Entscheidungsstichwort (Thema)
städtebaulicher Vertrag. Vorteilsausgleich. Koppelungsverbot
Leitsatz (amtlich)
1. Das Umlegungsrecht der §§ 45 ff. BauGB steht einer Neuordnung von Grundstücken im Wege vertraglicher Vereinbarungen („freiwillige Baulandumlegung”) nicht entgegen (wie BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1984 – BVerwG 4 C 24.80 – NJW 1985, 989).
2. Die Neuordnung der Grundstücke kann sich auch in mehreren zeitlich zusammenhängenden Teilschritten vollziehen, die aus einem Vertrag der Grundeigentümer über die wechselseitige Abgabe (Tausch) von Grundstücksflächen, einem Vertrag mit der Gemeinde über die Abgabe der für öffentliche Verkehrsflächen benötigten Grundstücksteile und aus der städtebaulichen Vereinbarung eines Vorteilsausgleichs in Gestalt eines Geldbeitrages nach § 58 Abs. 1 Satz 3 BauGB bestehen.
3. Grundeigentümer und Gemeinde sind bei der Vereinbarung des einen Flächenbeitrag ersetzenden Geldbeitrags nicht strikt an die für das gesetzliche Umlegungsverfahren geltenden Bemessungsgrenzen des § 58 Abs. 1 Satz 2 BauGB gebunden. Die Gemeinde darf sich jedoch als Vorteilsausgleich nicht einen den Umständen nach unangemessen hohen Geldbetrag versprechen lassen.
Normenkette
BauGB § 11 Abs. 2, § 58 Abs. 1; VwVfG § 56 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
VG Stuttgart (Entscheidung vom 22.09.1997; Aktenzeichen 7 K 4270/93) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 9. November 2000 wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Kläger zu 1 bis 4 als Gesamtschuldner einerseits und der Kläger zu 5 andererseits jeweils die Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 493 425,60 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Kläger begehren von der beklagten Stadt die Rückzahlung von Geldleistungen, die sie oder ihre Rechtsvorgänger im Zusammenhang mit einer Baulanderschließung an die Beklagte erbracht haben. Der Kläger zu 5 war Eigentümer größerer Grundstücksflächen in zentraler Stadtlage. Dabei handelte es sich um ehemalige, seit langem verfüllte Sandgruben. In einer dieser Gruben wurde 1933 der „Homo steinheimensis” gefunden. 1982 beschloss die Beklagte einen Bebauungsplan, der die Grundstücke des Klägers zu 5 sowie eine größere unbebaute Fläche einer Grundstückseigentümerin umfasste, die später im Wege der Erbfolge auf die Kläger zu 1 bis 4 überging. Die Beklagte führte mit dem Kläger zu 5 und der Grundstückseigentümerin zahlreiche Verhandlungen über eine freiwillige Neugestaltung der Grundstücke mit dem Ziel, den Bebauungsplan zu verwirklichen.
Nach erzielter Einigung gaben der Kläger zu 5 und die (andere) Grundstückseigentümerin mit notariellem Kaufvertrag vom April 1984 wechselseitig Flächen ihrer inzwischen neu gebildeten Baugrundstücke ab. Im Mai 1984 schloss die Beklagte mit den zuvor Genannten einen notariellen Vertrag über die unentgeltliche Abgabe von Grundstücksflächen, die für die Herstellung der öffentlichen Verkehrsflächen benötigt wurden, sowie über den Kauf einer Teilfläche für eine Grünanlage an der Stelle des Urmenschenfundes. Die Beklagte schloss mit den Vorgenannten ferner einen sog. Erschließungsvertrag, der diesen die Zahlung von Erschließungsbeiträgen (Ziffer I) und die Verpflichtung zur Leistung eines Vorteilsausgleichs für „die Schaffung von Bauland” (Ziffer II) auferlegt. In diesem Vertrag erklären sich der Kläger zu 5 und die (andere) Grundstückseigentümerin außerdem zur Leistung eines „freiwilligen Betrages” an die Beklagte in Höhe von 80 000 DM bereit (Ziffer III). Die vereinbarten Zahlungen wurden erbracht.
Später veräußerten die Kläger zu 1 bis 4 und der Kläger zu 5 ihre neu geschaffenen Baugrundstücke an einzelne Bauherren oder Bauträgergesellschaften. Die Grundstückskäufer übernahmen vertraglich die auf sie entfallenden Erschließungskosten. Die Beklagte stellte die Erschließungsanlagen 1992 endgültig her.
