Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 21.06.2004; Aktenzeichen 20 N 04.1201) |
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Juni 2004 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 90 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos.
Das Normenkontrollgericht gelangt zu dem Ergebnis, dass der angegriffene Bebauungsplan an zwei beachtlichen Verfahrensfehlern leide und deshalb unwirksam sei: Die Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung des Planentwurfs genüge nicht den Anforderungen des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB a.F. Außerdem sei die gebotene Regel-Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt worden. Ist ein Bebauungsplan wie hier aus mehreren Gründen für unwirksam erklärt worden, kann die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nur dann erfolgreich sein, wenn hinsichtlich aller der im Normenkontrollverfahren festgestellten Unwirksamkeitsgründe eine zulässige und begründete Zulassungsrüge erhoben worden ist. Die prozessuale Lage der beschwerdeführenden Gemeinde oder – wie hier im Falle eines projektbezogenen Bebauungsplans – des Vorhabenträgers würde sich nicht verbessern, wenn nur hinsichtlich eines der festgestellten Unwirksamkeitsgründe ein Zulassungsgrund vorliegt; denn das Revisionsgericht müsste die Revision auch dann zurückweisen, wenn dem Normenkontrollgericht bei dem Unwirksamkeitsgrund, auf den sich die erfolgreiche Zulassungsrüge bezieht, ein Bundesrechtsverstoß unterlaufen sein sollte. Wegen der nicht in das Revisionsverfahren gelangten weiteren Unwirksamkeitsgründe hätte die Unwirksamkeitserklärung durch das Normenkontrollgericht gleichwohl Bestand (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2003 – BVerwG 4 CN 14.01 – BVerwGE 117, 351 ≪352 f.≫).
Im vorliegenden Fall hat die Beigeladene Zulassungsrügen hinsichtlich der beiden vom Normenkontrollgericht festgestellten Unwirksamkeitsgründe erhoben. Die zur fehlerhaften Bekanntmachung der Entwurfsauslegung erhobene Grundsatzrüge greift jedoch nicht durch. Insoweit besitzt die Rechtssache nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beigeladene beimisst. Die Nichtzulassungsbeschwerde muss daher erfolglos bleiben. Den zum Verfahrensfehler der unterlassenen Umweltverträglichkeitsprüfung erhobenen Grundsatzrügen ist deshalb nicht weiter nachzugehen.
Die Beigeladene möchte als Projektträgerin rechtsgrundsätzlich geklärt wissen:
“Gebietet die nach der obergerichtlichen Rechtsprechung erforderliche ‘Anstoßfunktion’ im Falle eines projektbezogenen Bebauungsplans, d.h. außerhalb des Anwendungsbereichs des § 12 BauGB, die konkrete Bezeichnung des Vorhabens (Biomasseheizkraftwerk), das u.a. Gegenstand der geplanten Festsetzung eines Industriegebiets nach § 9 BauNVO sein soll, in der ortsüblichen Bekanntmachung gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB a.F., wenn durch die geplante Festsetzung eigentumsrechtlich in relevanter Weise (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) betroffene Grundstückseigentümer aufgrund der Tatsache ausgeschlossen sind, dass der Geltungsbereich des Bebauungsplans sich ausschließlich auf im Eigentum eines ansiedlungswilligen Investors stehende Grundstücke bezieht?”
Diese Frage kann auf der Grundlage des Gesetzes beantwortet werden, ohne dass es eigens der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Die Antwort folgt aus dem Zweck, den der Gesetzgeber der Bekanntmachung gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB a.F. beigelegt hat. Die Bekanntmachung der Auslegung eines Bauleitplanentwurfs ist mit dem Hinweis darauf zu verbinden, dass Anregungen während der Auslegungsfrist vorgebracht werden können. Die Bekanntmachung hat daher in einer Weise zu erfolgen, die geeignet ist, das Informations- und Beteiligungsinteresse der Bürger zu wecken, die an der beabsichtigten Bauleitplanung interessiert oder von ihr betroffen sind. Der Inhalt der Bekanntmachung muss so gewählt werden, dass sie diese spezifische Anstoßfunktion auslösen kann (in diesem Sinne bereits BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 – BVerwG 4 C 9.77 – BVerwGE 55, 369 ≪375 ff.≫; Urteil vom 6. Juli 1984 – BVerwG 4 C 22.80 – BVerwGE 69, 344 ≪345 ff.≫). Der Inhalt der Bekanntmachung muss also geeignet sein, potenziell planbetroffenen Bürgern ihre Betroffenheit ausreichend vor Augen zu führen (vgl. BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 27. Dezember 1999 – 1 BvR 1746/97 – NVwZ 2000, 546 ≪547≫).
