Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Aktenzeichen 11 L 4777/99) |
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. September 2001 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Dem Kläger kann die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Divergenz und von Verfahrensmängeln (§ 132 Abs. 2 VwGO) nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise darlegt.
Eine solche Darlegung setzt im Hinblick auf den Zulassungsgrund der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. etwa Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.
Als grundsätzlich bedeutsam wirft die Beschwerde zunächst die Frage auf, ob einem Asylfolgeantrag entgegengehalten werden kann, dass die neuen Beweismittel, auf die er sich stützt, erst nach Ablauf der Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG vorgelegt worden sind, wenn im Laufe dieses Asylfolgeverfahrens auf Anfrage des Gerichts bei den Heimatbehörden neue Dokumente vorgelegt werden, aus denen sich eine Verfolgungsgefahr ergeben kann und sich der Asylbewerber hierauf bezieht (Beschwerdebegründung S. 4). Es kann dahinstehen, ob damit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen wird, denn sie kann jedenfalls deshalb nicht zur Zulassung der Revision führen, weil sie nur für eine von mehreren das angefochtene Urteil jeweils selbständig tragenden Begründungen entscheidungserheblich ist. In einem solchen Fall kumulativer Mehrfachbegründung kann der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nur stattgegeben werden, wenn im Hinblick auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr des BVerwG; vgl. Pietzner in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 132 Rn. 53 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Das Berufungsgericht hat den Asylfolgeantrag des Klägers nicht nur deshalb abgelehnt, weil der Kläger die Unterlagen aus den Jahren 1992/94 nicht binnen drei Monaten seit Kenntnisnahme des Wiederaufgreifensgrundes (§ 71 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 3 VwGO) vorgelegt hat (UA S. 12), sondern unabhängig hiervon auch deshalb, weil ihm bei der Rückkehr in die Türkei die Gefahr politischer Verfolgung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohe (UA S. 13 ff.) und zudem auch deshalb, weil dem begehrten Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG der Ausschlussgrund des § 51 Abs. 3 2. Alternative AuslG entgegenstehe (UA S. 17 f.). Gegen die beiden zusätzlich genannten Begründungen macht die Beschwerde keine durchgreifenden Revisionszulassungsgründe geltend.
Die zweite von der Beschwerde aufgeworfene Grundsatzfrage, ob einem türkischen Kurden, dessen Fingerabdrücke in den Interpol-Ankara zugänglichen daktyloskopischen Sammlungen wegen Unterstützung der Terrororganisation PKK befindlich sind, politische Verfolgung aus den in der Beschwerde näher genannten Gründen auch dann droht, wenn Interpol-Ankara davon ausgeht, dass der Betroffene in einem früheren Strafverfahren aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurde (Beschwerdebegründung S. 6), zielt nicht auf eine Rechts- sondern auf eine Tatsachenfrage. Deren Klärung und Bewertung ist den Tatsachengerichten vorbehalten. Eine solche Frage, die hier zudem in hohem Maße am Einzelfall orientiert ist, kann ebenso wenig wie die Hinweise der Beschwerde auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Beschwerdebegründung S. 6 ff.), mit denen sie sich gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts wendet, zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache führen.
Die Beschwerde macht weiter als grundsätzlich klärungsbedürftig im Hinblick auf § 51 Abs. 3 AuslG geltend, ob es insbesondere bei Ersttätern, die kurz nach ihrer Einreise straffällig geworden seien, für die Annahme einer konkreten Wiederholungsgefahr ausreiche, lediglich auf die fehlende Integration, die fehlenden deutschen Sprachkenntnisse und die bestehenden sozialen Bindungen abzustellen (Beschwerdebegründung S. 9). Eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung kommt dieser auf die konkrete Situation des Klägers abstellenden Frage nicht zu. Zudem sind die Voraussetzungen für die Annahme einer Wiederholungsgefahr im Sinne des § 51 Abs. 3 2. Alternative AuslG in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts rechtsgrundsätzlich geklärt (vgl. zuletzt Urteil vom 16. November 2000 – BVerwG 9 C 6.00 – BVerwGE 112, 185 ff. m.w.N.). Einen erneuten oder darüber hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.