Mit ihrer 1993 erhobenen Klage begehren die Kläger die Erstattung der nach dem sog. Erschließungsvertrag von 1984 erbrachten Leistungen: Deren Ziffer I enthalte eine nichtige vertragliche Abwälzung der Erschließungskosten. Das führe zur Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung. Auch die Verpflichtung zur Zahlung eines Vorteilsausgleichs sei nichtig. Es liege eine unzulässige Wertabschöpfung vor. Rechtsgrundlos sei auch die Leistung des Betrages von 80 000 DM gewesen.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage der Kläger zu 1 bis 4 wegen fehlerhafter Berechnung der Erschließungskosten teilweise stattgegeben und im Übrigen ebenso wie die Klage des Klägers zu 5 abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufungen der Kläger zu 1 bis 4 in vollem Umfang und die Berufung des Klägers zu 5 bis auf einen geringen Teilbetrag zurückgewiesen, im Wesentlichen mit der folgenden Begründung: Werde unterstellt, dass die Vereinbarung über die Zahlung der Erschließungskosten nichtig sei, stelle die Rückforderung dieser Beträge jedenfalls eine unzulässige Rechtsausübung dar. Die (unterstellte) Nichtigkeit der Kostenregelung habe nicht zur Folge, dass auch die weiteren Vereinbarungen nichtig seien. Die Teilregelung über den Ausgleich des Umlegungsvorteils sei weder formnichtig noch überschreite sie die rechtlichen Grenzen einer vertraglich vereinbarten Bodenneuordnung. Auch fehle hier der Anhaltspunkt dafür, dass die Leistung des „freiwilligen Betrages”, der unstreitig dem von der Beklagten betriebenen Urmenschmuseum habe zugute kommen sollen, nichtig sei.
Mit der Beschwerde wenden die Kläger sich gegen die Nichtzulassung der Revision.
Entscheidungsgründe
II.
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
1. Die zum Anspruch auf Erstattung gezahlter Erschließungskosten erhobenen Rügen greifen nicht durch.
1.1 Die Kläger sehen in der Auffassung des Berufungsgerichts, ihr Erstattungsbegehren stelle eine unzulässige Rechtsausübung (Verstoß gegen Treu und Glauben) dar, einen Widerspruch zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Mai 2000 – BVerwG 4 C 4.99 – (BVerwGE 111, 162). Das Beschwerdevorbringen erfüllt die Anforderungen an die Darlegung einer Divergenz i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO jedoch nicht. Die Beschwerde benennt keinen das Berufungsurteil tragenden abstrakten Rechtssatz, der einem in dem vorgenannten Urteil des beschließenden Senats aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden, abstrakten Rechtssatz widerspricht. Die Beschwerde rügt nämlich, das Berufungsgericht hätte in Anwendung der im Senatsurteil vom 16. Mai 2000 aufgestellten Grundsätze zur Treuwidrigkeit eines Erstattungsbegehrens prüfen müssen, ob Gründe in der Person oder im Verhalten des die Erstattung begehrenden Bürgers vorliegen, die das Rückforderungsbegehren als treuwidrig erscheinen ließen. Eine solche Prüfung habe das Berufungsgericht nicht vorgenommen. Damit macht die Beschwerde einen Rechtsanwendungsfehler geltend, der nicht geeignet ist, einen Widerspruch im abstrakten Rechtssatz aufzuzeigen.
1.2 Die Beschwerde wirft als rechtsgrundsätzlich bedeutsam die Frage auf,
ob die vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 16. Mai 2000 entwickelten Grundsätze zur Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben gegenüber einem auf einem nichtigen verwaltungsrechtlichen Vertrag beruhenden Erstattungsanspruch auch auf die Fallgestaltung anzuwenden ist, dass sich der Nichtigkeitsgrund der verwaltungsrechtlichen Vereinbarung nicht aus dem Verbot sachwidriger Koppelung, sondern in Fällen sonstiger unzulässiger Gegenleistung nach den in § 56 VwVfG genannten Erfordernissen oder bei Annahme des Verstoßes der verwaltungsrechtlichen Vereinbarung gegen ein gesetzliches Verbot (§ 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB) ergibt.
