Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausbildungsförderung, Förderungsart. Umstellung von Zuschuß und unverzinslichem Darlehen auf ein verzinsliches Bankdarlehen. Verfassungsmäßigkeit der Umstellungsregelung für den Fall eines bereits vollzogenen Fachrichtungswechsels
Normenkette
BAföG § 17 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, § 18c
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 28.08.1997; Aktenzeichen 16 A 2230/97) |
VG Düsseldorf (Entscheidung vom 21.03.1997; Aktenzeichen 13 K 211/97) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. August 1997 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob die durch das 18. Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (18. BAföGÄndG) vom 17. Juli 1996 (BGBl I S. 1006) bewirkte Umstellung der Ausbildungsförderung von einem jeweils hälftigen Zuschuß und unverzinslichen Darlehen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 BAföG a.F.) auf ein verzinsliches Bankdarlehen nach § 18 c BAföG für die Fallgruppe des § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG n.F. gegen Verfassungsrecht verstößt. Die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfragen bedürfen jedoch keiner Klärung in einem künftigen Revisionsverfahren, weil sich die Frage der Vereinbarkeit der Neuregelung mit der Verfassung insoweit bereits auf der Grundlage der bereits vorhandenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zu früheren Rechtsänderungen beantworten läßt.
Die Arten der Studienförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz – jetzt Studienförderung durch verlorenen Zuschuß, unverzinsliches Darlehen oder verzinsliches Bankdarlehen – sind vom Gesetzgeber schon wiederholt in Anpassung an wechselnde Haushaltslagen und die jeweilige Situation auf dem Ausbildungssektor geändert worden. Dadurch eintretende Benachteiligungen bestimmter Ausbildungsjahrgänge gegenüber früheren oder späteren Ausbildungsjahrgängen und die Enttäuschung der Erwartungen Studierender, ihre Ausbildung unter gleichbleibenden Förderungsbedingungen durchführen zu können, sind vom Bundesverwaltungsgericht in bisher zu beurteilenden Änderungsfällen nicht als verfassungswidrig angesehen worden. Namentlich die durch das Haushaltsbegleitgesetz 1983 vom 20. Dezember 1982 (BGBl I S. 1857) bewirkte, besonders einschneidende Umstellung der Ausbildungsförderung für Studierende von der Förderungsart des verlorenen Zuschusses auf eine reine Darlehensförderung hat das Bundesverwaltungsgericht als verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden angesehen und insoweit einen Verfassungsverstoß unter den Gesichtspunkten des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG), des Sozialstaatsprinzips und der rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verneint (vgl. Beschluß vom 24. März 1988 – BVerwG 5 B 126.87 – ≪Buchholz 436.36 § 17 BAföG Nr. 11≫ sowie zuletzt Beschluß vom 1. September 1994 – BVerwG 11 PKH 4.94 – ≪Buchholz 436.36 § 17 BAföG Nr. 16≫). Mit Beschluß vom 14. Oktober 1997 – 1 BvL 5/93 – (NJW 1998, S. 973) hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit des § 17 Abs. 2 BAföG in der Fassung des Art. 16 Abs. 1 Nr. 5 des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 bestätigt, wonach Leistungen für Studierende nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz im Zeitraum von 1983 bis 1990 ausschließlich als Darlehen gewährt wurden. Auf dem Hintergrund dieser Rechtsprechung besteht kein grundsätzlicher Klärungsbedarf für die von der Beschwerde aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die durch das 18. BAföG-Änderungsgesetz eingefügte Regelung in § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG, wonach für eine andere Ausbildung nach § 7 Abs. 3 BAföG die Ausbildungsförderung nur noch als (verzinsliches) Bankdarlehen geleistet wird, soweit die Semesterzahl der maßgeblichen Förderungshöchstdauer, die um die Fachsemester der vorangegangenen, nicht abgeschlossenen Ausbildung zu kürzen ist, überschritten wird.