Welche inhaltlichen Anforderungen an die nähere Kennzeichnung eines gemeindlichen Planungsvorhabens zu stellen sind, beurteilt sich nach den Umständen des konkreten Falles. Der beschließende Senat hat hierzu ausgeführt, dass im Allgemeinen für die Kennzeichnung einer Bauleitplanung, die hinreichend konkrete Angabe oder Umschreibung des Plangebietes bestimmend und ausreichend sein werde, um eine gemeindliche Öffentlichkeit herzustellen (Urteil vom 6. Juli 1984 – BVerwG 4 C 22.80 – a.a.O., S. 345 ff.). Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass in aller Regel bereits die Bezeichnung des Plangebiets ausreichen werde, um das Informations- und Beteiligungsinteresse potenziell Planbetroffener zu wecken. Das gilt insbesondere für diejenigen Gemeindebürger, deren Grundeigentum im Plangebiet liegt oder die sich als Bewohner des Plangebiets und angrenzender Bereiche über die Auswirkungen des Planungsvorhabens informieren möchten.
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Nach den Feststellungen des Normenkontrollgerichts geht der angegriffene Bebauungsplan weit über eine “normale”, eine Angebotsplanung beinhaltende Bauleitplanung hinaus: Es werde nicht lediglich ein planerisches Angebot (an die Allgemeinheit) geschaffen, sondern Baurecht “maßgeschneidert” für das von der Beigeladenen projektierte Biomasseheizkraftwerk in Kraft gesetzt und insbesondere auch eine Standortbestimmung getroffen. Für diese Fallkonstellation eines “projektbezogenen Bebauungsplanes” stellt die Vorinstanz den Rechtssatz auf, die Bekanntmachung zur Planauslegung müsse auch die Art des Vorhabens bezeichnen, wenn mit dessen Betrieb erhebliche Umweltauswirkungen auf die Nachbarschaft einhergehen könnten. Allein die Ortsbezeichnung sowie die allgemeine Beschreibung der baulichen Nutzung (hier: Industriegebiet) reiche nicht aus, um potenziell betroffenen Bürgern ihre Betroffenheit ausreichend vor Augen zu führen.
Dem ist beizupflichten. Die Anforderung des Normenkontrollgerichts an den Detaillierungsgrad der Auslegungsbekanntmachung im Falle eines projektbezogenen Bebauungsplans lässt sich unschwer aus der gesetzlichen Anstoßfunktion der Bekanntmachung ableiten. Das liegt im Hinblick auf die erheblichen Umweltauswirkungen, die mit dem Betrieb eines Heizkraftwerks einhergehen können, auf der Hand und ist – wie das Normenkontrollgericht ausführt – aus Gründen einer “fairen Verfahrensgestaltung” geboten, um den potenziell betroffenen Bürgern außerhalb des Plangebiets in der Nachbarschaft des Vorhabens die Möglichkeit zu eröffnen, substantiiert Anregungen und Einwendungen zu erheben. Im Übrigen soll die Öffentlichkeitsbeteiligung nicht nur die Möglichkeit schaffen, Interessen und Rechte geltend zu machen; sie dient auch der effektiven und umfassenden Ermittlung aller abwägungserheblichen Belange und damit der Zusammenstellung des notwendigen Abwägungsmaterials.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Prof. Dr. Rojahn, Gatz
Fundstellen