Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob allein der Ablauf eines im gerichtlichen Disziplinarverfahren verhängten Beförderungsverbots das Wiederaufgreifen eines abgeschlossenen Sicherheitsüberprüfungsverfahrens rechtfertigen kann.
Normenkette
SÜG § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, § 17; VwVfG § 51 Abs. 1
Tenor
Der Antragsteller, ein Berufssoldat im Dienstgrad Oberleutnant, beantragte nach Ablauf eines gegen ihn im gerichtlichen Disziplinarverfahren verhängten Beförderungsverbots, ein Sicherheitsüberprüfungsverfahren wieder aufzugreifen, welches der Geheimschutzbeauftragte des Streitkräfteamtes (GB/SKA) mit der Feststellung eines Sicherheitsrisikos abgeschlossen hatte.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung blieb erfolglos.
Gründe
Ein Anspruch des Soldaten auf Wiederaufgreifen eines bestandskräftig abgeschlossenen Verfahrens durch den Vorgesetzten setzt – entsprechend dem Rechtsgedanken des § 51 Abs. 1 VwVfG – voraus, dass sich die der unanfechtbaren Entscheidung zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat oder neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden, oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO vorliegen (Beschluss vom 16. Mai 2002 – BVerwG 1 WB 7.02 – ≪Buchholz 402.8 § 2 SÜG Nr. 2 = ZBR 2002, 323 [LS]≫ m.w.N.). Ansonsten liegt die Entscheidung darüber, ob eine Sache erneut aufgegriffen werden soll, im pflichtgemäßen Ermessen des zuständigen Vorgesetzten (Beschlüsse vom 11. April 1975 – BVerwG 1 WB 3.74 – ≪BVerwGE 53, 12 [14]≫ und vom 9. Dezember 1999 – BVerwG 1 WB 64.99 – ≪Buchholz 402.8 § 17 SÜG Nr. 1 = NZWehrr 2000, 158 = NVwZ 2000, 447 = ZBR 2000, 129≫). Dieses pflichtgemäße Ermessen verdichtet sich nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zugunsten des betroffenen Soldaten (vgl. Beschluss vom 16. Mai 2002 – BVerwG 1 WB 7.02 – ≪a.a.O.≫), dem grundsätzlich insoweit nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung zusteht, zu einer Pflicht zum Wiederaufgreifen. Das ist der Fall, wenn sich aus dem Zusammenhang mit anderen Rechtsvorschriften oder angesichts der besonderen Umstände des konkreten Falles ergibt, dass eine Aufrechterhaltung der bestandskräftigen Entscheidung schlechthin unerträglich wäre (vgl. – zum allgemeinen Verwaltungsrecht – Urteil vom 27. Januar 1994 – BVerwG 2 C 12.92 – ≪BVerwGE 95, 86 [92] = Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 31 = NVwZ 1995, 388≫).
…
Einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens hat der Antragsteller nicht dargetan.
Durchgreifende Gesichtspunkte zu einer nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage oder zu neuen Beweismitteln, die eine ihm günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden, sind dem Vortrag des Antragstellers ebenso wenig zu entnehmen wie Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 580 ZPO.
Das Ende des Beförderungsverbots im September 2003 stellt in diesem Sinne keine entscheidungsmaßgebliche neue Tatsache dar. Der Antragsteller hat seinen Wunsch nach Verkürzung der Fünfjahresfrist für die erneute Durchführung einer Sicherheitsüberprüfung (vgl. § 17 Abs. 1 SÜG) lediglich auf Gesichtspunkte gestützt, die er bereits im Sicherheitsüberprüfungsverfahren gegenüber dem GB/SKA vor Erlass der beanstandeten Entscheidung vom 13. März 2003 geltend gemacht hat. Der Antragsteller verkennt insoweit, dass das Bundesministerium des Innern aufgrund der Ermächtigung in § 35 Abs. 1 SÜG rechtsfehlerfrei festgelegt hat, dass die Entscheidung über das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos in der Regel für fünf Jahre gelte (Anlage 2 zum Runderlass des BMI vom 30. Mai 2002 – IS 2 – 606411 – 1/1 –, zu § 14 Abs. 3 SÜG). Hiermit übereinstimmend hat auch das Bundesministerium der Verteidigung – Fü S II 2 – im Sicherheitshinweis Nr. 10/99 vom 13. Juli 1999 angeordnet, dass die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in der Regel für fünf Jahre ausgehend vom Tag der Feststellung gelte. Der GB/SKA hat in seiner Entscheidung vom 13. März 2003 in Kenntnis der Dauer des verhängten Beförderungsverbots von einer Verkürzung der vorgesehenen Fünfjahresfrist abgesehen, weil er vornehmlich unter Berücksichtigung des Vorfalls am 15. Januar 2003 und des fortdauernden Bestreitens der – rechtskräftig festgestellten – Tat durch den Antragsteller zu der Einschätzung gekommen war, dass der Antragsteller in jüngster Zeit erneut gezeigt habe, dass auf ihn nicht jederzeit Verlass sei. Angesichts dessen ist nicht ersichtlich, dass eine neue Sach- oder Rechtslage eingetreten ist, die ein Abweichen von der Prognose einer erforderlichen Nachbewährung im Zeitraum von fünf Jahren gebietet.
Der Antragsteller hat auch kein neues Beweismittel vorgelegt, das eine günstigere Entscheidung als die angegriffene Feststellung des GB/SKA vom 13. März 2003 über das Bestehen eines Sicherheitsrisikos bewirkt haben würde.
Soweit er E… im Schreiben vom 23. Februar 2004 an den Senat als Zeuge dafür benennt, dass nicht er selbst am 30. Juni 1999 seinen Pkw geführt habe, legt er damit kein neues Beweismittel vor. Dieses Beweisangebot hatte er schon erfolglos in seinem Wiederaufnahmeantrag gegenüber dem Landgericht I. gemacht. Auch in seiner persönlichen Anhörung durch den GB/SKA hat sich der Antragsteller ausdrücklich auf E… als Fahrer des Fahrzeugs bezogen. Der GB/SKA ist in seiner Feststellung vom 13. März 2003, die entgegen der Auffassung des Antragstellers als truppendienstliche Erstmaßnahme keiner Rechtsbehelfsbelehrung bedurfte (Beschlüsse vom 30. Januar 2001 – BVerwG 1 WB 121.00 – und vom 16. Mai 2002 – BVerwG 1 WB 14.02 – jeweils m.w.N.) und die der Antragsteller nach der aktenkundigen Eröffnung am 27. März 2003 nicht mit einem Rechtsbehelf angegriffen hat, demgemäß ausführlich auf die Möglichkeiten des Antragstellers eingegangen, E… als Fahrer seines Wagens zu benennen. Der GB/SKA legte im Einzelnen dar, dass der Antragsteller sowohl im Strafverfahren als auch im gerichtlichen Disziplinarverfahren als Täter rechtskräftig verurteilt worden sei, wobei er zumindest im gerichtlichen Disziplinarverfahren eine Hauptverhandlung hätte herbeiführen können, in der E… als Zeuge gehört worden wäre. Seiner Einlassung, E… sei gefahren, fehle daher die Glaubwürdigkeit.
Fundstellen