Verfahrensgang
VG Potsdam (Urteil vom 25.07.2013; Aktenzeichen 1 K 25/11) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 25. Juli 2013 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 490 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um die Rückübertragung eines Hausgrundstücks, das mit Bescheid des Rates des Kreises Zossen vom 9. Oktober 1984 mit Wirkung zum 1. Dezember 1984 in Volkseigentum überführt wurde. Im Jahre 1985 erwarben die Beigeladene und ihr Ehemann das Eigenheim. Mit Urkunde vom 14. Mai 1985 wurde ihnen ein dingliches Nutzungsrecht an dem Grundstück verliehen. Mit Kaufvertrag vom 3. Mai 1990 erwarben die Beigeladene und ihr Ehemann das Eigentum an dem Grundstück.
Die zwischenzeitlich verstorbene Klägerin beantragte mit Schreiben vom 1. Oktober 1990 die Rückübertragung des Grundstücks. Mit Bescheid vom 28. April 2010 lehnte der Beklagte die Rückübertragung ab und stellte zugleich fest, dass die Klägerin Anspruch auf eine Entschädigung hinsichtlich ihres Miteigentumsanteils habe. Der Anspruch auf Rückübertragung hinsichtlich ihres Miteigentumsanteils scheiterte am redlichen Erwerb der Beigeladenen. Nach Durchführung eines erfolglosen Widerspruchsverfahrens erhob die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Potsdam, die mit Urteil vom 25. Juli 2013 unter Nichtzulassung der Revision abgewiesen wurde. Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.
Entscheidungsgründe
II
Die allein auf Verfahrensrügen gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat mit der Ablehnung der in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge nicht verfahrensfehlerhaft gehandelt.
1. Der Beschwerde fehlt es bereits an der ausreichenden Darlegung des behaupteten Verfahrensverstoßes, soweit sie in der Ablehnung des Beweisantrags Nummer 4 mit der Begründung, es könne als wahr unterstellt werden, „dass der Ehemann der Beigeladenen mit dem zuständigen Mitarbeiter des Rates des Kreises Zossen, Herrn K., besprochen hatte, dass er das streitgegenständliche Gebäude kaufen wolle, die bisherigen Kaufanträge abgelehnt worden seien, da die Voraussetzungen der Inanspruchnahme nicht vorgelegen hätten, daraufhin von dem Mitglied des Rates des Kreises Zossen ihm erklärt worden sei, er solle einen weiteren Antrag stellen, diesen direkt an den Direktor der KWV Blankenfelde richten, worauf dann dem Antrag stattgegeben werde”, eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes gemäß § 108 Abs. 1 VwGO und der Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht.
Die Verfahrensweise der „Wahrunterstellung” setzt voraus, dass die behauptete Beweistatsache im Folgenden so behandelt wird, als wäre sie wahr (§ 244 Abs. 3 Satz 2 am Ende StPO); was regelmäßig nur für nicht entscheidungserhebliche Behauptungen infrage kommt (Beschluss vom 12. August 1998 – BVerwG 7 B 162.98 – juris). Das Gericht darf sich im weiteren Verlauf nicht in Widerspruch zu den als wahr unterstellten Annahmen setzen und muss sie „ohne jede inhaltliche Einschränkung” in ihrem mit dem Parteivorbringen gemeinten Sinn behandeln, als wären sie nachgewiesen (Urteil vom 24. März 1987 – BVerwG 9 C 47.85 – BVerwGE 77, 150 ≪155≫; Beschlüsse vom 20. September 1993 – BVerwG 4 B 125.92 – juris und vom 3. Dezember 2012 – BVerwG 2 B 32.12 – juris). Gegen diese Grundsätze hat das Verwaltungsgericht nicht verstoßen.
Die Beschwerde beanstandet, das Verwaltungsgericht habe entgegen der Wahrunterstellung der Tatsachenbehauptung in Nummer 4 des Beweisantrags den Sachverhalt bei seiner Überzeugungsbildung nicht berücksichtigt, dass der Ehemann der Beigeladenen die Enteignung durch Ausnutzung seiner beruflichen Stellung beeinflusst habe, um das Grundstück bzw. das Gebäude erwerben zu können. Das Verwaltungsgericht hat die unter Beweis gestellten Tatsachen bezüglich der beruflichen Stellung des Ehemanns der Beigeladenen und seiner Anträge – zuletzt über den Direktor der KWV Blankenfelde – zum Kauf des streitgegenständlichen Anwesens bei seiner Entscheidung weder unberücksichtigt gelassen noch sich in Widerspruch zu der Unterstellung als wahr gesetzt, sondern aus diesem Sachverhalt lediglich andere rechtliche Schlüsse gezogen (UA S. 10, vorletzter Absatz), die denkgesetzlich möglich sind.
