Verfahrensgang
VG Magdeburg (Aktenzeichen 8 K 135/98) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 19. Januar 1999 wird aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht der Klage gegen einen zugunsten der Beigeladenen ergangenen Rehabilitierungsbescheid des Beklagten stattgegeben. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision macht unter anderem als Verfahrensfehler die Verletzung von § 74 Abs. 1 VwGO in dem angefochtenen Urteil geltend.
Das Verwaltungsgericht hat die zutreffend an das Verwaltungsgericht adressierte, aber per Fax am 13. Februar 1998 bei dem Landgericht Magdeburg eingegangene Klage mit der Begründung als fristgerecht erhoben angesehen, die – versehentliche – Einreichung der Klage bei einem sachlich unzuständigen Gericht stehe der Einhaltung der Klagefrist nicht entgegen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Soweit die Beschwerde auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützt ist, ist sie allerdings unbegründet. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur, wenn zu erwarten ist, daß die Revisionsentscheidung dazu beitragen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die weitere Entwicklung des Rechts zu fördern. Die grundsätzliche Bedeutung muß gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO in der Beschwerdeschrift dargelegt werden. Das ist hier nicht in der gebotenen Weise geschehen. Der Vortrag des Beklagten erschöpft sich in der Ausbreitung von Gründen, aus denen sich die Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils ergeben soll. Angriffe gegen die Rechtsauffassung der Vorinstanz ersetzen aber nicht die Darlegung eines Grundes für die Zulassung der Revision. Der Beklagte verkennt damit den prinzipiellen Unterschied zwischen der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde und derjenigen einer zugelassenen Revision. Die grundsätzliche Bedeutung ist nur dann ordnungsgemäß dargelegt, wenn die Beschwerde eine bestimmte, nicht nur den Einzelfall betreffende Rechtsfrage des revisiblen Rechts herausgearbeitet hat, die höchstrichterlich noch nicht geklärt und für das erstrebte Revisionsverfahren entscheidungserheblich ist. Eine solche Frage weist die Beschwerdebegründung nicht auf.
2. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Urteil ist, soweit sie auf den Verfahrensmangel gestützt ist (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), zulässig und begründet. Der Senat macht daher von der Entscheidungsmöglichkeit nach § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch.
Das Verwaltungsgericht geht – wie die Beschwerde zu Recht rügt – unrichtig davon aus, die Frist des § 74 Abs. 1 VwGO sei hier durch die rechtzeitige Einbringung der Klageschrift bei dem unzuständigen Landgericht gewahrt worden. Das Verwaltungsgericht verkennt bei seiner Entscheidung, daß durch den Eingang einer Klageschrift bei einem unzuständigen Gericht die Klagefrist nur gewahrt wird, wenn die Schrift gerade an dieses Gericht adressiert war. Fallen – wie hier – das Gericht, an das die Klage gerichtet war, und das, bei dem sie eingeht, auseinander, ist die Prozeßvoraussetzung des § 74 Abs. 1 VwGO nur gewahrt, wenn die Klageschrift noch innerhalb der Frist auch beim angerufenen Gericht eingeht (vgl. u.a. Beschluß vom 5. Februar 1960 – BVerwG IV C 34.60 – Buchholz 427.3 § 339 LAG Nr. 96 S. 120 und OVG Münster, Beschluß vom 29. August 1995 – 25 A 4760/95.A – NJW 1996, 334; ebenso die einhellige Auffassung in der Literatur, z.B. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO-Kommentar § 74 Rn. 36; Sodan/Ziekow, Kommentar zur VwGO, § 74 Rn. 37 sowie auch Redeker/von Oertzen, 12. Aufl. 1997, § 74 Rn. 4, und Kopp/Schenke, VwGO 11. Aufl. § 74 Rn. 8; die letzteren werden in dem angefochtenen Urteil unrichtig für eine andere Meinung zitiert). Für die Rechtzeitigkeit des Eingangs eines fristwahrenden Schriftstücks ist entscheidend, daß es innerhalb der Frist tatsächlich in die Verfügungsgewalt des betreffenden Gerichts gelangt (vgl. BVerfG, Beschluß vom 7. Mai 1991 – 2 BvR 215/90– NJW 1991, 2076; BGH, Beschluß vom 28. Januar 1992 – X ZB 17/91 – NJW 1992, 1047). Damit ist das Gericht gemeint, an das der Schriftsatz gerichtet ist und als angerufenes Gericht tätig zu werden hat (vgl. OVG Münster, Beschluß vom 29. August 1995 – 25 A 4760/95.A – a.a.O.). Wie sich aus den Gerichtsakten, auf die das angegriffene Urteil Bezug nimmt, ergibt, ist die Klageschrift erst am 17. Februar 1998 – und somit verspätet – beim Verwaltungsgericht eingegangen.
Die Klagefrist ist also versäumt. Dies muß zur Verwerfung der Klage führen, falls nicht dem Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin vom 11. März 1998 stattgegeben wird.
Die Kostenentscheidung war der Schlußentscheidung vorzubehalten.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel
Fundstellen
Haufe-Index 567490 |
SGb 2001, 244 |