Leitsatz (amtlich)

Sicherheitsüberprüfungen finden von Amts wegen und nur für den Fall statt, dass ein Soldat mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut worden ist oder betraut werden soll. Ein mit einem Verpflichtungsbegehren durchsetzbarer Rechtsanspruch auf Durchführung einer Sicherheitsüberprüfung besteht infolgedessen nicht.

Die bloße Ankündigung der Restschuldbefreiung und die Aufhebung des Insolvenzverfahrens durch das Insolvenzgericht stellen noch keinen ausreichenden Grund dar, vor Ablauf der Laufzeit der insolvenzrechtlichen Abtretungserklärung ein rechtskräftig abgeschlossenes und im Wesentlichen auf die gerichtlich festgestellte Zahlungsunfähigkeit gestütztes Sicherheitsüberprüfungsverfahren im Ermessenswege wiederaufzugreifen.

 

Normenkette

SÜG § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, § 17 Abs. 2; VwVfG § 51 Abs. 1-2; InsO §§ 200, 291, 295ff., §§ 300, 303

 

Tenor

Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung blieb erfolglos.

 

Tatbestand

Der Antragsteller ist Berufssoldat im Dienstgrad eines Oberstleutnants. Im September 2000 stellte der Geheimschutzbeauftragte beim Bundesministerium der Verteidigung (GB/BMVg) im Rahmen einer erweiteren Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen fest, dass aufgrund der gerichtlich festgestellten Zahlungsunfähigkeit des Antragstellers, seiner irreführenden Angaben über Unterhaltszahlungen und sonstige Verpflichtungen sowie der strafgerichtlichen Ahndung einer Trunkenheitsfahrt ein Sicherheitsrisiko bestehe. Den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Senat mit Beschluss vom 30. Januar 2001 – BVerwG 1 WB 119.00 – zurückgewiesen.

Nachdem das Insolvenzgericht dem Antragsteller die Restschuldbefreiung nach Ablauf von fünf Jahren angekündigt und das Insolvenzverfahren aufgehoben hatte, beantragte dieser, ihm einen Sicherheitsbescheid zu erteilen. Der GB/BMVg lehnte ein Wiederaufgreifen des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens vor Ablauf der Laufzeit der insolvenzrechtlichen Abtretungserklärung ab.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag des Antragstellers, das rechtskräftig abgeschlossene Sicherheitsüberprüfungsverfahren wiederaufzugreifen, ist zulässig (Beschluss vom 9. Dezember 1999 – BVerwG 1 WB 64.99 – ≪Buchholz 402.8 § 17 Nr. 1 = ZBR 2000, 129 = NZWehrr 2000, 158≫), kann aber in der Sache keinen Erfolg haben.

Sicherheitsüberprüfungen finden von Amts wegen und nur für den Fall statt, dass ein Soldat mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden soll oder betraut worden ist (vgl. § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, § 17 Abs. 2 SÜG). Ein mit einem Verpflichtungsantrag durchsetzbarer Anspruch auf Durchführung einer Sicherheitsüberprüfung besteht infolgedessen nicht. Der vom Antragsteller ursprünglich gestellte Antrag auf Neuerteilung eines Sicherheitsbescheides ist deshalb als Antrag auf Wiederaufgreifen des mit Beschluss vom 30. Januar 2001 – BVerwG 1 WB 119.00 – (Buchholz 402.8 § 5 Nr. 10 = NVwZ-RR 2001, 520 = DVBl 2001, 1072) rechtskräftig abgeschlossenen Sicherheitsüberprüfungsverfahrens zu werten (vgl. Beschluss vom 9. Dezember 1999 – BVerwG 1 WB 64.99 – ≪a.a.O.≫).

