Verfahrensgang

Hessischer VGH (Aktenzeichen 4 UE 4867/96)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. März 2001 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 555 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.

I. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Kläger beimisst.

1. Soweit der Kläger für klärungsbedürftig hält, ob „es sich bei Möbel- und Baumärkten mit einer max. Geschossfläche von 1 500 m² um einen nach § 1 Abs. 9 BauNVO i.V.m. § 8 BauNVO 1977 festsetzungsfähigen Anlagentyp (handelt)”, legt er nicht dar, inwiefern der Ausgang des von ihm erstrebten Revisionsverfahrens von der Beantwortung dieser Frage abhängen könnte. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist es sein Klageziel, einen Bauvorbescheid für die Nutzung einer Lagerhalle als Elektrofachmarkt oder als Lebensmittelmarkt mit einer Geschossfläche von 1 200 m² oder mehr zu erhalten. Insoweit bestimmt der Bebauungsplan nach seiner eigenen Darstellung, dass großflächige Einzelhandelsbetriebe und Einkaufszentren mit baulich oder funktionell verbundenen Einzelhandelsbetrieben unzulässig sind und sonstige Einzelhandelsbetriebe eine Geschossfläche von max. 400 m² nicht überschreiten dürfen. Die Zulässigkeit seines Vorhabens wäre an diesen Festsetzungen zu messen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass es in diesem Zusammenhang auf die Gültigkeit des Ausschlusses von Baumärkten und Möbelhandelsbetrieben mit einer Geschossfläche von mehr als 1 500 m² ankommen könnte. Jedenfalls macht der Kläger selbst nicht geltend, dass allein schon die Nichtigkeit dieser Ausschlussregelung auch die Nichtigkeit der Festsetzungen zur Folge hätte, die „großflächige Einzelhandelsbetriebe und Einkaufszentren” oder „sonstige Einzelhandelsbetriebe” betreffen.

2. Die Frage, ob „es sich bei einem Einzelhandelsbetrieb mit einer Geschossfläche von max. 400 m² um einen nach § 1 Abs. 9 BauNVO festsetzungsfähigen Anlagentyp (handelt), wenn die im Gebiet der Gemeinde ansässigen nichtgroßflächigen Einzelhandelsbetriebe diese Obergrenze nicht überschreiten” bzw. „wenn die im Gebiet der Gemeinde ansässigen Nachbarschaftsläden diese Obergrenze nicht überschreiten”, rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass § 1 Abs. 9 BauNVO es über § 1 Abs. 5 BauNVO hinaus gestattet, einzelne Unterarten von Nutzungen mit planerischen Festsetzungen zu erfassen. Gegenstand einer solchen Festsetzung können freilich nur bestimmte Anlagentypen sein. Unproblematisch sind Gattungsbezeichnungen oder ähnliche typisierende Beschreibungen. Der Gemeinde ist es indes nicht grundsätzlich verwehrt, die Zulässigkeit auch nach der Größe der Anlagen, wie etwa der Verkaufs- oder der Geschossfläche von Handelsbetrieben, unterschiedlich zu regeln. Den Anforderungen des § 1 Abs. 9 BauNVO entspricht eine solche Planung allerdings nur, wenn durch die Größenangabe bestimmte Arten von baulichen oder sonstigen Anlagen zutreffend gekennzeichnet werden. Betriebe, bei denen die Verkaufs- oder die Geschossfläche eine bestimmte Größe überschreitet, sind nicht schon allein deshalb auch „bestimmte Arten” im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO. Die Begrenzung der höchstzulässigen Verkaufs- oder Geschossfläche trägt die Umschreibung eines bestimmten Anlagentyps nicht gleichsam in sich selbst. Vielmehr muss die Gemeinde darlegen, warum Betriebe unter bzw. über den von ihr festgesetzten Größen generell oder doch jedenfalls unter Berücksichtigung der besonderen örtlichen Verhältnisse einem bestimmten Anlagentyp entsprechen (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Mai 1987 – BVerwG 4 C 77.84 – BVerwGE 77, 317 und – BVerwG 4 C 19.85 – Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 11; vgl. auch Beschluss vom 27. Juli 1998 – BVerwG 4 BN 31.98 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 25).

Der Kläger legt nicht dar, inwiefern diese Rechtsprechung der Präzisierung oder der Fortentwicklung bedürfen sollte. Er stellt nicht in Abrede, dass die Vorinstanz für sich in Anspruch nimmt, sich an den rechtlichen Vorgaben des Senats ausgerichtet zu haben. Das Berufungsgericht legt im Einzelnen dar, dass die Beigeladene mit der vom Kläger angegriffenen Festsetzung nicht bloß darauf abzielt, die Zulässigkeit von Einzelhandelsbetrieben an die Voraussetzung einer Höchstgeschossfläche von 400 m² zu knüpfen, sondern mit der Größenangabe auch den Zweck verfolgt, für die durch kleinflächige Strukturen gekennzeichneten besonderen Verhältnisse im Gemeindegebiet den Anlagentyp des Nachbarschaftsladens näher zu umschreiben. Der Kläger tritt dieser Würdigung entgegen. Er zeigt indes nicht auf, woraus sich ein Klärungsbedarf ableiten lassen könnte, der über den anhängigen Rechtsstreit hinaus reicht, ohne durch die bisherige Rechtsprechung des Senats befriedigt zu sein.

