheitlichen Wertrahmens für Acker- und Grünland bei der Bewertung landwirtschaftlich genutzter Grundstücke nach § 28 FlurbG zulässig ist, fehlt es an der grundsätzlichen Bedeutung. Dies folgt allerdings nicht schon daraus, dass nach der seit dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung des § 28 Abs. 1 FlurbG (vgl. Gesetz vom 20. Dezember 2007, BGBl I S. 3150, und vom 19. Dezember 2008, BGBl I S. 2794) bei der Bewertung landwirtschaftlich genutzter Grundstücke die Ergebnisse einer Schätzung nach dem Bodenschätzungsgesetz vom 20. Dezember 2007 (BGBl I S. 3150), das in seinem § 3 getrennte Schätzungsrahmen für Acker- und Gründlandflächen vorschreibt, zugrunde zu legen sind. Denn die von der Beschwerde aufgeworfene Frage bleibt schon im Hinblick auf die Fälle, in denen es an einer Bodenschätzung nach den neuen gesetzlichen Vorschriften fehlt, und im Hinblick auf die in § 28 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 FlurbG vorgesehene Möglichkeit der Abweichung auch künftig von Bedeutung.
Rz. 9
Die sinngemäß aufgeworfene Frage bedarf aber deshalb keiner weiteren Klärung in einem künftigen Revisionsverfahren, weil sie sich ohne Weiteres anhand des Gesetzes und aufgrund des allgemeinen Meinungsstandes in Rechtsprechung und Literatur beantworten lässt. Die nach § 28 Abs. 1 Satz 1 FlurbG geforderte Ermittlung des Wertverhältnisses der landwirtschaftlich genutzten Grundstücke auf der Grundlage des Nutzungswertes erfordert die Feststellung der Beschaffenheit der im Flurbereinigungsgebiet vorhandenen Böden und die Festlegung des Wertes, der für die jeweiligen Böden gerechtfertigt ist. Das Ergebnis dieser für das ganze Flurbereinigungsgebiet vorzunehmenden Prüfung und der generellen Festlegung finden ihren Niederschlag im Wertermittlungsrahmen, der als Ordnungssystem der Eingliederung der im Flurbereinigungsgebiet vorgefundenen Böden mit annähernd gleicher Nutzungsfähigkeit in die entsprechenden Klassen dient (Urteil vom 23. August 1962 – BVerwG 1 C 130.56 – RdL 1963, 107; Beschluss vom 31. Juli 1970 – BVerwG 4 B 188.68 – Buchholz 424.01 § 28 FlurbG Nr. 1; Schwantag/Wingerter, Flurbereinigungsgesetz, 8. Aufl. 2008, § 28 Rn. 23). Hieraus folgt, dass die Zusammenfassung von Acker- und Grünland in einem Wertermittlungsrahmen dann möglich und zulässig ist, wenn – wie vom Flurbereinigungsgericht ausdrücklich festgestellt – die Böden im Flurbereinigungsgebiet hinsichtlich ihrer Ertragsfähigkeit annähernd gleich zu beurteilen sind. Ob dies aufgrund der gegenüber Grünland gestiegenen Ertragsfähigkeit von Ackerland nur noch in Ausnahmefällen der Fall ist, ist dabei unerheblich. Maßgebend sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Dies sieht auch das von der Beschwerde zitierte Oberverwaltungsgericht Münster (a.a.O.) nicht anders.
Rz. 10
b) Auch der Frage,
ob die Zusammenfassung von landwirtschaftlichen Grundstücken in nur wenige Klassen im Hinblick auf § 27 FlurbG zulässig ist,
kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Diese Frage lässt sich ebenfalls, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf, beantworten. Wie bei der Festlegung des Wertermittlungsrahmens kommt es für die Anzahl der zu bildenden Klassen auf die konkreten Bodenverhältnisse im Flurbereinigungsgebiet an. Liegen die Erträge von guten und schlechten Böden im Verfahrensgebiet nicht weit auseinander, kann auch die Einteilung des Wertermittlungsrahmens in nur wenige Klassen mit § 27 FlurbG vereinbar sein.
Rz. 11
c) Die Frage,
ob ein Mitglied des Vorstands der Teilnehmergemeinschaft, welches im Verfahren der Wertermittlung (§ 31 FlurbG) keine Einwendungen gegen die Aufstellung des Wertermittlungsrahmens erhoben hat, im Verfahren über die Anfechtung der Wertermittlung mit solchen Einwendungen ausgeschlossen ist (Präklusion),
rechtfertigt mangels Entscheidungserheblichkeit ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Es ist schon fraglich, ob die von der Beschwerde in Bezug genommene Urteilspassage den Schluss zulässt, das Flurbereinigungsgericht habe den Kläger wegen seines Verhaltens als Vorstandsmitglied der Teilnehmergemeinschaft mit Einwendungen gegen die Wertermittlung für ausgeschlossen erachtet. Das Oberverwaltungsgericht spricht eine solche Rechtsfolge nicht aus, sondern beschränkt sich auf den Hinweis, der Kläger habe “im Übrigen” als Mitglied des Vorstands der Teilnehmergemeinschaft “an der Bestimmung des jetzt streitbefangenen Wertermittlungsrahmens mitgewirkt und ihm, wenn nicht zugestimmt, mindestens in der Sache nicht widersprochen”. Einer abschließenden Klärung bedarf es jedoch insoweit nicht. Auch wenn man die Formulierung im Sinne der Beschwerde versteht, könnte die Revision nicht zugelassen werden. Die Beschwerde übersieht, dass das Oberverwaltungsgericht seine Entscheidung nicht allein auf diese Begründung, sondern auch auf seine aus den Akten und durch die Beweisaufnahme gewonnenen eigenen Kenntnisse der Bodenverhältnisse sowie die von ihm bejahte Treuwidrigkeit des Klägers gestützt hat. Ist eine Entscheidung auf alternative Begründungen gestützt, kann die Revision aber nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder Begründung ein Revisionsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 15). Daran fehlt es hier.
Rz. 12
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Storost, Dr. Nolte, Prof. Dr. Korbmacher
Fundstellen