Verfahrensgang
Hessischer VGH (Beschluss vom 24.08.2004; Aktenzeichen 7 UE 332.01.A) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. August 2004 wird verworfen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die allein auf die Abschiebungsandrohung bezogene Beschwerde der Kläger ist unzulässig. Die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) werden nicht in einer Weise dargetan, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.
1. Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, “ob Satz 1 des Tenorierungsabschnittes unter Ziff. 1 des Urteils des Verwaltungsgerichts Gießen vom 28. Oktober 1999 rechtskräftig geworden ist oder nicht”. Wie sich aus den weiteren Ausführungen ergibt, zielt sie damit der Sache nach auf die Frage, ob der Antrag des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten auf Zulassung der Berufung (“die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts … zuzulassen, soweit der Klage im Hinblick auf die Feststellungen zu § 51 Abs. 1 AuslG stattgegeben worden ist, sowie unter Abänderung des Urteils die Klage insoweit abzuweisen”) und die entsprechende Berufungszulassung so auszulegen sind, dass das Rechtsmittel auf die Feststellung zu § 51 Abs. 1 AuslG beschränkt war, und das Berufungsgericht deshalb nicht mehr berechtigt war, das verwaltungsgerichtliche Urteil auch hinsichtlich der Aufhebung der Abschiebungsandrohung zu überprüfen und abzuändern.
Damit ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache schon deshalb nicht aufgezeigt, weil die Beschwerde nur die Auslegung des im vorliegenden Einzelfall gestellten Berufungsantrags und keine der Verallgemeinerung zugängliche Rechtsfrage anspricht, die im Interesse der Rechtseinheit oder der Fortentwicklung des Rechts in dem angestrebten Revisionsverfahren geklärt werden könnte. Im Übrigen ist das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Abschiebungsandrohung Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist. Zwar steht es grundsätzlich zur Disposition des Bundesbeauftragten als Rechtsmittelführer, inwieweit er die der Klage des Asylbewerbers stattgebende Entscheidung des Verwaltungsgerichts angreifen will. Es wäre ihm daher möglich gewesen, die Aufhebung der Abschiebungsandrohung durch das Verwaltungsgericht hinzunehmen und seinen Berufungsantrag entsprechend zu beschränken. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts handelt es sich nämlich insoweit nicht um ein vom Verwaltungsgericht nicht zu bescheidendes Hilfsbegehren, das im Berufungsverfahren des Bundesbeauftragten unabhängig von dessen Antrag automatisch wieder auflebt, wenn das Hauptbegehren des Asylbewerbers in zweiter Instanz keinen Erfolg hat. Für eine – danach mögliche – Beschränkung des Berufungsbegehrens des Bundesbeauftragten auf die Änderung der Entscheidung zu § 51 Abs. 1 AuslG unter gleichzeitiger Hinnahme der Aufhebung der Abschiebungsandrohung ergeben sich indes hier keine Anhaltspunkte. Für die Auslegung der Anträge im Rechtsmittelverfahren ist ebenso wie im erstinstanzlichen Verfahren (vgl. § 88 VwGO) das Rechtsschutzbegehren, nicht aber der Wortlaut der Anträge entscheidend; letztere sind anhand des erkennbaren Begehrens auszulegen, wobei auch der Inhalt der Antragsschrift, mit der die Zulassung der Berufung beantragt worden ist, heranzuziehen ist. Der Senat hat in vergleichbaren Verfahren entsprechende Anträge des Bundesbeauftragten regelmäßig dahingehend verstanden und behandelt, dass sie nicht nur auf die Beseitigung des asylrechtlichen Abschiebungsschutzes nach § 51 Abs. 1 AuslG, sondern auch auf die Abweisung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung gerichtet sind (vgl. Beschluss vom 9. Februar 2000 – BVerwG 9 B 31.00 – Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 29 unter Hinweis auf die auch in dem Berufungsbeschluss zitierten Entscheidungen vom 28. April 1998 – BVerwG 9 C 2.98 – ≪juris≫ und vom 12. August 1999 – BVerwG 9 B 268.99 – ≪juris≫ sowie das unveröffentlichte Urteil des Senats vom 31. August 1998 – BVerwG 9 C 16.98 –). Der Senat hat hierzu bereits in seinem Urteil vom 31. August 1998 zu einer nahezu gleichlautenden Antragstellung wie im vorliegenden Fall ausgeführt, dass sich daraus eine Beschränkung des Berufungsbegehrens des Bundesbeauftragten in der von der Beschwerde angenommenen Weise nicht ergebe. Die einschränkend beantragte Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils (“soweit”) sei vielmehr so zu verstehen, dass keine vollständige Aufhebung des Urteils beantragt werde, weil es bei der Abweisung des Asylbegehrens nach Art. 16a GG bleiben solle. Auch wenn der