Die Fragestellung berücksichtigt, dass nach Auffassung des Berufungsgerichts vieles dafür spricht, dass die Vereinbarung vom 11. Mai 1984 betreffend die Zahlung von Erschließungskosten der in § 127 Abs. 1 BBauG/BauGB für die Gemeinde begründeten Beitragserhebungspflicht widerspreche und wegen des gesetzlichen Gebots, die Erschließungskosten durch Beiträge zu decken, nichtig sei. Die aufgeworfene Grundsatzfrage ist daher sinngemäß auf diese Fallkonstellation zu beschränken. In dieser Einschränkung führt sie jedoch nicht zur Zulassung der Revision, da sie in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich wäre. Das ergibt sich aus Folgendem:
In seinem Urteil vom 16. Mai 2000 hat der Senat entschieden, § 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG sei ebenso wie die mit ihm übereinstimmenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder dahin auszulegen, dass der Grundsatz von Treu und Glauben der einseitigen Rückabwicklung eines nichtigen Austauschvertrages nicht allein deshalb entgegenstehe, weil die Leistung der Behörde (Gemeinde) unwiderbringlich und unwiderrufbar erbracht worden sei. Es müssten vielmehr besondere, in der Person oder im Verhalten des Erstattung Begehrenden (oder eines Rechtsvorgängers) liegende Umstände hinzutreten, die das Rückforderungsbegehren als treuwidrig erscheinen liessen (vgl. BVerwGE 111, 162 ≪173 f.≫). Das Berufungsgericht hat in ausdrücklicher Anknüpfung an diese Rechtsprechung den vorliegenden Sachverhalt auf derartige konkrete zur Treuwidrigkeit führende Umstände im Verhalten der Kläger und ihrer Rechtsvorgänger hin überprüft. Die den Vorwurf der Treuwidrigkeit begründenden Umstände sieht es u.a. darin, dass die Kläger (bzw. ihre Rechtsvorgänger) die auf ihre Grundstücke entfallenden Erschließungskosten zunächst übernommen und sodann auf die Erwerber der Grundstücke abgewälzt hätten. In den Grundstückskaufverträgen hätten die Käufer sich verpflichtet, die bisher für die Herstellung der Anbaustraßen erbrachten Beträge den Verkäufern zu erstatten. Dadurch sei sichergestellt worden, dass die Kläger die Erschließungskosten letztlich nicht selbst hätten tragen müssen. Das Berufungsgericht stellt also darauf ab, dass den Klägern durch die (vorläufige) Übernahme der Erschließungskosten kein Nachteil entstanden ist. Die Behauptung der Kläger, sie seien im Fall der Rückerstattung der geleisteten Erschließungskosten ihrerseits verpflichtet, diese Beträge den Käufern rückzuerstatten, hat es als wenig glaubhaft angesehen. Damit hat das Berufungsgericht entscheidungstragend auf das im Senatsurteil vom 16. Mai 2000 zu § 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG aufgestellte Erfordernis erhöhter Anforderungen an den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung bei der einseitigen Rückabwicklung eines nichtigen Austauschvertrages abgehoben und diese Anforderungen als erfüllt angesehen. Aus diesem Grund hätte der Senat in einem Revisionsverfahren keinen Anlass, die von der Beschwerde aufgeworfene Frage zu beantworten, ob die im Senatsurteil vom 16. Mai 2000 aufgestellten Grundsätze zur Treuwidrigkeit eines Erstattungsbegehrens bei der einseitigen Rückabwicklung eines nach § 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG nichtigen Vertrages auf andere Nichtigkeitsgründe in § 59 VwVfG zu übertragen sind. Soweit die Beschwerde geltend macht, das Rückforderungsbegehren der Kläger sei nicht treuwidrig, kritisiert sie die tatrichterliche Würdigung der Vorinstanz. Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung ergeben sich daraus nicht.
1.3 Die Beschwerde sieht einen die Denkgesetze verletzenden Widerspruch darin, dass das Berufungsgericht einerseits die „Entschädigung”, die die Beklagte für den Abbruch eines Wohngebäudes und einer Scheune an den Kläger zu 5 und die (andere) Grundstückseigentümerin gezahlt hat, als beitragsfähigen Erschließungsaufwand (Grunderwerbskosten) eingeordnet und andererseits die Vereinbarung über die Zahlung der Erschließungsbeiträge für nichtig gehalten habe. Abgesehen davon, dass das Berufungsgericht die Nichtigkeit des sog. Erschließungsvertrages lediglich unterstellt hat, liegt der gerügte Verstoß gegen die Denkgesetze nicht vor. Die ordnungsgemäße Berechnung der beitragsfähigen Erschließungskosten und die Rechtmäßigkeit der Vereinbarung über ihre Zahlung betreffen Rechtsfragen, die unterschieden werden müssen.