Die Beschwerde hält weiterhin verschiedene Fragen nach den Voraussetzungen für die Annahme einer unmittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung für klärungsbedürftig (Beschwerdebegründung S. 11 bis 14), legt aber nicht dar, dass diese Fragen sich in dem angestrebten Revisionsverfahren stellen würden. Dafür ist auch nichts ersichtlich, denn das Berufungsgericht lässt unter Verweis auf seine ständige Rechtsprechung ausdrücklich offen, ob die im Südosten der Türkei lebenden kurdischen Volkszugehörigen einer regionalen oder örtlich begrenzten Gruppenverfolgung unterliegen, da für sie zumindest im Westen der Türkei eine inländische Fluchtalternative bestehe (UA S. 17). Im Übrigen sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Voraussetzungen für die Annahme einer unmittelbaren Gruppenverfolgung rechtsgrundsätzlich geklärt. Dies wurde vom Senat zu entsprechenden, vom Prozessbevollmächtigten des Klägers in anderen Beschwerdeverfahren erhobenen Grundsatzrügen bereits mehrfach im Einzelnen ausgeführt. Hierauf wird Bezug genommen (vgl. etwa Beschlüsse vom 11. November 1998 – BVerwG 9 B 819.98 –, vom 5. November 1998 – BVerwG 9 B 821.98 – und vom 29. Oktober 1998 – BVerwG 9 B 864.98 –). Auch insofern legt die Beschwerde keinen weitergehenden oder neuen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf dar.
Die Verfahrensrüge, mit der die Beschwerde einen Gehörsverstoß geltend macht, weil das Berufungsgericht ordnungsgemäß gestellte Beweisanträge zu Unrecht abgewiesen habe (Beschwerdebegründung S. 14 f.), genügt nicht den Bezeichnungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Beschwerde legt in keiner Weise dar, um welche Beweisanträge es sich dabei gehandelt haben soll und inwieweit deren Ablehnung auf das Ergebnis in der Sache von Einfluss gewesen sein konnte. Auch der weiter geltend gemachte Verfahrensmangel einer unzulässigen Überraschungsentscheidung ist nicht ausreichend dargelegt. Selbst wenn die Vertreterin der Beklagten in dem Termin zur mündlichen Verhandlung auch, wie die Beschwerde behauptet, ausgeführt haben sollte, dass angesichts der Auskünfte von Interpol von einer Gefährdung des Klägers im Falle seiner Rückkehr auszugehen sei (Beschwerdebegründung S. 15), konnte dies kein berechtigtes Vertrauen des Klägers darauf begründen, dass ihm zumindest Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG gewährt würde. Das Gericht braucht die Beteiligten regelmäßig nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Sachverhalts hinzuweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung grundsätzlich erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 10. Dezember 1998 – BVerwG 9 B 55.98 – und Urteil vom 13. Mai 1976 – BVerwG 2 C 26.74 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 87).
Schließlich legt die Beschwerde auch nicht die geltend gemachte Divergenz des angefochtenen Urteils zu der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. November 2000 – BVerwG 9 C 6.00 – (BVerwGE 112, 185 = InfAuslG 2001, 194) den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dar (Beschwerdebegründung S. 15, 10). Sie benennt nicht, wie geboten (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – a.a.O.), einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz, mit dem das Berufungsgericht bei seinen Ausführungen zu § 51 Abs. 3 AuslG einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten eben solchen Rechtssatz widersprochen hat. Dies ist im Übrigen auch in der Sache nicht der Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 83 b Abs. 2 AsylVfG a.F.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Dr. Mallmann, Dr. Eichberger
Fundstellen