Verfahrensgang
VG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 09.07.2008; Aktenzeichen 3 K 362/03) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 9. Juli 2008 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Verfahrensfehler gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung liegt nicht vor (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Rz. 3
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine über den Einzelfall hinausgehende klärungsfähige und klärungsbedürftige abstrakte Rechtsfrage von fallübergreifendem Gewicht aufwirft, die in einem künftigen Revisionsverfahren zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortentwicklung des Rechts beantwortet werden kann.
Rz. 4
Die Klägerin meint, es sei klärungsbedürftig und höchstrichterlich noch nicht entschieden, ob die genehmigten, vollzogenen und letztlich nicht durch ein Widerspruchsverfahren angegriffenen Vermögensverfügungen restitutionsausschließenden Charakter haben.
Rz. 5
Die aufgeworfene Frage lässt sich ohne Weiteres anhand der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten. Gemäß § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG erlischt der Restitutionsanspruch, wenn über das Eigentum an dem restitutionsbefangenen Vermögensgegenstand wirksam verfügt worden ist (Urteil vom 28. August 1997 – BVerwG 7 C 63.96 – Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 20; Beschluss vom 21. Oktober 1998 – BVerwG 8 B 145.98 – Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 26; Urteil vom 27. Januar 2000 – BVerwG 7 C 2.99 – Buchholz § 3 VermG Nr. 35). An die Stelle der Rückgabe tritt der Anspruch auf Auskehr des Erlöses. Daraus folgt, dass die Entgeltlichkeit für den Untergang des Rückübertragungsanspruchs rechtserheblich ist. Der Ausschluss der Restitution erfolgt zwar aus Gründen der Investitionsförderung und der Sicherheit des Grundstücksverkehrs, aber der Drittschutz verdient nur dann Vorrang vor dem Restitutionsinteresse des nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG Berechtigten, wenn für die Verfügung eine finanzielle Gegenleistung erbracht worden ist. Das Vertrauen in die Rechtsbeständigkeit eines kostenlosen Erwerbs des restitutionsbelasteten Vermögenswertes ist hingegen ohne Rückhalt. Die grundsätzliche Anerkennung restitutionshindernder Verfügungen entstammt einer Vorschrift, die wegen ihres Ausnahmecharakters zu einer engen Auslegung tendiert. Vor diesem Hintergrund ist kein triftiger Grund ersichtlich, um von der Verkehrsfähigkeit auch solcher Vorgänge zu Lasten von Berechtigten auszugehen, die unentgeltlich sind (vgl. Beschluss vom 23. Mai 2000 – BVerwG 8 B 31.00 – Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 37).
Rz. 6
Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts wurde über das Grundstück wirksam durch Schenkung verfügt. Die unentgeltliche Schenkung ist somit nicht restitutionsbeständig.
Rz. 7
Soweit die Beschwerde meint, das vorliegende Verfahren werfe die klärungsbedürftige Frage auf, inwieweit die Entreicherung der Erlösauskehr entgegensteht, wird sich ein Revisionsverfahren damit nicht auseinandersetzen, weil das Verwaltungsgericht eine Entreicherung der Klägerin nicht festgestellt hat.
Rz. 8
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Februar 1997 – BVerwG 7 B 44.97 – (Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 39) betrifft den Fall, ob eine vorweggenommene Erbfolge durch unentgeltlichen Überlassungsvertrag in den Schutzbereich des § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG fällt. Diese Frage hat das Bundesverwaltungsgericht bejaht, weil der Gesetzgeber eine Durchbrechung des vermögensrechtlichen Erwerberschutzes für den Fall einer Schenkung nicht ausdrücklich angeordnet hat – wie dies im bürgerlichen Recht in § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB geschehen ist. Der vorliegende Fall ist mit der Sachverhaltsvariante, der der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Februar 1997 zugrunde lag, nicht vergleichbar. Die Klägerin hat das Eigentum an dem streitbefangenen Grundstück mit ihrer Eintragung im Grundbuch am 17. Mai 1993 und somit nach dem 29. September 1990 erlangt. Der durch § 4 Abs. 2 VermG geschützte redliche Erwerb ist nur bis zum Inkrafttreten des Vermögensgesetzes am 29. September 1990 schützenswert (Urteile vom 19. Januar 1995 – BVerwG 7 C 42.93 – BVerwGE 97, 286 = Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 12 und vom 27. August 2003 – BVerwG 8 C 15.02 – BVerwGE 118, 385 = Buchholz 428.1 § 11 InVorG Nr. 5).
Rz. 9
2. Die geltend gemachten Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Rz. 10
a) Das angefochtene Urteil ist entgegen der Auffassung der Beschwerde mit Gründen versehen, so dass kein absoluter Revisionsgrund (§ 138 Nr. 6 VwGO) vorliegt.