2. Die zur Vereinbarung des Vorteilsausgleichs erhobenen Rügen bleiben ebenfalls erfolglos.
2.1 Die Beschwerde entnimmt § 59 Abs. 3 VwVfG, dass im Zweifel die Nichtigkeit eines Teils eines verwaltungsrechtlichen Vertrages die Nichtigkeit der ganzen Vereinbarung zur Folge habe, und wirft hierzu die Frage auf, ob sich das „Widerlegen der Regelvermutung” nach dem (objektivierten) Parteiwillen bzw. dem hypothetischen Willen der Vertragsparteien richte oder nach dem offensichtlichen Zweck des Vertrages und dem Gesamtzusammenhang der getroffenen Regelung. Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass diese Frage in einem Revisionsverfahren entscheidungserheblich wäre. Das Berufungsgericht hat in der Frage, ob die (unterstellte) Nichtigkeit der Vereinbarung über die Erschließungskosten zur Nichtigkeit der Vereinbarung des Vorteilsausgleichs führte, auf den Zweck des Vertrages vom 11. Mai 1984 und auf einen Zusammenhang der darin getroffenen Regelungen abgestellt. Es kommt zu dem Ergebnis, dass die Verpflichtung zur Leistung des Vorteilsausgleichs mit der Verpflichtung zur Übernahme der beitragsfähigen Erschließungskosten nicht in einem Zusammenhang stehe, der den Schluss auf die Gesamtnichtigkeit des Vertrages zulasse. Dem stellt die Beschwerde „den (wirklichen, objektivierten oder hypothetischen) Parteiwillen” gegenüber, aus dem „zwanglos” die Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung vom 11. Mai 1984 folge. Das zeige die gewählte Überschrift „Erschließungsvertrag” sowie die Entstehungsgeschichte der Vereinbarung, die verdeutliche, dass die Vertragsparteien eine „Paketlösung” angestrebt hätten, deren einer Teil mit dem anderen „steht und fällt”. Die Beschwerde erhebt damit den Vorwurf, das Berufungsgericht habe von zwei möglichen Beurteilungsmaßstäben, die im Streitfall zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, den für die Kläger nachteiligen Maßstab der Vertragsauslegung gewählt. Dieser Vorwurf wird den Urteilsgründen nicht gerecht. Nach § 59 Abs. 3 VwVfG ist ein Vertrag insgesamt nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass er auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden wäre. Das Gesetz stellt damit ebenso wie § 139 BGB auf den mutmaßlichen Parteiwillen ab. Diesen hat das Berufungsgericht im Wege der Vertragsauslegung ermittelt, indem es die mit den Ziffern I und II des Vertrages verfolgten Zwecke und den Zusammenhang, in dem die vereinbarten Zahlungspflichten stehen, gewürdigt hat. Das Berufungsgericht hat sich also der Frage nach dem objektivierten Parteiwillen nicht verschlossen. Die Beschwerde setzt der tatrichterlich festgestellten Zweckbestimmung der Vereinbarung eine abweichende Würdigung des Vertragsziels in der äußeren Form einer Grundsatzrüge entgegen. Damit greift sie der Sache nach die vorinstanzliche Tatsachenwürdigung an, ohne eine entscheidungserhebliche Grundsatzfrage darzulegen.
2.2 Die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe es unterlassen, den Gesamtzweck der umstrittenen Vereinbarung vom 11. Mai 1984 zu ermitteln, und sieht darin eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes und der richterlichen Begründungspflicht (§ 108 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO). Die Rüge greift nicht durch. Das Berufungsgericht benennt mehrere Vertragszwecke (Vorteilsausgleich, Übernahme von Erschließungskosten), verneint aber einen untrennbaren Gesamtzusammenhang dieser mit dem Vertrag verfolgten Zwecke. Die gerügten Verfahrensverstöße lassen sich daraus nicht ableiten.