Der Umstand, daß das 18. BAföG-Änderungsgesetz nicht alle Studierenden in gleicher Weise trifft, sondern die für die Betroffenen nachteilige Umstellung der Förderungsart auf ein Bankdarlehen nach § 18 c BAföG sich auf die in § 17 Abs. 3 Satz 1 BAföG genannten Personengruppen beschränkt, während andere Studierende weiterhin gemäß Absatz 2 dieser Bestimmung eine Förderung durch jeweils hälftigen Zuschuß und unverzinsliches Darlehen erhalten, ist unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes auch bei Anlegung eines strengen Maßstabes (vgl. BVerfG, Beschluß vom 14. Oktober 1997 – 1 BvL 5/93 – ≪a.a.O. S. 974≫) nicht zu beanstanden. Die Vorinstanz hat dargelegt, daß der als verfassungswidrig angegriffenen Regelung in § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG betreffend Auszubildende, die aus wichtigem Grund eine frühere Ausbildung abgebrochen oder die Fachrichtung gewechselt haben, ebenso wie den anderen Regelungen des § 17 Abs. 3 Satz 1 BAföG eine grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers zugrunde liegt, „für alle Ausbildungszeiten an Ausbildungsstätten des Tertiärbereiches jenseits der notwendigen Zeit (Förderungshöchstdauer) für eine Erstausbildung Förderungsbeträge grundsätzlich in Form von Bankdarlehen nach § 18 c BAföG zu erbringen und für dieses Mehr an Ausbildungsförderung eine Förderungsart mit höherer Eigenbeteiligung vorzusehen” (S. 13 des Urteils). Insoweit greift die Erwägung Platz, daß es dem Gesetzgeber angesichts begrenzter Haushaltsmittel freisteht, durch eine Änderung des Einsatzes der Mittel finanziellen Spielraum zu schaffen (BVerfG, Beschluß vom 14. Oktober 1997 – 1 BvL 5/93 – ≪a.a.O. S. 974≫).
Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist es auch nicht zu beanstanden, daß das Gesetz nicht darauf abstellt, ob Auszubildende, welche die nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG maßgebliche Semesterzahl überschritten haben, bereits für die vorangegangene Ausbildung Förderung erhalten haben; denn für die Ausbildungsförderung im allgemeinen und auch für die Abgrenzung der Förderungsarten im besonderen stellt das Bundesausbildungsförderungsgesetz in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise nicht entscheidend auf die Inanspruchnahme oder den Erhalt von Förderungsleistungen ab, sondern auf die Förderungsfähigkeit der Ausbildung dem Grunde nach.
Was die von der Beschwerde weiter gerügte Ungleichbehandlung Auszubildender, die durch § 41 Abs. 3 Satz 1 WoGG vom Anwendungsbereich des Wohngeldgesetzes und damit vom Bezug des als Zuschuß gewährten Wohngeldes ausgeschlossen sind, mit der Vergleichsgruppe der nicht studierenden Sozialleistungsempfänger betrifft, denen zur Sicherung angemessenen Wohnens Wohngeld gewährt wird, liegt der sachliche Grund hierfür in der Erwartung verbesserter Chancen auf dem Arbeitsmarkt und eines höheren Einkommens. Dieser Vorteil rechtfertigt es unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes, Studierende – anders als die Empfänger sonstiger Sozialleistungen – mit der Verpflichtung zur Rückzahlung der als Darlehen gewährten Fördermittel zu belasten (BVerfG, Beschluß vom 14. Oktober 1997 – 1 BvL 5/93 – ≪a.a.O. S. 975≫; zur entsprechenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vgl. zuletzt Beschluß vom 1. September 1994 – BVerwG 11 PKH 4.94 – ≪a.a.O. S. 2≫). Der Senat sieht insoweit keinen rechtserheblichen Unterschied zwischen der durch das 18. BAföG-Änderungsgesetz und der durch das Haushaltsbegleitgesetz 1983 bewirkten Rechtslage.