Antrag hinsichtlich des Umfangs der begehrten Urteilsaufhebung lückenhaft erscheine, fehle es doch an jeglichem Anhaltspunkt dafür, dass der Bundesbeauftragte die Klage nicht auch hinsichtlich der negativen Feststellung zu § 53 AuslG und der Abschiebungsandrohung abgewiesen haben wolle. Sein Begehren sei mit anderen Worten ersichtlich darauf gerichtet, dass die Klage in vollem Umfang abgewiesen werde. Denn es wäre nicht verständlich, wenn er es – trotz seiner Auffassung nach fehlender Voraussetzungen für Asyl- und Abschiebungsschutz – bei der weitergehenden Aufhebung des Bescheides des Bundesamts durch das Verwaltungsgericht hätte bewenden lassen wollen. Aus seiner Sicht habe keinerlei Anlass bestanden, “die lediglich auf dem Erfolg des Hauptantrags zu § 51 Abs. 1 AuslG beruhende Aufhebung hinzunehmen und diese rechtskräftig werden zu lassen” (Urteil vom 31. August 1998, a.a.O.). Dass es sich im vorliegenden Ausgangsverfahren, in dem die Aufhebung der Abschiebungsandrohung durch das Verwaltungsgericht allein auf der vom Bundesbeauftragten beanstandeten Zubilligung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG beruht, anders verhalten sollte, ist weder vorgetragen noch erkennbar. Dies hat der Bundesbeauftragte hier im Übrigen auch mit seinem Antrag auf Abweisung der Klage in vollem Umfang in der Berufungsbegründung vom 19. Februar 2001 klargestellt und bestätigt.
2. Auch die von den Klägern hierzu erhobene Gehörsrüge genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Beschwerde meint, aus den Ausführungen in der Berufungsentscheidung auf S. 26 ergebe sich, dass das Berufungsgericht den Einwand der Kläger, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei hinsichtlich der Abschiebungsandrohung aufgrund der Rechtsmittelbeschränkung des Bundesbeauftragten rechtskräftig geworden, nicht berücksichtigt und damit aus dem Auge verloren habe.
Damit zeigt die Beschwerde indes keine Umstände auf, die – wie für eine Verletzung des rechtlichen Gehörs erforderlich – auf eine fehlende Kenntnisnahme und Erwägung wesentlichen Parteivorbringens schließen ließen. Grundsätzlich ist nämlich davon auszugehen, dass die Gerichte das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nehmen und in ihre Erwägung einbeziehen. Nur wenn die Umstände im einzelnen Fall deutlich ergeben, dass das Gericht wesentliches Vorbringen eines Beteiligten nicht berücksichtigt hat, kann darin eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegen. Allein die Tatsache, dass das Berufungsgericht auf S. 26 seines Berufungsbeschlusses bei seinen Ausführungen zur Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nicht mehr ausdrücklich auf dieses Vorbringen der Kläger eingegangen ist, reicht hierfür nicht aus. Die Beschwerde teilt nämlich nicht mit, dass den Prozessbevollmächtigten der Kläger auf ihre Anfrage und ihr Vorbringen zum Umfang des Streitgegenstandes des berufungsgerichtlichen Verfahrens hin (Schriftsätze vom 12. Juli und 23. Juli 2004) vom Berichterstatter bereits mitgeteilt worden war, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Senats im Falle der Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten eine Überprüfung der Klage in vollem Umfang erfolge (gerichtliches Schreiben vom 21. Juli 2004), und ihnen hierzu auf Anforderung ein entsprechender Beschluss des Senats vom 5. Mai 2003 – 7 UE 375/01.A – zur Kenntnisnahme übersandt worden ist. Sie geht ferner nicht darauf ein, dass das Berufungsgericht bereits bei der Prüfung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG auf S. 23 des Berufungsbeschlusses auf die Frage einer etwa entgegenstehenden Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils eingegangen ist und sich dabei ausdrücklich auf den von ihm bereits übersandten Beschluss vom 5. Mai 2003 und einschlägige Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zu dieser Frage bezogen hat. Diese Umstände machen deutlich, dass sich das Gericht sehr wohl mit der Frage der etwaigen Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils befasst und den entsprechenden Einwand der Kläger im Blick hatte, ihn aber angesichts seiner ständigen – hier im Ergebnis auch mit der des Bundesverwaltungsgerichts übereinstimmenden – Rechtsprechung nicht für durchgreifend erachtet hat.
Abgesehen davon könnte die Gehörsrüge auch deshalb keinen Erfolg haben, weil sich die Entscheidung des Berufungsgerichts aus den unter oben 1. genannten Gründen jedenfalls im Ergebnis als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO in entsprechender Anwendung).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Beck, Prof. Dr. Dörig
Fundstellen