2. Das Verwaltungsgericht hat auch nicht gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen, weil es den Beweisantrag Nummer 3 als ungeeignet abgelehnt hat. Die Ablehnung eines Beweisantrags verstößt dann gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG), wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. § 86 Abs. 2 VwGO, § 244 StPO). Das ist nicht feststellbar.
Eine Beweiserhebung ist u.a. dann nicht erforderlich, wenn das Beweismittel ungeeignet ist, es auf die zu beweisende Tatsache nach Ansicht des Gerichts nicht ankommt (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO entsprechend; Urteile vom 6. Februar 1985 – BVerwG 8 C 15.84 – BVerwGE 71, 38 ≪41≫, vom 24. März 1987 a.a.O. S. 157 und vom 15. März 1994 – BVerwG 9 C 510.93 – NVWZ 94, 1119) oder die Beweisaufnahme nicht notwendig ist, weil die Beweistatsache zugunsten des Betroffenen als wahr unterstellt werden kann (BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Februar 1988 – 2 BvR 1324/87 – NVWZ 1988, 524; BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 1994 – BVerwG 4 B 136.94 – juris). Das Verwaltungsgericht hat den Beweisantrag Nummer 3 deshalb abgelehnt, weil es das Beweisthema und das Beweismittel im Hinblick auf die zu beurteilende Rechtsfrage, ob die Beigeladenen beim Erwerb des Hausgrundstücks im Jahre 1985 redlich waren, als ungeeignet und unerheblich angesehen hat. Der unter Beweis gestellte Sachverhalt bezog sich auf Vorgänge aus dem Jahre 1966 und stand im Zusammenhang mit der Beantragung eines Instandsetzungsdarlehens an die Kreissparkasse Zossen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat der Ehemann der Beigeladenen den Kauf des Hauses mit Schreiben vom 21. Januar 1980 und 15. September 1981 beantragt. Beide Anträge wurden abgelehnt. Der Antrag des Ehemanns der Beigeladenen vom 28. Januar 1984 führte schließlich zum Erfolg. Mit Eigenheimkaufvertrag vom 3. April 1985 erwarben diese das auf dem Grundstück stehende Eigenheim und mit Urkunde vom 14. Mai 1985 wurde ihnen ein dingliches Nutzungsrecht am Grundstück verliehen. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht Vorgänge, die 18 Jahre vor dem Erwerb des streitgegenständlichen Anwesens lagen und die Bewilligung eines Instandsetzungsdarlehens zum Gegenstand hatten, nicht als relevant für die Beurteilung der Rechtsfrage angesehen hat, ob die Beigeladenen zum Zeitpunkt des Erwerbs redlich waren oder nicht.
3. Zu Unrecht rügt die Beschwerde auch die Ablehnung des Beweisbegehrens Nummer 5 der Klägerin hinsichtlich der Zeugeneinvernahme des Direktors und einer Mitarbeiterin der KWV Blankenfelde zu der Beweisbehauptung, dass der Ehemann der Beigeladenen seine berufliche Stellung als Leiter des Jugendreferats des Rates des Kreises Zossen ausgenutzt habe, um den Kauf zu beeinflussen. Das Verwaltungsgericht hat diesen Beweisantrag als unzulässigen Ausforschungsbeweis abgelehnt. Die Ablehnung erfolgte nicht verfahrensfehlerhaft.
Ein als unzulässig ablehnbarer Ausforschungsbeweis liegt in Bezug auf Tatsachenbehauptungen vor, für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (Beschluss vom 29. April 2002 – BVerwG 1 B 59.02 – Buchholz 402.240 § 53 Ausländergesetz Nr. 60; BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. August 1996 – 2 BvR 1968/94 – juris). Die Klägerin hat nicht hinreichend substanziiert dargelegt, welche Indizien aus ihrer Sicht dafür sprechen, dass der Ehemann der Beigeladenen seine berufliche Stellung als Leiter des Jugendreferats des Rates des Kreises Zossen als Druckmittel benutzt haben soll, in unredlicher Weise den Kauf des Eigenheimes über den Direktor und eine Mitarbeiterin der KWV Blankenfelde im Jahre 1985 zu erreichen. Die Tatsache allein, dass der Ehemann der Beigeladenen zu diesem Zeitpunkt Referatsleiter Jugendhilfe beim Rat des Kreises war, besagt für sich gesehen noch nichts. Nach den tatsächlichen, von der Beschwerde nicht substanziiert bestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts sind weder dem Vortrag der Klägerin noch den Akten konkrete Anhaltspunkte zu entnehmen, dass der Ehemann der Beigeladenen gerade seine berufliche Stellung ausgenutzt habe, um das Eigenheim und das Grundstück in unredlicher Weise zu erwerben. Entsprechende Hinweise sind auch nicht dem schriftlich formulierten und zu den Akten gereichten Beweisantrag zu entnehmen. Eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO, des Grundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) sowie der richterlichen Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 VwGO) sind damit nicht hinreichend dargelegt.
