Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Urteil vom 14.01.2003; Aktenzeichen 4 L 4/95) |
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 14. Januar 2003 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Beschwerde abgelehnt (§ 166 VwGO, § 114 ZPO).
Die auf Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrundes aus § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Soweit die Beschwerde (unter 1. der Beschwerdebegründung) einen Verstoß gegen “die richterliche Aufklärungspflicht bzw. Hinweispflicht nach § 86 Abs. 1, Abs. 3 VwGO” rügt, ist der behauptete Verfahrensmangel nicht schlüssig dargetan.
Für eine Verletzung der gerichtlichen Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 VwGO hätte die Beschwerde darlegen müssen, dass sich dem Oberverwaltungsgericht – auch ohne ein Hinwirken des anwaltlich vertretenen Klägers auf eine entsprechende Ermittlung, insbesondere durch Stellung eines Beweisantrags – eine Aufklärung des Sachverhalts (mit welchen Beweismitteln und welchem für den Kläger entscheidungserheblich günstigen Beweisergebnis) hätte aufdrängen müssen. Hierfür lässt sich der Beschwerde nichts entnehmen. Sie begnügt sich mit der Wiedergabe der vom Oberverwaltungsgericht für seine Würdigung des Vorbringens gegebenen Begründung und rügt lediglich, dass dem Kläger “nie ein Hinweis gegeben worden” sei, dass sein Vortrag zu unsubstantiiert sei und dass das Oberverwaltungsgericht bei der Anhörung des Klägers in der Berufungsverhandlung “keine einzige Frage zu diesem Punkt gestellt” habe. Damit lässt sich der behauptete Aufklärungsmangel nicht begründen.
Auch eine Verletzung der verfahrensrechtlichen Hinweispflicht des Gerichts nach § 86 Abs. 3 VwGO ist mit diesem Vorbringen nicht dargetan. Die Beschwerde übersieht insoweit, dass auch § 86 Abs. 3 VwGO dem Gericht grundsätzlich weder eine umfassende Erörterung aller entscheidungserheblichen Gesichtspunkte abverlangt noch es dazu verpflichtet, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinzuweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt (stRspr des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. etwa Beschluss vom 28. Dezember 1999 – BVerwG 9 B 467.99 – Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 51 m.w.N.). Dies gilt auch für den Tatsachenvortrag des Asylbewerbers, der selbst für die Darlegung seiner Asylgründe verantwortlich ist. Das Gericht kann deshalb zu Lasten des Asylbewerbers berücksichtigen, dass dieser unter Verletzung der ihn treffenden Mitwirkungspflicht seine guten Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung nicht in schlüssiger Form vorträgt. Fehlt es an einem solchen Sachvortrag, kann das Gericht verfahrensfehlerfrei nicht nur von einer weiteren Sachaufklärung, sondern regelmäßig auch von einem entsprechenden Hinweis nach § 86 Abs. 3 VwGO absehen. Denn die Hinweispflicht dispensiert den Asylbewerber nicht von der Obliegenheit, dem Gericht eine in sich stimmige Schilderung seines behaupteten Verfolgungsschicksals zu geben. Die Hinweispflicht dient nämlich nicht der Auffüllung von Lücken und Defiziten im Vorbringen des Asylbewerbers, sondern der Unterstützung des Asylbewerbers bei der Wahrnehmung seiner Mitwirkungspflicht (vgl. den Beschluss vom 28. Dezember 1999 a.a.O.). Besondere Umstände, die im Berufungsverfahren eine Hinweispflicht hätten begründen können, sind nicht vorgetragen und ersichtlich. Für eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge fehlt es hier außerdem an der Darlegung, in welcher Weise im Einzelnen der Kläger nach einem entsprechenden Hinweis seinen Vortrag “präzisiert” hätte und inwiefern aus dem ergänzten Vortrag auf das Fehlen von Verfolgungssicherheit an dem vom Oberverwaltungsgericht angenommenen Ort einer inländischen Fluchtalternative – auch unter Berücksichtigung der Ausführungen im Berufungsurteil zu der vom Kläger früher bereits gleichsam erprobten Sicherheit in Istanbul – hätte geschlossen werden können. Die ferner mit der Beschwerde noch geltend gemachten neuen Tatsachen, die in der Türkei lebenden Brüder des Klägers seien “sogar mehrfach bis in die jüngste Zeit festgenommen worden”, dürfen vom Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht nicht berücksichtigt werden (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO).