Rz. 11
Gemäß § 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO müssen bei Nichteinhaltung der Zwei-Wochen-Frist seit Verkündung die Entscheidungsgründe “alsbald nachträglich” niedergelegt, von den Richtern unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben werden. Jedoch kann das durch die Verkündung des Tenors im Ergebnis bereits feststehende Urteil nur dann auf der Verletzung des § 117 Abs. 4 VwGO beruhen, wenn der zeitliche Zusammenhang zwischen der Beratung und Verkündung des Urteils einerseits und der Niederlegung, Unterzeichnung und Übergabe der Entscheidungsgründe andererseits so weit gelockert ist, dass in Anbetracht des nachlassenden Erinnerungsvermögens der Richter die Übereinstimmung zwischen den in das Urteil aufgenommenen und den für die richterliche Überzeugung tatsächlich leitend gewesenen Entscheidungsgründen nicht mehr gewährleistet erscheint (Beschlüsse vom 15. September 1995 – BVerwG 4 B 173.95 – Buchholz 310 § 117 VwGO Nr. 42, vom 9. August 2004 – BVerwG 7 B 20.04 – juris und vom 26. April 1999 – BVerwG 8 B 67.99 – Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 30). In einem solchen Fall gelten die in das Urteil aufgenommenen Entscheidungsgründe als nicht geschrieben und das Urteil als “nicht mit Gründen versehen”, so dass es nach § 138 Nr. 6 VwGO insgesamt als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen ist. Diese äußerste zeitliche Grenze für die Übergabe der Entscheidungsgründe an die Geschäftsstelle ist jedoch erst dann überschritten, wenn zwischen der Verkündung des Urteils und der Übergabe des vollständigen Urteils an die Geschäftsstelle ein Zeitraum von mehr als fünf Monaten liegt (Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. April 1993 – GmS-OGB 1/92 – BVerwGE 92, 367 = Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 27).
Rz. 12
Diese äußerste Frist ist im vorliegenden Fall nicht überschritten worden. Das Urteil wurde am 9. Juli 2008 verkündet und es ging bei der Geschäftsstelle am 12. November 2008 in vollständig abgefasster Form und somit innerhalb des Zeitraums von fünf Monaten ein. Anhaltspunkte dafür, dass die im Urteil niedergelegten Gründe das seinerzeitige Beratungsergebnis nicht mehr zutreffend und vollständig wiedergeben und dass trotz der Wahrung der Fünfmonatsfrist ein Verstoß gegen § 117 Abs. 4 VwGO als Verfahrensmangel zu qualifizieren ist (vgl. Beschluss vom 25. April 2001 – BVerwG 4 B 31.01 – Buchholz 310 § 117 VwGO Nr. 47), werden in der Beschwerdebegründung nicht genannt und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Rz. 13
b) Dem Verwaltungsgericht kann auch nicht vorgeworfen werden, es habe den Sachverhalt nicht ausreichend erforscht (§ 86 Abs. 1 VwGO). Die Beschwerde meint, die Klägerin habe stets bestritten, dass der im notariellen Vertrag zwischen Frau J… und Herrn H… vereinbarte Kaufpreis nicht vollständig an den Verkäufer geleistet worden sei. Nach Erhalt des Urteils habe die Klägerin aus der Verwandtschaft der Frau J…. Prozesskorrespondenz mit dem Bevollmächtigten des Herrn H… aus dem Jahre 1940 erhalten, wonach der Kaufpreis vollständig bezahlt worden sei und Herr H… über den Kaufpreis auch habe verfügen können. Auch sei das Gericht dem Hinweis auf das Betriebsvermögen des Herrn H… nicht nachgegangen. Das Verwaltungsgericht hätte die Akten der Beklagten zum Betriebsvermögen des Herrn H… beiziehen müssen, um dessen Verkaufsabsicht aufzuklären.
Rz. 14
Nach der für die Beurteilung von Verfahrensmängeln maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts kam es weder auf die Angemessenheit des Kaufpreises noch auf die Frage entscheidungserheblich an, ob der Kaufpreis dem Verkäufer zur freien Verfügung stand. Das Verwaltungsgericht hat entscheidungstragend darauf abgestellt, dass es der Klägerin nicht gelungen ist, den Beweis des Gegenteils bezüglich der Widerlegungsmöglichkeit in Art. 3 Abs. 3 Buchst. a REAO (Abschluss des Rechtsgeschäfts auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus) zu führen. Fragen zum Kaufpreis, insbesondere der vollständigen Bezahlung, spielten somit keine Rolle und mussten daher auch aus Sicht des Verwaltungsgerichts nicht weiter aufgeklärt werden. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass es der Klägerin nicht gelungen ist, den Beweis des Gegenteils zu führen, dass der Verkaufserlös nach der Absicht des Verkäufers in sein Unternehmen investiert werden sollte und damit bereits eine Mitursächlichkeit der Herrschaft des Nationalsozialismus entfiele. Im Hinblick auf diese Rechtsauffassung musste sich dem Verwaltungsgericht auch ohne ausdrücklich gestellte Beweisanträge eine weitere Beweisaufnahme nicht aufdrängen.
Rz. 15
Unabhängig davon zeigt die Beschwerde nicht auf, welches Ergebnis von einer Beweisaufnahme bzw. Beiziehung der Akten zum Betriebsvermögen des Herrn H… zu erwarten gewesen wäre. Sie entspricht damit nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Rz. 16
Von einer weiteren Begründung der Beschwerde sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Rz. 17
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 4 GKG.
Unterschriften
Gödel, Dr. von Heimburg, Dr. Hauser
Fundstellen