4. Schließlich führt auch nicht zur Zulassung der Revision, dass das Verwaltungsgericht den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag Nummer 6 zu einer, im Zeitpunkt der Kaufantragstellung durch die Beigeladenen nicht beabsichtigten, Wohnraumerweiterung für deren Sohn, abgelehnt hat. Es kann dahinstehen, ob die Ablehnung des Beweisantrags mit der Begründung, es handele sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis, zu Recht erfolgte. Für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts war der Umstand, welche baulichen Erweiterungsabsichten die Beigeladenen zum Zeitpunkt des beantragten Kaufes hatten, jedenfalls nicht entscheidungserheblich, sondern die Absicht das Eigenheim auch zusammen mit dem Sohn und dessen Familie zu nutzen (UA S. 11 zweiter Absatz).
5. Das Verwaltungsgericht hat auch nicht deshalb gegen den Grundsatz der Amtsermittlung und das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen, weil es nicht gesehen habe, dass dem Ehemann der Beigeladenen 10 Tage nachdem er eine Bestätigung zur Kenntnis genommen habe, dass ab sofort keine Rechnungen für wertverbessernde Maßnahmen durch die KWV mehr beglichen würden, dennoch einen Betrag von 30 (wohl Mark/Ost) für „Reparaturen, Neuanschaffung” (vgl. Altakte, Blatt 47 Rückseite) gezahlt worden sei. Hieraus ergäben sich Anhaltspunkte für einen unredlichen Erwerb.
Das Verwaltungsgericht hat diesen Sachverhalt erkennbar berücksichtigt (UA 5. 11). Dass es die von der Beschwerde gewünschten Schlussfolgerungen hieraus nicht gezogen hat, begründet keinen Verstoß gegen die bezeichneten verfahrensrechtlichen Grundsätze. Mit diesem Vortrag wendet sich die Beschwerde im Grunde gegen die tatrichterliche Überzeugungsbildung, die dem materiellen Recht zuzurechnen ist.
6. Das Verwaltungsgericht hat auch nicht verfahrensfehlerhaft unterlassen, Helmut M. gemäß § 65 Abs. 2 VwGO zum Verfahren beizuladen. Der Klägerin fehlt es insoweit bereits an der nötigen materiellen Beschwer. Diese setzt voraus, dass der Beschwerdeführer durch den geltend gemachten Mangel in eigenen Rechten betroffen ist. Ein Verfahrensmangel, der ihn nicht in eigenen Rechten berührt, kann der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Dieser Grundsatz gilt auch für die Rüge, eine notwendige Beiladung sei versäumt worden (Beschluss vom 16. September 2009 – BVerwG 8 B 75.09 – NVWZ-RR 2010, 37). Ein Beiladungsmangel würde die Klägerin nicht in ihren eigenen Rechten betreffen, weil ihr das Grundstück nur zur Hälfte gehörte. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts wurde der Anspruch auf Rückübertragung des Miteigentumsanteils des Helmut M. deshalb abgelehnt, weil der behauptete Erbe nicht seine Erbenstellung nach dem Anmelder geeignet nachgewiesen habe. Die notwendige Beiladung nach § 65 Abs. 2 VwGO bezweckt nicht, die Verfahrensposition eines anderen Prozessbeteiligten zu stärken und in dessen Interesse die Möglichkeiten der Sachaufklärung zu erweitern. Sie soll vielmehr die Rechte des notwendig Beizuladenden schützen und dient darüber hinaus der Prozessökonomie, indem sie die Rechtskraft des Urteils auf alle am streitigen Rechtsverhältnis Beteiligten erstreckt. Das schließt kein subjektives Recht der Prozessbeteiligten auf fehlerfreie Anwendung des § 65 Abs. 2 VwGO ein. Wer ordnungsgemäß am Verfahren beteiligt war und entsprechend auf das Verfahrensergebnis einwirken konnte, wird durch das Unterlassen der notwendigen Beiladung eines anderen nicht in eigenen Rechten berührt. Das Risiko, bei Unwirksamkeit der Entscheidung gegenüber dem nicht Beigeladenen in einen weiteren Prozess einbezogen zu werden, ändert daran nichts (vgl. Beschluss vom 16. September 2009 – a.a.O. mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 und Abs. 4 GKG.
Unterschriften
Dr. Christ, Dr. Deiseroth, Dr. Hauser
Fundstellen