Die Beschwerde macht ferner eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend, weil das Oberverwaltungsgericht den Verfolgungsvortrag im “schriftlichen Statement” vom 27. August 1992, dass der Kläger 1988 23 Tage illegal inhaftiert gewesen sei, im Berufungsurteil “nicht berücksichtigt” habe. Das ergebe sich daraus, dass “das Statement und die dort enthaltenen Angaben im ansonsten sehr ausführlichen Tatbestand nicht erwähnt” würden und dass auch in den Entscheidungsgründen auf diese Inhaftierung “mit keinem Wort eingegangen” werde. Auch damit wird der behauptete Verfahrensrechtsverstoß nicht schlüssig dargelegt. Das folgt zum einen daraus, dass aus dem Schweigen der Urteilsgründe zu Einzelheiten des Parteivortrags allein noch nicht der Schluss gezogen werden kann, das Gericht habe diese nicht zur Kenntnis genommen oder in Erwägung gezogen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte brauchen nicht jedes Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden; nur wenn sich aus den besonderen Umständen des Falles deutlich ergibt, dass ein Gericht seine Pflicht zur Kenntnisnahme und Erwägung entscheidungserheblichen Tatsachenstoffs verletzt hat, kann ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG im Einzelfall festgestellt werden (vgl. etwa Beschluss vom 5. Februar 1999 – BVerwG 9 B 797.98 – unter Bezugnahme auf BVerfGE 96, 205, 216 f. – Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4). Dass diese Voraussetzungen hier vorliegen, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Zum anderen trifft es auch nicht zu, dass das Oberverwaltungsgericht das so genannte Statement im Tatbestand des Urteils nicht erwähnt hat. Auf die vom Kläger beim Bundesamt eingereichte schriftliche Asylbegründung vom August 1992 hat das Oberverwaltungsgericht vielmehr – wenn auch in anderem Zusammenhang – Bezug genommen (UA S. 7 letzter Absatz). Auch deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Berufungsgericht den seinerzeitigen Verfolgungsvortrag nicht berücksichtigt hat. Es kommt hinzu, dass das Berufungsgericht den Vortrag des Klägers zu dessen Vorfluchtgründen seiner rechtlichen Würdigung ausdrücklich als glaubhaft zugrunde gelegt und “die von ihm erlittenen und im Einzelnen beschriebenen Maßnahmen der Folter und Unterdrückung” berücksichtigt hat (UA S. 9). Unter diesen Umständen ist daher davon auszugehen, dass das Oberverwaltungsgericht das als übergangen gerügte Vorbringen zur Kenntnis genommen und verwertet hat. Außerdem ist nicht erkennbar, inwiefern das Oberverwaltungsgericht – die Auffassung der Beschwerde als zutreffend unterstellt – zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, wenn es zusätzlich zu den erwähnten, als wahr zugrunde gelegten Verfolgungshandlungen noch eine weitere Inhaftierung berücksichtigt hätte, nachdem es eine zur Anwendung des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabs bei der Rückkehrgefährdung führende Vorverfolgung aus anderen Gründen (der bereits damals bestehenden inländischen Fluchtalternative) ausgeschlossen hat. Auch darauf geht die Beschwerde nicht – wie hier erforderlich gewesen wäre – ein.
Entsprechendes gilt für die weitere Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dadurch, dass das Oberverwaltungsgericht den Vortrag des Klägers “bezüglich der Tätigkeit seines Bruders M.… in Deutschland außer acht gelassen” habe. Ungeachtet ihrer weiteren Darlegungsmängel geht die Rüge fehl. Das Berufungsgericht hat im Tatbestand ausdrücklich auf den entsprechenden Vortrag des Klägers Bezug genommen, “sein Bruder M.… sei drei Jahre lang Vorsitzender des Kulturvereins gewesen” (UA S. 7 letzter Absatz).
Schon deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Berufungsgericht diesen Sachvortrag nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83b Abs. 2 AsylVfG.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Hund, Richter
Fundstellen