3. Auch die Frage, ob „die Verpflichtung, einzelne bezeichnete Bäume zu erhalten oder anzupflanzen, als speziellere der grundsätzlichen Festsetzung einer überbaubaren Grundstücksfläche vorgeht”, verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass Festsetzungen, die sich als untaugliches Mittel zur Erreichung des planerischen Ziels erweisen, nichtig sind (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 31. Januar 1995 – BVerwG 4 NB 48.93 – und vom 27. Januar 1999 – BVerwG 4 B 129.98 – Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nrn. 76 und 94). Unterschiedliche Festsetzungen für ein und dieselbe Fläche scheiden als wirksamer Beitrag zur Ordnung der baulichen oder sonstigen Nutzung indes nur dann aus, wenn sie sich gegenseitig ausschließen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Januar 1995 – BVerwG 4 NB 43.93 – Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 74). Konkurrieren Festsetzungen über die überbaubare Grundstücksfläche mit Festsetzungen, die einer vollen Ausnutzung dieser Fläche entgegenstehen, so liegt hierin nicht zwangsläufig ein unauflöslicher Widerspruch. Der Senat hat entschieden, dass die Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung (z.B. Grundflächenzahl oder zulässige Grundfläche) und die Festsetzung der überbaubaren Grundstücksfläche jede für sich anzuwenden und jeweils nur im Rahmen der anderen ausnutzbar ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Juli 1999 – BVerwG 4 BN 24.99 – Buchholz 406.12 § 23 BauNVO Nr. 3). Gegenüber der Festsetzung von Baugrenzen oder Baulinien sind auch andere Festsetzungen nicht ohne Weiteres nach- oder untergeordnet. Ob Festsetzungen, die nicht von vornherein unverträglich sind, kumulativ gelten oder in einem bestimmten Rangverhältnis zueinander stehen, ist ggf. im Wege der Auslegung zu ermitteln. Die Frage nach ihrer jeweiligen Reichweite und Wirksamkeit betrifft die Anwendung von Ortsrecht, die einer Überprüfung durch das Revisionsgericht grundsätzlich entzogen ist.

II. Die Divergenzrüge greift ebenfalls nicht durch.

Der Kläger zeigt nicht auf, mit welchem abstrakten Rechtssatz sich das Berufungsgericht in Gegensatz zu der Auffassung des Senats gestellt haben könnte, dass es vom Inhalt der Festsetzungen abhängt, ob ein Bebauungsplan die Merkmale einer Änderung oder einer Neuplanung aufweist (BVerwG, Beschluss vom 30. September 1992 – BVerwG 4 NB 22.92 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 70). Nach den Feststellungen der Vorinstanz hat die Beigeladene die unveränderten Festsetzungen des Ursprungsplans erneut in ihren planerischen Willen aufgenommen und den Änderungsplan sowohl mit den geänderten als auch mit den unveränderten Festsetzungen erneut als Satzung beschlossen. Die Annahme, dass ein eigenständiger Plan entsteht, wenn „sämtliche Festsetzungen des Ursprungsplans im Zuge der ‚Änderung’ durch neue Festsetzungen ersetzt oder aber jedenfalls erneut in den planerischen Abwägungsprozess einbezogen” werden, widerspricht nicht der Meinung, die der Senat im Beschluss vom 30. September 1992 vertreten hat, sondern steht mit ihr im Gegenteil in vollem Einklang.

III. Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

1. Der Kläger behauptet selbst nicht, dass in dem Schreiben des Koordinationsbüros für Raumordnung und Stadtentwicklung der Industrie- und Handelskammer Kassel und der Handwerkskammer Kassel vom 4. September 1986 Aussagen getroffen werden, die sich als Beleg dafür anführen lassen, dass es in Korbach auch Nachbarschaftsläden gibt, deren Geschossfläche 400 m² übersteigt. Hat er sich selbst nicht davon überzeugt, dass das Schreiben eindeutige Hinweise enthält, die in diese Richtung deuten, so bedürfte es besonderer Darlegung, weshalb sich dem Berufungsgericht entsprechende Ermittlungen hätten aufdrängen müssen. Daran lässt es das Beschwerdevorbringen fehlen.

2. Auch von einer Verkürzung des rechtlichen Gehörs kann keine Rede sein. Das Berufungsgericht hat die Anregung des Klägers, im Wege der Beweisaufnahme der Frage nachzugehen, ob es in der Zeit bis zum Dezember 1986 in Korbach auch Nachbarschaftsläden mit einer Verkaufsfläche von mehr als 300 m² gegeben habe, zur Kenntnis genommen. Ausweislich der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils hat es dieses Vorbringen auch erwogen. Es legt dar, zu weiteren Nachforschungen keine Veranlassung gesehen zu haben, da die Beweisanregung „nicht konkrete Tatsachenbehauptungen, sondern eine rechtsgutachtliche Begutachtung” betreffe. Der Kläger hält dem Berufungsgericht vor, verkannt zu haben, dass es ihm nicht nur um die Klärung von Rechtsfragen, sondern auch um die Aufhellung der tatsächlichen Verhältnisse in Korbach und allgemein im Bundesgebiet gegangen sei. Selbst wenn dieser Vorwurf zuträfe, wäre er nur als Hinweis auf eine rechtliche Fehleinschätzung zu werten, nicht aber als Beleg für eine Verletzung des rechtlichen Gehörs.

IV. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 3 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Gaentzsch, Berkemann, Halama

 

Fundstellen

ZfBR 2002, 597

BRS 2002, 156

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