Verfahrensgang
Hamburgisches OVG (Urteil vom 25.01.2007; Aktenzeichen 1 Bf 20/02) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 25 945 € festgesetzt.
Gründe
Die auf Verfahrensrügen gestützte Beschwerde der Klägerin kann keinen Erfolg haben. Die Beschwerdebegründung zeigt nicht auf, dass das Berufungsurteil an einem Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO leidet.
Durch das Berufungsurteil hat das Oberverwaltungsgericht die erstinstanzliche Abweisung der Klage bestätigt, mit der die als angestellte Lehrerin im Dienst der Beklagten stehende Klägerin ihre Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe erreichen will. Nach der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts hat die Beklagte rechtsfehlerfrei annehmen dürfen, auf Grund der Skolioseerkrankung der Klägerin könnten häufige krankheitsbedingte dienstliche Fehlzeiten oder der Eintritt der vorzeitigen Dienstunfähigkeit nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Das Risiko chronischer Rückenschmerzen sei bei Skoliosepatienten generell deutlich höher als bei der Normalbevölkerung. Es gebe keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass ein günstiger Krankheitsverlauf und eine gesunde Lebensführung geeignet seien, dieses Risiko zu vermindern. Hierfür hat sich das Oberverwaltungsgericht auf ein zweites Sachverständigengutachten gestützt, das es eingeholt hat, nachdem die Beklagte gegen das erste Gutachten erhebliche Einwendungen erhoben hatte.
Die Klägerin rügt als Verletzung des rechtlichen Gehörs, dass das Oberverwaltungsgericht
– dem ersten Sachverständigen keine Gelegenheit gegeben habe, zu den Einwendungen gegen sein Gutachten Stellung zu nehmen;
– den von der Beklagten benannten Dr. M… als weiteren Sachverständigen beauftragt habe, obwohl ihn die Klägerin abgelehnt und einen anderen Gutachter vorgeschlagen habe;
– den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit genommen habe, den zweiten Sachverständigen einvernehmlich zu bestimmen.
Hinsichtlich der dritten Rüge hält die Klägerin auch einen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO für gegeben.
Mit dem Vorbringen, sein Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO sei verletzt worden, kann ein Verfahrensbeteiligter die Revisionszulassung wegen eines Verfahrensmangels im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur erreichen, wenn er in der Tatsacheninstanz alle ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um sich Gehör zu verschaffen. Die Gehörsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse in der Tatsacheninstanz wettzumachen (stRspr; vgl. nur Beschlüsse vom 13. Januar 2000 – BVerwG 9 B 2.00 – Buchholz 310 § 133 VwGO n.F. Nr. 53 und vom 30. Januar 2003 – BVerwG 1 B 169.02 – Buchholz 11 Art. 103 Abs. 1 GG Nr. 67).
Schon aus diesem Grund können die erste und die zweite Gehörsrüge keinen Erfolg haben. Die Klägerin hat die prozessualen Möglichkeiten nicht wahrgenommen, die ihr eröffnet waren, um eine Anhörung des ersten Sachverständigen zu den Einwendungen der Beklagten zu erreichen und die Erstattung des zweiten Gutachtens durch Dr. M… zu verhindern:
Hinsichtlich der ergänzenden Anhörung des ersten Sachverständigen hat es die Klägerin versäumt, einen darauf gerichteten Beweisantrag zu stellen. Einem solchen Antrag hätte das Oberverwaltungsgericht stattgeben müssen, wenn die Klägerin die allgemeine Richtung der weiteren Aufklärung angegeben hätte. Denn das Tatsachengericht ist gemäß § 98 VwGO, §§ 402, 397 ZPO in der Regel verpflichtet, das Erscheinen des gerichtlich bestellten Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung zur Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens anzuordnen, wenn ein Verfahrensbeteiligter diese Anordnung beantragt, weil er dem Sachverständigen Fragen stellen will (stRspr; vgl. nur Urteil vom 9. März 1984 – BVerwG 8 C 97.83 – BVerwGE 69, 70 ≪77≫ und Beschluss vom 21. September 1994 – BVerwG 1 B 131.93 – Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 46).