2.3 Die Beschwerde wirft die folgenden Rechtsfragen auf:
Bedarf eine Vereinbarung über eine freiwillige Umlegung, die den Umlegungsplan der gesetzlichen Umlegung ersetzt, im Hinblick auf die Neuordnung der Grundstücke und der damit notwendig verbundenen Verpflichtungen zur gegenseitigen Übertragung von Grundstücken der notariellen Beurkundung gemäß § 313 BGB?
Ist dies auch dann der Fall, wenn die Vereinbarung lediglich Teilgegenstände des Umlegungsplans – z.B. über einen Geldersatz für einen gemäß § 58 BauGB zu leistenden Flächenbeitrag – betrifft?
Ist es im Hinblick auf das Schriftformerfordernis des § 57 LVwVfG zulässig, die Einigung über die Neuordnung der Grundstücke als Bestandteil einer freiwilligen Umlegungsvereinbarung in „Teilabsprachen” aufzuspalten, die teils in privatrechtlichen Tauschverträgen der betroffenen Eigentümer vollzogen wird, teilweise – hinsichtlich des Flächenbeitrags nach § 58 BauGB – ohne Beachtung der notariellen Form (§ 313 BGB) erfolgt oder verlangt das sich aus § 57 LVwVfG ergebende Erfordernis der sog. Urkundeneinheit die Annahme einer einheitlichen – notariell formbedürftigen – (Gesamt-)Umlegungsvereinbarung?
Die erste Frage ist nicht in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftig. Ihre (positive) Beantwortung ergibt sich bereits aus § 313 Satz 1 BGB, nach dem ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, der notariellen Beurkundung bedarf. Die zweite Frage beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls und ist hinsichtlich der Vereinbarung eines Geldbeitrages, der an die Stelle eines Flächenbeitrags treten soll (vgl. § 58 Abs. 1 Satz 3 BauGB), ohne Weiteres zu verneinen. Der Geldbeitrag ist kein Flächenbeitrag, sondern ersetzt ihn ganz oder teilweise. Auf den Geldbeitrag, der zum Ausgleich der durch die Umlegung erwachsenen Vorteile anstelle eines Flächenbeitrags geleistet wird, findet die für Grundstücksgeschäfte geltende Formvorschrift des § 313 Satz 1 BGB keine Anwendung. Das gilt auch für den in der dritten Frage angesprochenen (und hier vorliegenden) Fall, dass sich die Neuordnung der Grundstücke in mehreren zeitlich zusammenhängenden Teilschritten vollzieht, die aus dem notariell beglaubigten Abschluss eines Vertrages über die wechselseitige Abgabe (Tausch) von Grundstücksflächen im Verhältnis zwischen den betroffenen Grundeigentümern und einem weiteren Vertrag über die Abgabe der für öffentliche Verkehrsflächen benötigten Grundstücksteile bestehen und durch die Vereinbarung eines Vorteilsausgleichs in Gestalt eines Geldbeitrages nach § 58 Abs. 1 Satz 3 BauGB ergänzt werden. Aus dem Erfordernis der Schriftform in § 57 VwVfG ergibt sich nicht, dass die einzelnen Verträge, die der Neuordnung der Grundstücke dienen, in einer einheitlichen, notariell formbedürftigen Umlegungsvereinbarung zusammengefasst werden müssen.
2.4 Das Berufungsgericht legt auf S. 14 seines Urteils näher dar, dass im Streitfall die Einigung über die Neuordnung der Grundstücke nach zahlreichen Besprechungen und Verhandlungen ohne Abschluss eines förmlichen Umlegungsvertrages, sondern in den zwei bereits genannten privatrechtlichen und notariell beglaubigten Verträgen sowie in der umstrittenen Vereinbarung vom 11. Mai 1984 erfolgt („vollzogen” worden) sei. Soweit die Beschwerde daran anknüpfend die Annahme des Berufungsgerichts, die Formerfordernisse des § 57 LVwVfG und des § 313 Satz 1 BGB seien eingehalten, als Verstoß gegen die Denkgesetze rügt, ist das Beschwerdevorbringen nicht nachvollziehbar.
2.5 Die Beschwerde wirft weiterhin die Frage auf, ob eine freiwillige Umlegung – trotz ihres relativ breiten Gestaltungsspielraums – auch über Teilgegenstände eines Umlegungsplans, insbesondere isoliert über einen Flächenbeitrag in Form eines Geldbeitrages zulässig ist.