Dieses Begehren hat der GB/BMVg ohne Rechtsverstoß abgelehnt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind Vorgesetzte grundsätzlich berechtigt, unanfechtbar gewordene Maßnahmen zu Gunsten des Soldaten zu ergänzen, zu ändern oder wiederaufzugreifen. Ein Antrag auf Wiederaufgreifen eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens setzt allerdings – entsprechend dem Rechtsgedanken des § 51 Abs. 1 VwVfG – voraus, dass sich die der unanfechtbaren Entscheidung zu Grunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zu Gunsten des Betroffenen geändert hat oder neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (vgl. Beschlüsse vom 25. April 1974 – BVerwG 1 WB 66.73 – ≪BVerwGE 46, 251 [ff.]≫, vom 27. Juli 1993 – BVerwG 1 WB 97.92 –, vom 9. November 1994 – BVerwG 1 WB 35.94 –, vom 22. März 1995 – BVerwG 1 WB 2.95 – und vom 19. März 1996 – BVerwG 1 WB 84.95 – ≪Dok Ber B 1996, 269≫). Ein Wiederaufgreifensantrag zu Gunsten des Betroffenen ohne eine Änderung der Sach- und Rechtslage kommt in eng begrenzten Ausnahmefällen nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände dem Vorgesetzten Anlass geben, die bestandskräftig gewordene Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu ändern oder aufzuheben (Beschlüsse vom 25. April 1974 – BVerwG 1 WB 66.73 – ≪a.a.O. S. 254≫ und vom 11. April 1975 – BVerwG 1 WB 3.74 – ≪BVerwGE 53, 12 [14]≫). Dem Soldaten steht insoweit nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung zu (Beschlüsse vom 11. April 1975 – BVerwG 1 WB 3.74 – ≪a.a.O.≫ und vom 9. Dezember 1999 – BVerwG 1 WB 64.99 – ≪a.a.O.≫).

Die Entscheidung des GB/BMVg, die Ankündigung der Restschuldbefreiung (§ 291 InsO) und die Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 200 InsO) durch das Insolvenzgericht als nicht ausreichend anzusehen, um die im Bescheid vom 4. September 2000 getroffene Feststellung über das Bestehen eines Sicherheitsrisikos zu überprüfen, lässt keine Ermessensfehler erkennen. Auch die Auffassung, dass eine sicherheitsmäßige Bewertung des finanziellen Verhaltens des Antragstellers erst nach Ablauf der Laufzeit der Abtretungserklärung (§ 295 InsO i.V.m. § 107 EGInsO) und der Entscheidung des Insolvenzgerichts über die abschließende Restschuldbefreiung (§ 300 Abs. 1 InsO) möglich sei, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Die rechtskräftig festgestellten Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers gründen sich nicht nur auf die Höhe der von ihm verursachten Schulden, sondern vor allem auf die Umstände, die zu seiner Zahlungsunfähigkeit geführt haben, und auf seine widersprüchlichen Angaben zu seinen Unterhalts- und sonstigen Zahlungsverpflichtungen sowie schließlich auf die strafgerichtlich geahndete Trunkenheitsfahrt. Diese Zweifel werden durch die im Rahmen des Insolvenzverfahrens ergangenen Gerichtsbeschlüsse nicht entkräftet.

Die Durchführung des Insolvenzverfahrens beweist lediglich, dass der Antragsteller gewillt ist, seine finanziellen Verhältnisse zu ordnen. Hingegen kann eine zuverlässige Einschätzung, wie er sich zukünftig in finanziellen Angelegenheiten und in seinem wirtschaftlichen Gebaren verhalten wird, insbesondere nicht daraus gewonnen werden, dass ein gerichtlich bestellter Treuhänder seine Gläubiger aus dem seiner Verfügungsbefugnis entzogenen Teil der Bezüge anteilmäßig befriedigt. Abgesehen davon, dass die Insolvenzgläubiger für den Fall einer Restschuldbefreiung auf einen großen Teil ihrer ursprünglichen Forderungen auf Dauer verzichten müssten, lässt sich eine hinreichend sichere Bewertung des finanziellen Verhaltens des Antragstellers erst aus der Prüfung gewinnen, wie er die ihm derzeit verbleibenden Mittel verwendet und ob er die sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen für eine Restschuldbefreiung erfüllt, über die das Insolvenzgericht erst im September 2006 zu entscheiden hat. Bereits aus den vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen (Nrn. 7 und 8 des Merkblattes über das Verfahren zur Restschuldbefreiung) sowie aus §§ 296 bis 298, 300, 303 InsO ergibt sich, dass diese insolvenzgerichtliche Entscheidung erst nach erneuter Anhörung der Insolvenzgläubiger und nach Prüfung der Einhaltung der insolvenzrechtlichen Obliegenheiten des Antragstellers erfolgt und sowohl versagt (§ 303 Abs. 2 InsO) als auch bei vorsätzlichen Verstößen gegen insolvenzrechtliche Verpflichtungen widerrufen werden kann (§ 303 Abs. 1 InsO). In diesen Fällen bleiben die Schulden in vollem Umfang weiter bestehen.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine endgültige Restschuldbefreiung nicht schon deshalb vor, weil er im öffentlichen Dienst beschäftigt ist. Ferner stellen ausreichend vorhandene finanzielle Mittel für den persönlichen Bedarf keinen hinreichenden Anhaltspunkt für ein künftiges, sicherheitsrechtlichen Anforderungen entsprechendes Verhalten des Antragstellers dar. Auch die Geldmittel, die ihm als Abgeordnetem des Deutschen Bundestages zur Verfügung standen, haben seine Verschuldung nicht zu verhindern vermocht. Es ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der GB/BMVg davon ausgeht, dass eine neuerliche, sachlich begründete prognostische Bewertung des sicherheitsrelevanten Verhaltens des Antragstellers erst vorgenommen werden kann, wenn zumindest bis zum Ablauf der so genannten Wohlverhaltensphase erkennbar wird, dass er sich hinsichtlich seines wirtschaftlichen Gebarens nachhaltig von seriösen Maßstäben leiten lässt.