Demgegenüber hat sich die Klägerin darauf beschränkt, mit Schriftsatz vom 3. Mai 2004 Bedenken gegen die Einholung eines weiteren Gutachtens vor Anhörung des ersten Sachverständigen zu äußern. Dies vermag die Stellung eines Beweisantrags nicht zu ersetzen.
Auch hat es die Klägerin versäumt, einen Ablehnungsantrag gegen den Sachverständigen Dr. M… wegen Besorgnis der Befangenheit zu stellen. Gemäß § 98 VwGO, § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist der Ablehnungsantrag binnen zwei Wochen nach Bekanntgabe der Ernennung zu stellen. Die formlose Mitteilung der Ernennung genügt, um die Frist in Gang zu setzen. Die Ablehnung eines Sachverständigen vor dessen Ernennung ist unzulässig (Greger in Zöller, ZPO, 26. Auflage, § 406 Rn. 10, 11; Lang in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Auflage, § 98 Rn. 175 m.w.N.). Gemäß § 98 VwGO, § 406 Abs. 3 ZPO ist der Ablehnungsgrund glaubhaft zu machen.
Der Vorschlag der Klägerin in dem Schriftsatz vom 29. März 2004, einen namentlich benannten anderen Arzt als weiteren Sachverständigen zu bestellen, kann bei verständiger Betrachtungsweise offensichtlich nicht als Ablehnung des Gutachters Dr. M… wegen Besorgnis der Befangenheit gewertet werden. Zudem war Dr. M… bei Eingang des Schriftsatzes noch nicht zum Sachverständigen ernannt. Seine Ernennung ist den Verfahrensbeteiligten erst durch gerichtliches Hinweisschreiben vom 21. April 2004 mitgeteilt worden.
In den Schriftsätzen vom 3. Mai und 19. Mai 2004 hat die anwaltlich vertretene Klägerin zwar Bedenken gegen diesen Gutachter wegen dessen aus ihrer Sicht ungeklärten Beziehungen zur Beklagten vorgebracht, jedoch keine Ablehnungsgründe genannt, sondern nur Fragen, jedenfalls keinen Ablehnungsantrag gestellt. Aufgrund eines solchen Antrags hätte es Dr. M… oblegen, darzulegen, in welchem Verhältnis er zu der Beklagten stand. Auch war bei Eingang des Schriftsatzes vom 19. Mai 2004 die gesetzliche Zweiwochenfrist bereits abgelaufen. Der Schriftsatz mit Datum vom 18. Februar 2004, in dem die Klägerin diese Bedenken ebenfalls äußert, ist erst am 2. Juli 2004 nach dem gerichtlichen Hinweis, er befinde sich nicht in den Akten, eingereicht worden. Schließlich hat die Klägerin in keinem Schriftsatz einen Ablehnungsgrund glaubhaft gemacht.
Die Gehörs- und Aufklärungsrüge der Klägerin, das Gericht habe ihr die Möglichkeit abgeschnitten, den zweiten Sachverständigen einvernehmlich mit der Beklagten zu bestimmen, geht bereits deshalb fehl, weil sich Klägerin und Beklagte gerade nicht gemäß § 98 VwGO, § 404 Abs. 4 ZPO über eine bestimmte Person einigen konnten. Beide Beteiligte haben verschiedene Personen als Sachverständige vorgeschlagen und trotz des jeweiligen Gegenvorschlags daran festgehalten. Anhaltspunkte für die Möglichkeit eines Einvernehmens sind weder von der Klägerin dargelegt worden noch aus den Gerichtsakten ersichtlich. Somit ist es gemäß § 98 VwGO, § 404 Abs. 1 ZPO Sache des Oberverwaltungsgerichts gewesen, den zweiten Sachverständigen nach billigem Ermessen zu bestimmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG.
Unterschriften
Albers, Dr. Kugele, Dr. Heitz
Fundstellen