Auch diese Frage führt nicht zu einem revisionsgerichtlichen Klärungsbedarf. Das Bundesverwaltungsgericht hat wiederholt vertragliche Regelungen als rechtens gebilligt, die unter dem Ausdruck des „freiwilligen Umlegungsverfahrens” zusammengefasst werden (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1984 – BVerwG 4 C 24.80 – NJW 1985, 989: Vertrag zwischen Gemeinde und Grundstückseigentümern über die Durchführung einer „freiwilligen Baulandumlegung”; Beschluss vom 13. Dezember 1994 – BVerwG 4 B 216.94 – = Buchholz 316 § 59 VwVfG Nr. 11: Vertrag zwischen Gemeinde und einem Grundstückseigentümer über einen unentgeltlichen Flächenabzug für die Herstellung der Verkehrsflächen und einen Flächenbeitrag als Ausgleich für spätere Umlegungsvorteile). Das Umlegungsrecht der §§ 45 ff. BauGB steht dem nicht entgegen. Es ist elastisch genug, um für besondere Vereinbarungen Raum zu lassen. Das gilt auch für einvernehmliche Regelungen solcher Art, die einseitig im Umlegungsplan nicht getroffen werden könnten. Hinter der weitgehenden Offenheit des Umlegungsrechts für einvernehmliche Regelungen mit den betroffenen Eigentümern steht das gesetzgeberische Ziel, mit dem Abschluss einer freiwilligen Baulandumlegung möglichst eine abschließende Bereinigung der Grundstücksverhältnisse mit dem Ziel zu erreichen, die Voraussetzungen für die Realisierung eines Bebauungsplans ohne förmliches Umlegungsverfahren zu schaffen. Grenzen für Vereinbarungen in der „freiwilligen Umlegung” ergeben sich allerdings aus den in § 56 Abs. 1 Satz 2 VwVfG normierten Rechtsgrundsätzen, dass die Gemeinde sich nicht Gegenleistungen einräumen lassen darf, die den gesamten Umständen nach unangemessen sind oder mit der vertraglichen Leistung der Gemeinde in keinem sachlichen Zusammenhang stehen.
Die Offenheit des Umlegungsrechts besteht auch gegenüber einer einvernehmlichen Neuordnung der Grundstücksverhältnisse, die sich wie hier nach den Feststellungen des Berufungsgerichts aus mehreren privatrechtlichen Verträgen (Grundstückstausch, Abgabe von Verkehrsflächen an die Gemeinde) und einem verwaltungsrechtlichen Vertrag zusammensetzt, der neben der Übernahme von Erschließungskosten die umlegungsbegünstigten Grundstückseigentümer zur Leistung eines Vorteilsausgleichs in Form eines Geldbeitrages nach § 58 Abs. 1 Satz 3 BauGB verpflichtet. Entgegen der Beschwerde schließt der Umstand, dass ein zum Ausgleich der Umlegungsvorteile zu erbringender Flächenbeitrag nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BauGB unter Anrechnung des Flächenabzugs nach § 55 Abs. 2 BauGB zu bestimmen ist, die Vereinbarung eines Geldbeitrages anstelle des – den Flächenabzug übersteigenden – Flächenbeitrags nicht aus. Ein derartiger Vorteilsausgleich kann sich insbesondere dann als zweckmäßig oder gar erforderlich erweisen, wenn Flächen, die nach dem gesetzlichen Umlegungsrecht eigentlich als Flächenbeitrag der Gemeinde zuzuteilen wären, z.B. im Hinblick auf die Festsetzungen des Bebauungsplans ganz oder teilweise den Eigentümern verbleiben und diese anstelle des Flächenbeitrags einen Geldbeitrag an die Gemeinde leisten sollen.