Auch das Vorbringen des Antragstellers, dass sowohl seine frühere als auch seine jetzige Ehefrau wirtschaftlich von ihm unabhängig seien und dass Soldaten, die sich nach einer Trennung von ihrem Ehepartner hohen Unterhaltsverpflichtungen gegenübersähen, den Entzug des Sicherheitsbescheides nicht hätten hinnehmen müssen, rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung. Ungeachtet dessen, dass der Antragsteller aus einer rechtswidrigen Handhabung des Ermessens des GB/BMVg keine Rechte für sich herleiten könnte (Urteil vom 10. Dezember 1969 – BVerwG 8 C 104.69 – ≪BVerwGE 34, 278 [282 ff.]≫; BVerfG, Beschluss vom 15. März 2000 – 1 BvL 16/96 u.a. – ≪BVerfGE 102, 68 [87]≫ m.w.N; stRspr), liegt hierin schon deshalb kein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, weil Art. 3 Abs. 1 GG lediglich gebietet, wesentlich Gleiches nicht ungleich und wesentlich Ungleiches nicht gleich zu behandeln. Dabei ist es grundsätzlich Sache des BMVg, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselben Rechtsfolgen knüpft, soweit er die Auswahl sachgerecht trifft. Seine Gestaltungsfreiheit endet erst dort, wo die Ungleichbehandlung der Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist (vgl. Beschlüsse vom 14. Januar 1975 – BVerwG 1 WB 62.74 – ≪BVerwGE 46, 361 [364 f.]≫, vom 24. Juni 1986 – BVerwG 1 WB 76.85, 80.86 – ≪NZWehrr 1987, 25 [f.]≫ und vom 14. März 1989 – BVerwG 1 WB 169.88 – ≪DokBer B 1989, 189≫), also willkürlich wäre. Da finanzielle Schwierigkeiten allein für die Feststellung des Bestehens eines Sicherheitsrisikos nicht ausreichen, fehlt es für einen am Gleichheitssatz orientierten Vergleich zwischen der Situation des Antragstellers und der eines Unterhaltspflichtigen infolge einer Ehescheidung schon in tatsächlicher Hinsicht an einer entsprechenden Vergleichsgrundlage.

Schließlich sind weder frühere dienstliche Beurteilungen des Antragstellers noch Aussagen von Referenzpersonen geeignet, begründete Zweifel an seiner Zuverlässigkeit zu entkräften. Soweit der Antragsteller vorträgt, dass die Maßstäbe des GB/BMVg für die Feststellung eines Sicherheitsrisikos nach Beendigung des “Kalten Krieges” nicht mehr den Gegebenheiten entsprächen, sind dies keine Gesichtspunkte, die er nicht bereits in dem mit Beschluss vom 30. Januar 2001 – BVerwG 1 WB 119.00 – ≪a.a.O.≫ rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren hätte geltend machen können, mit der Folge, dass er damit im vorliegenden Verfahren nicht mehr gehört werden kann (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 VwVfG). Dasselbe gilt, soweit er sich gegen die Wertung seiner Trunkenheitsfahrt im April 1998 wendet. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 30. Januar 2001 keine für den Antragsteller nachteiligen Schlussfolgerungen aus dem Umstand gezogen, dass er Alkohol konsumiert hat, sondern vielmehr daraus, dass er in alkoholisiertem Zustand am Straßenverkehr teilgenommen hat und damit ein gestörtes Verhältnis zur Rechtsordnung hat erkennen lassen.

 

Fundstellen

ZBR 2002, 323

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge