Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 27.02.2014; Aktenzeichen 9 S 2275/13) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 27. Februar 2014 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 7 500 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I
Die Klägerin, die in Konstanz studierte, nahm im Frühjahr 2012 als Wiederholerin am schriftlichen Teil der Ersten Juristischen Prüfung teil und verfehlte die für die Zulassung zur mündlichen Prüfung erforderliche Durchschnittspunktzahl. Nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens hat sie Klage erhoben, mit der sie begehrt, den schriftlichen Teil der Ersten Juristischen Prüfung ein weiteres Mal zu wiederholen. Der negative Prüfungsbescheid des Beklagten verletze sie in ihrem Anspruch auf Chancengleichheit. Der Prüfungsmaßstab sei dadurch verzerrt, dass Studierende des in Mannheim angebotenen Kombinationsstudiengangs (vgl. § 35a JAPrO BW) über die Möglichkeit zeitlicher Abschichtung einzelner Prüfungsmaterien verfügten (vgl. § 35b JAPrO BW) und somit im Rahmen der Prüfung vorteilhafteren Bedingungen ausgesetzt seien.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen. Mit ihrer vorliegenden Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision.
Entscheidungsgründe
II
Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen.
1. Die Klägerin sieht die Frage als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig an, „ob ein Prüfling die auf einer gleichheitswidrigen Prüfungsordnung beruhende Begünstigung seiner Mitprüflinge auch dann rügen kann, wenn seine eigene Prüfungsleistung im Übrigen ordnungsgemäß bewertet worden ist und sich ein Einfluss auf die von den Prüfern in der konkreten Prüfungskampagne zugrunde gelegten durchschnittlichen Anforderungen nicht nachweisen lässt” (Beschwerdebegründung S. 12). Sie zielt hiermit auf die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, die von der Klägerin behauptete Verzerrung des Prüfungsmaßstabs könne ausgeschlossen werden. Zwar komme – so der Verwaltungsgerichtshof – eine rechtsverletzende Benachteiligung von Prüflingen in Betracht, wenn bessere Leistungen anderer Prüflinge, die aus einer Bevorteilung nach Art des § 35b JAPrO BW herrührten, Einfluss auf die von den Prüfern zugrunde gelegten allgemeinen Bewertungsmaßstäbe gewinnen könnten. An der hier maßgeblichen Prüfungskampagne im Frühjahr 2012 habe aber lediglich ein Prüfling (von 690) teilgenommen, auf den das Abschichtungsmodell des § 35b JAPrO BW Anwendung finde. Ein entsprechender Einfluss sei mithin auszuschließen.
Der von der Klägerin aufgeworfenen Frage kommt keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu, da sie sich mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesauslegung ohne Weiteres im Sinne des Verwaltungsgerichtshofs beantworten lässt (vgl. zu diesem Maßstab etwa Beschluss vom 25. August 2011 – BVerwG 6 B 16.11 – juris Rn. 5):
Nach der Senatsrechtsprechung gebietet der in Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG verankerte und somit dem revisiblen Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO) zuzurechnende prüfungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit, möglichst gleichmäßige Voraussetzungen für alle Prüflinge zu schaffen und damit allen Prüflingen gleiche Erfolgschancen einzuräumen. Bevorzugungen oder Benachteiligungen von Prüfungsteilnehmern sind geeignet, den Zweck der Prüfung zu vereiteln und das Prüfungsergebnis zu verfälschen (stRspr; vgl. Beschluss vom 23. März 1994 – BVerwG 6 B 72.93 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 330 S. 16 m.w.N.). Ob danach das in § 35b JAPrO BW geregelte Abschichtungsmodell gegen den Grundsatz der Chancengleichheit verstößt, indem es möglicherweise zu ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteilen für einen Teil der Prüflinge in Baden-Württemberg führt, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Klärung. Denn jedenfalls könnte der Anspruch der Klägerin auf prüfungsrechtliche Gleichbehandlung im Rahmen ihres – hier alleine streitgegenständlichen – Wiederholungsprüfungsverfahrens nur verletzt sein, wenn sich eine etwaige Gleichheitswidrigkeit der Regelung des § 35b JAPrO BW auf das Ergebnis ihrer Prüfung hätte auswirken können (vgl. Urteil vom 14. Dezember 1990 – BVerwG 7 C 17.90 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 281 S. 158). Dies ist jedoch, wie der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt hat (BA S. 10), nicht der Fall. Diese tatrichterliche Feststellung hat die Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffen.
Der hiergegen in der Beschwerdebegründung (S. 13 ff.) unter verschiedenen Aspekten thematisierte Einwand, maßgeblich sei die Ungleichbehandlung durch die prüfungsrechtliche Norm (des § 35b JAPrO BW), greift nicht durch. Die Klägerin ist im Rahmen ihrer Verpflichtungsklage auf die Geltendmachung der Verletzung eigener Rechte beschränkt (§ 113 Abs. 5 VwGO). Das Klagerecht wird ihr nicht zum Zweck der Veranlassung einer gerichtlichen Prüfung der Einhaltung der objektiven Rechtsordnung zugewiesen (Wolff, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 17). Eine etwaige Bevorzugung der von § 35b JAPrO BW betroffenen Prüfungsteilnehmer würde nur dann von einem objektiven in einen subjektiven, im Rahmen des § 113 Abs. 5 VwGO durch die Klägerin im vorliegenden Verfahren rügefähigen Gleichheitsverstoß umschlagen können, wenn die Klägerin spiegelbildlich zu der fraglichen Bevorzugung eine gleichheitswidrige Benachteiligung erlitten haben könnte. Gerade an dieser Möglichkeit fehlt es aber nach dem Vorgesagten im vorliegenden Fall, da im Rahmen ihres Prüfungsdurchgangs ausgeschlossen werden kann, dass sich dort der Prüfungsmaßstab infolge etwaiger von § 35b JAPrO BW ausgehender Effekte in gleichheitswidriger Weise zu ihrem Nachteil verzerrt haben könnte.
Entgegen der in der Beschwerdebegründung (S. 13, 16) geäußerten Auffassung, führt der angefochtene Beschluss mitnichten zu der Konsequenz, dass ein Prüfling „die Korrektur einer ihn gleichheitswidrig belastenden Prüfungsordnung faktisch nie erreichen (könnte)” oder dass „die Möglichkeiten der Gerichte zur Inzidentkontrolle von Prüfungsordnungen (…) damit faktisch in erheblichem Maße beschnitten (würden)”. Nimmt an einem Prüfungsdurchgang eine signifikante Zahl von Prüflingen teil, auf die § 35b JAPrO BW Anwendung findet, könnte den übrigen Prüflingen die Rüge einer durch § 35b JAPrO BW hervorgerufenen gleichheitswidrigen Benachteiligung gerade nicht mit denjenigen Erwägungen verwehrt werden, die im vorliegenden Fall der Verwaltungsgerichtshof der Klägerin entgegengehalten hat.
Die Beschwerdebegründung geht im Übrigen auch in der Annahme fehl, nur bei gleichheitswidrigen Mängeln des Prüfungsverfahrens sei die Möglichkeit eröffnet, den Mangel als unbeachtlich einzustufen, wenn er sich auf den Kläger nicht ausgewirkt haben kann. Auch etwa im Hinblick auf inhaltliche Bewertungsfehler ist der Grundsatz anerkannt, dass sie ohne rechtliche Sanktion bleiben, wenn sie sich auf das Prüfungsergebnis nicht ausgewirkt haben (vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, Rn. 680 m.w.N.).
2. Da der angefochtene Beschluss selbständig tragend auf der Annahme beruht, eine die Chancengleichheit beeinträchtigende Verzerrung des Prüfungsmaßstabs scheide aus, hinsichtlich dieser Annahme aber nach dem Vorgesagten kein Zulassungsgrund gegeben ist, ist den übrigen erhobenen Grundsatzrügen der Klägerin mangels Entscheidungserheblichkeit nicht nachzugehen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
4. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstands folgt aus § 47 Abs.1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Neumann, Hahn, Prof. Dr. Hecker
Fundstellen