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich ferner, dass Gemeinde und Eigentümer im Rahmen einer „freiwilligen Umlegung” bei der Bemessung eines von den Eigentümern zu zahlenden Geldbeitrags, der an die Stelle eines Flächenbeitrags treten soll, nicht strikt an die für das gesetzliche Umlegungsverfahren in § 58 Abs. 1 Satz 2 BauGB genannten Bemessungsgrenzen gebunden sind. Auch insoweit kann ein städtebaulicher Vertrag die gesetzliche Ordnung des Umlegungsrechts verdrängen. Der Vertrag zwischen Eigentümer und Gemeinde darf bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise allerdings nicht zu einer übermäßigen Belastung des Eigentümers führen. Die Gemeinde darf sich nicht einen den Umständen nach unangemessen hohen Vorteilsausgleich versprechen lassen (vgl. § 11 Abs. 2 BauGB, § 56 Abs. 1 Satz 2 VwVfG). Die in § 58 Abs. 1 BauGB vorgegebene Größenordnung für die Bemessung des Flächenbeitrags kann durchaus als Richtschnur herangezogen werden. Ob die Grenze der Angemessenheit überschritten wird, beurteilt sich jedoch nach den Umständen des Einzelfalls. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob die Grenzen für die Bemessung des Flächenbeitrags in § 58 Abs. 1 Satz 2 BauGB im Rahmen einer freiwilligen Umlegung überschritten werden dürfen, ist daher zu bejahen und rechtfertigt die Zulassung der Revision ebenfalls nicht.
2.6 Die im Zusammenhang mit der Vereinbarung des Vorteilsausgleichs erhobenen weiteren Verfahrensrügen genügen nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Es ist zunächst nicht dargelegt, dass das Berufungsgericht seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt und von einem unrichtigen, unvollständigen oder aktenwidrigen Sachverhalt ausgegangen ist (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), indem es allein den Kläger zu 5 und die Rechtsvorgängerin der Kläger zu 1 bis 4 als notwendige Vertragspartner der Beklagten bei der freiwilligen Durchführung der Umlegung – und nicht etwa weitere von der Umlegung betroffene Grundstückseigentümer – angesehen hat. Nach Ansicht des Berufungsgerichts war die Neugestaltung der Grundstücksverhältnisse in Hinblick auf den Bebauungsplan ausschließlich hinsichtlich der damals noch ungeteilten großen Grundstücksflächen des Klägers zu 5 und der anderen (früheren) Grundstückseigentümerin erforderlich. Die Beklagte hätte deshalb nach Ansicht der Vorinstanz das Umlegungsgebiet in einem amtlich angeordneten Umlegungsverfahren auch auf diese beiden Grundstückseigentümer beschränken dürfen. Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass das Berufungsgericht auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung einen der gerügten Verfahrensverstöße begangen haben könnte.
Die Beschwerde rügt ferner, das Berufungsgericht habe in der Frage, welchem Zweck der vereinbarte Vorteilsausgleich dienen solle, wesentlichen Akteninhalt unberücksichtigt gelassen und seine Begründungspflicht verletzt (§ 108 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO). Die Rüge geht ins Leere. Das Berufungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, „dass mit dem sog. Vorteilsausgleich die durch die Umlegung erwachsenen Vorteile i.S.d. § 58 Abs. 1 BauGB/BBauG durch einen Geldbeitrag ausgeglichen werden sollten” (Urteilsabschrift S. 13 – 14). Diese Vertragsauslegung berücksichtigt die Entstehungsgeschichte der Vereinbarung vom 11. Mai 1984, insbesondere eine dort in Bezug genommene Kostenübernahmevereinbarung vom 4. Juli 1983 und zahlreiche Aktenvermerke über Verhandlungen und Gespräche vor Abschluss der Vereinbarung.
3. Schließlich bleiben auch die Rügen erfolglos, die die Beschwerde zu den Gründen des Berufungsurteils erhebt, die sich mit der „Leistung eines freiwilligen Betrages” der Grundstückseigentümer an die beklagte Stadt in Höhe von 80 000 DM befassen.
3.1 Die als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage, ob die „Zahlung einer Spende zulässiger Gegenstand einer städtebaulichen Vereinbarung sein kann”, ist in dieser Allgemeinheit in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Es ist eine im Wege der Vertragsauslegung im Einzelfall zu lösende Rechtsfrage, ob sich ein städtebaulicher Vertrag über die in § 11 Abs. 1 und 2 BauGB sowie in § 56 Abs. 1 Satz 2 und § 59 VwVfG (des Bundes und der Länder) genannten rechtlichen Schranken hinwegsetzt. Ob eine von den Vertragsparteien vereinbarte „Spende” an die Gemeinde z.B. das Koppelungsverbot (§ 56 Abs. 1 Satz 2 VwVfG) oder ein gesetzliches Verbot verletzt, das sich aus der entsprechenden Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches ergibt (§ 59 Abs. 1 VwVfG), hängt insbesondere vom Zweck der Geldleistung und dem vertraglichen Zusammenhang ab, in dem sie steht. Im Streitfall sollte die „freiwillige Spende” nach den unstreitigen Feststellungen des Berufungsgerichts dem von der Beklagten betriebenen Urmenschmuseum zugute kommen. Aus einem Einzelfall wie diesem lassen sich keine verallgemeinerungsfähigen Schlussfolgerungen ziehen.