Entgegen der Auffassung der Beschwerde war der Gesetzgeber auch nicht unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes bzw. des Rückwirkungsverbots gehindert, den in der Vergangenheit liegenden Tatbestand des Fachrichtungswechsels (§ 7 Abs. 3 BAföG) durch die mit der angegriffenen Regelung bewirkte Anrechnung der vorangegangenen Ausbildung auf die maßgebliche Semesterzahl der anderen Ausbildung mit der nachteiligen Folge einer Umstellung der Förderungsart auf ein Bankdarlehen zu verknüpfen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 14. Oktober 1997 (– 1 BvL 5/93 – ≪a.a.O. S. 974≫) zur Verfassungsmäßigkeit des § 17 Abs. 2 BAföG i.d.F. des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 die nicht weniger einschneidende Umstellung von der Förderungsart des Zuschusses auf ein unverzinsliches öffentliches Darlehen unter Einbeziehung auch derjenigen Studierenden, welche im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits eine geförderte Ausbildung aufgenommen hatten, als verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässige unechte Rückwirkung angesehen und einen Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze des Vertrauensschutzes verneint. Das berechtigte Vertrauen der Studierenden darauf, daß ihnen auch im Falle einer gesetzlichen Neukonzeption der Förderungsart eine Ausbildungsförderung erhalten bleibe, die eine Beendigung des Studiums ohne wesentliche Verringerung des monatlich verfügbaren Geldbetrages ermögliche, werde durch die Umstellung des Förderungskonzepts von der Form des Zuschusses auf die Form des Darlehens nicht enttäuscht, da diese nicht die Möglichkeit in Frage stelle, das Studium mit Hilfe staatlicher Mittel zu beenden; zu jedem Zeitpunkt sei sichergestellt gewesen, daß alle bereits Studierenden weiterhin die bisherigen Auszahlungsbeträge – wenn auch nunmehr als Darlehen – erhielten (BVerfG, Beschluß vom 14. Oktober 1997 – 1 BvL 5/93 – a.a.O. S. 974≫). Diese Erwägungen gelten grundsätzlich auch für die hier zu beurteilende Umstellung der Förderungsart von einem jeweils hälftigen Zuschuß und unverzinslichen Darlehen auf ein verzinsliches Bankdarlehen. Die Umstellung der Förderung war geeignet und erforderlich, das Ziel des Gesetzgebers zu erreichen. Dem betroffenen Studierenden bleibt eine Ausbildungsförderung erhalten, die eine Beendigung des Studiums ohne wesentliche Verringerung des monatlich verfügbaren Geldbetrages ermöglicht.
Entgegen der Auffassung der Beschwerde handelt es sich bei der nach § 17 Abs. 3 Satz 1 BAföG eintretenden Umstellung der Förderung auf ein Bankdarlehen auch im Falle eines bereits nach § 7 Abs. 3 BAföG vollzogenen Fachrichtungswechsels nicht um eine echte Rückwirkung im Sinne eines Eingriffs in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt, sondern um eine unechte Rückwirkung bzw. – in der Terminologie des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts – um eine „tatbestandliche Rückanknüpfung”, da die Norm den Eintritt ihrer Rechtsfolgen von Gegebenheiten vor ihrer Verkündung abhängig macht. Rechtlicher Anknüpfungspunkt für die verfassungsrechtliche Beurteilung unter Rückwirkungsgesichtspunkten ist der noch nicht abgeschlossene Vorgang des Studiums und seiner Finanzierung (vgl. BVerfG a.a.O. S. 974), nicht der in die Ausbildung als Gesamtvorgang eingebettete Teilvorgang des Fachrichtungswechsels. Der Fachrichtungswechsel des Klägers hat für diesen keine Ansprüche auf gleichbleibende Förderungsbedingungen begründet, vielmehr konnte der Gesetzgeber aus sachlichen Gründen und ohne Verstoß gegen rechtsstaatliche Vertrauensschutzgebote während des anderen Studiums dessen Förderungsbedingungen ändern. Zu einer Übergangsregelung, welche für den Fall eines bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes vollzogenen Fachrichtungswechsels die alte Rechtslage fortgeschrieben hätte, war der Gesetzgeber daher von Verfassungs wegen nicht gehalten.
Die Umstellung auf eine Förderung durch Bankdarlehen gemäß § 18 c BAföG stellt auch keine Preisgabe der Studienförderung als einer Sozialleistung dar, wie die Vorinstanz insbesondere unter Hinweis auf die gesetzlichen Regelungen für den Zinssatz und die Rückzahlungsbedingungen zutreffend ausgeführt hat (S. 26 ff. des Urteils). Ob der Gesetzgeber dabei die Situation in jeder Hinsicht zutreffend eingeschätzt und die einzelnen Sparmaßnahmen ausgewogen vorgenommen hat, entzieht sich richterlicher Nachprüfung (vgl. BVerfG, Beschluß vom 14. Oktober 1997 – 1 BvL 5/93 – ≪a.a.O. S. 974≫).
Der Rechtsschutz der Betroffenen wird durch die Darlehensförderung gemäß § 18 c BAföG auch nicht in unzumutbarer Weise erschwert. Sie können – wie der Kläger im vorliegenden Verfahren – eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung ihrer Förderungsansprüche erreichen und bei Streit über das Darlehen Rechtsschutz vor den Zivilgerichten in Anspruch nehmen. Der Umstand, daß die Gerichtskostenfreiheit gemäß § 188 Satz 2 VwGO für den Zivilrechtsweg nicht gilt, begründet keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzliche Regelung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Säcker, Schmidt, Dr. Franke
Fundstellen
FamRZ 1998, 1207 |
NVwZ 1999, 75 |
WissR 1999, 100 |
ZfSH/SGB 2001, 245 |
DVBl. 1998, 1141 |
NWVBl. 1999, 17 |