Verfahrensgang
VG Gera (Urteil vom 22.04.1997; Aktenzeichen 3 K 463/95) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 22. April 1997 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 200 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Kläger, niederländische Staatsangehörige, beanspruchen die Rückgabe eines Hausgrundstücks nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz – VermG). Das Verwaltungsgericht hat die Klage unter Hinweis auf den Restitutionsausschlußgrund des redlichen Erwerbs (§ 4 Abs. 2 VermG) abgewiesen; die Kläger müßten sich die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz Buchst. a VermG entgegenhalten lassen, die durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz – 2. VermRÄndG – vom 14. Juli 1992 (BGBl I S. 1257) in das Vermögensgesetz eingefügt worden sei und nach Art. 14 Abs. 4 Satz 1 dieses Gesetzes auch auf sie Anwendung finde.
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die als Revisionszulassungsgrund geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
1. Die Kläger wollen als grundsätzlich bedeutsam geklärt wissen, ob sich der durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz für ausländische Antragsteller bewirkte Verlust eines zuvor bestehenden Restitutionsanspruchs als eine Entziehung des Eigentums im Sinne des Art. 1 Abs. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten – EMRK – (BGBl II 1956 S. 1879) darstellt. Diese Frage kann jedoch die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen, weil sie auf der Grundlage der Rechtsprechung des beschließenden Senats ohne weiteres zu verneinen ist.
Nach dieser Rechtsprechung (vgl. BVerwGE 98, 147 ≪150 f.≫) steht der Restitutionsanspruch nach dem Vermögensgesetz nicht unter dem Schutz der innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG); er dient vielmehr ausschließlich der Wiedergutmachung erlittenen Unrechts, die ihre Wurzeln im Rechts- und Sozialstaatsprinzip hat. Da die Restitution nicht unmittelbar auf einer eigenen Leistung des Berechtigten, sondern auf staatlicher Gewährung beruht, setzt der Schutz der Eigentumsgarantie erst dann ein, wenn der jeweilige Vermögensgegenstand in Erfüllung des Anspruchs an den Berechtigten zurückübertragen ist. Bis zu diesem Zeitpunkt kann der Berechtigte lediglich kraft öffentlichen Rechts vom Staat die Durchführung der Wiedergutmachung verlangen. Die von der Beschwerde angeführte gesetzliche Übertragbarkeit des Anspruchs (§ 3 Abs. 1 Satz 2 VermG) prägt nicht sein Wesen.
Ebensowenig kann sich der Inhaber eines vermögensrechtlichen Rückübertragungsanspruchs auf den Schutz des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK berufen. Wie sich aus der Rechtsprechung der Konventionsorgane ergibt, kommt dieser Schutz bei öffentlich-rechtlichen Ansprüchen ähnlich wie der des Art. 14 GG nur unter besonderen Voraussetzungen, nämlich insbesondere dann in Betracht, wenn der Anspruch auf einer eigenen Leistung des Anspruchsberechtigten beruht (vgl. Peukert in Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 2. Aufl. 1996, Art. 1 des 1. ZP, Rn. 10 ff.; Gelinsky, Der Schutz des Eigentums gemäß Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, Berlin 1996, S. 29 ff., jeweils m.w.N.). Dies trifft, wie soeben festgestellt, auf den vermögensrechtlichen Rückübertragungsanspruch nicht zu. Auch im übrigen ist kein Grund dafür ersichtlich, diesen Anspruch unter dem Gesichtspunkt des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK anders zu behandeln als nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Soweit sich die Europäische Menschenrechtskommission mit öffentlich-rechtlichen Ansprüchen befaßt hat, die aus einem früheren Eigentumsverlust abgeleitet wurden, war der Charakter dieser Ansprüche als Eigentum nicht entscheidungserheblich; vielmehr hat die Kommission ohne nähere Beschäftigung mit dieser Frage eine Verletzung des Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK aus anderen Gründen verneint (vgl. Entscheidungen vom 14. Oktober 1977 – Nr. 7694/76 – D.R. 12, 131 ≪133 f., 137 f.≫ und vom 4. Juli 1978 – Nr. 7742/76 – D.R. 14, 146 ≪156 ff., 168 f.≫; verbundene Entscheidung vom 16. Juli 1976 – Nr. 5573/72 und Nr. 5670/72 – D.R. 7, 8 ≪20 ff., 41 ff.≫).
2. Aus entsprechenden Gründen kann den Klägern auch nicht in der Annahme gefolgt werden, das Urteil des Verwaltungsgerichts stehe in Widerspruch zu allgemeinen Regeln des Völkerrechts (Art. 25 GG). Denn der völkerrechtliche Begriff des Eigentums stimmt mit dem des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK überein (vgl. Peukert a.a.O. Rn. 4).
3. Schließlich ist die Revision nicht zur Klärung der weiteren von den Klägern aufgeworfenen Frage zuzulassen, ob es sich bei der Entschädigung, die das Gesetz über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Entschädigungsgesetz – EntschG) für ausländische Antragsteller in der Situation der Kläger vorsieht, um eine adäquate, prompte und effektive Entschädigung im Sinne des Völkerrechts handelt. Da die Kläger durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz nicht in ihrem völkerrechtlich geschützten Eigentum betroffen worden sind, würde sich diese Frage in einem Revisionsverfahren nicht stellen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Franßen, Dr. Bardenhewer, Herbert
Fundstellen