3.2 Die Beschwerde rügt schließlich erfolglos, die Annahme des Berufungsgerichts, die Vertragspartner hätten sich in Ziffer III der umstrittenen Vereinbarung „verpflichtet, unabhängig von einer Gegenleistung der Beklagten die dort vereinbarten Geldbeträge zukommen zu lassen”, sei eine aktenwidrige Feststellung und verletze § 108 Abs. 1 VwGO. Die vorstehend wiedergegebene Formulierung der Urteilsgründe (Urteilsabschrift S. 18) bringt das Ergebnis einer rechtlichen Würdigung des schriftlichen Vertragsinhalts und damit ein Auslegungsergebnis zum Ausdruck, das anders als eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung nicht aktenwidrig sein kann. Die Rüge aktenwidriger Feststellungen setzt einen ohne weitere Beweiserhebung offensichtlichen Widerspruch zum Akteninhalt voraus und zielt auf eine fehlerhafte Ermittlung des entscheidungserheblichen Tatsachenstoffs. Die rechtliche Würdigung eines Vertragstextes mit den Mitteln der Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB i.V.m. § 62 Satz 2 VwVfG) scheidet daher von vornherein als Gegenstand einer Rüge aktenwidriger (Tatsachen-)Feststellungen aus.
Im Übrigen trifft die Auslegung des Vertragstextes durch das Berufungsgericht zu: In dem genannten Teil der Vereinbarung (Ziffer III) haben sich die Vertragspartner der beklagten Stadt in der Tat zur Leistung eines „freiwilligen Betrages” verpflichtet, ohne diese Leistung vertraglich von einer Gegenleistung der Beklagten abhängig zu machen. Diese Vertragsgestaltung schließt nicht aus, dass die „freiwillige Leistung” gleichwohl in einem inneren Zusammenhang mit einer Leistung der Beklagten steht, auf deren Erbringung zwar kein Rechtsanspruch besteht, deren Erfüllung aber gleichwohl Bedingung bzw. Geschäftsgrundlage für die (allein) vertraglich vereinbarte Leistung der Vertragspartner (Grundeigentümer) ist. Auf einen derartigen Zusammenhang verweist die Beschwerde, indem sie vorbringt, die „freiwillige Leistung” für das Urmenschmuseum sei eine Gegenleistung für die Herstellung einer Grünanlage an der Fundstelle des Urmenschen. Der Beschwerde ist einzuräumen, dass sich das Berufungsgericht mit diesem funktionalen Zusammenhang nicht auseinander gesetzt hat. Es hat lediglich ausgeführt, es fehle jeder Anhaltspunkt für die Annahme, die freiwillige Verpflichtung, der Beklagten für das Urmenschmuseum eine unentgeltliche Zuwendung zu gewähren, sei nichtig; Hinweise, die eine solche Annahme rechtfertigen könnten, enthielten weder der Gesamtvortrag der Kläger noch der Inhalt der Akten. Diese Ausführungen enthalten jedoch ebenfalls keine Tatsachenfeststellung, die mit der Rüge einer aktenwidrigen Feststellung angegriffen werden könnte, sondern eine rechtliche Würdigung der „freiwilligen Leistung” am Maßstab des § 59 VwVfG. Die Beschwerde legt im Übrigen auch nicht dar, dass der von ihr hergestellte innere Zusammenhang wechselseitiger Leistungen eine vom Gesetzgeber in § 56 Abs. 1 Satz 2 VwVfG missbilligte Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung darstellt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 2 ZPO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Gaentzsch, Halama, Rojahn
Fundstellen
BauR 2002, 58 |
NVwZ 2002, 473 |
IBR 2001, 697 |
ZfIR 2001, 927 |
DÖV 2002, 351 |
ZfBR 2002, 74 |
BRS 2002, 896 |
DVBl. 2001, 1872 |
FSt 2002, 379 |
GuG 2001, 373 |