Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 15.03.2012; Aktenzeichen 2 S 2542/11) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 15. März 2012 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 995,87 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Divergenz (§ 127 Nr. 1 BRRG i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat der Kläger nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise dargelegt.
Rz. 3
Die Darlegung der Grundsatzrüge setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. Beschluss vom 14. September 2010 – BVerwG 8 B 13.10 – ZOV 2010, 325 m.w.N.). Hierfür genügt nicht die bloße Benennung einer Rechtsfrage in Verbindung mit der Behauptung, diese sei von grundsätzlicher Bedeutung (vgl. Beschluss vom 11. November 2011 – BVerwG 5 B 45.11 – juris Rn. 3 m.w.N.). Gleiches gilt für die Behauptung, dass zu der aufgeworfenen Frage noch keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen ist (vgl. Beschluss vom 29. Oktober 2010 – BVerwG 8 B 81.10 – juris Rn. 3 m.w.N.). Zu einer ordnungsgemäßen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gehört vielmehr, dass sich die Beschwerde mit den in der angefochtenen Entscheidung genannten rechtlichen Gesichtspunkten auseinandersetzt und näher erläutert, dass und warum damit die aufgeworfene Frage des revisiblen Rechts noch nicht hinreichend beantwortet ist (Beschluss vom 11. November 2011 a.a.O.). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
Rz. 4
Die Beschwerde wirft als rechtsgrundsätzlich bedeutsam die Frage auf,
ob “es mit Art. 3 Abs. [1] GG sowie der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht ergänzt durch die ebenfalls durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete Alimentationspflicht des Dienstherrn vereinbar (ist), dass der Gesetzgeber bzw. der Verordnungsgeber in der Beihilfeverordnung Aufwendungen für mehr als zwei Implantate pro Kieferhälfte, einschließlich vorhandener Implantate, und die damit verbundenen weiteren zahnärztlichen Leistungen von der Beihilfefähigkeit ausschließt”.
Rz. 5
Rechtsgrundlage der Gewährung von Beihilfe in Krankheitsfällen sind die Vorschriften der Verordnung des Finanzministeriums Baden-Württemberg über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung – BVO BW) vom 28. Juli 1995 (GBl S. 561) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 30. Oktober 2008 (GBl S. 407). Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO BW sind nach den folgenden Vorschriften Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BVO BW sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete zahnärztliche Leistungen nach Maßgabe der Anlage zur Beihilfeverordnung. Deren Nr. 1.2.4 Satz 1 sieht vor, dass Aufwendungen für implantologische Leistungen einschließlich aller damit verbundenen weiteren zahnärztlichen Leistungen nur bei Vorliegen bestimmter, hier nicht einschlägigen Indikationen beihilfefähig sind. In anderen Fällen sind nach Nr. 1.2.4 Satz 2 Halbs. 1 der Anlage Aufwendungen für mehr als zwei Implantate pro Kieferhälfte, einschließlich vorhandener Implantate, und die damit verbundenen weiteren zahnärztlichen Leistungen von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen.
Rz. 6
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die Grundsätze, nach denen sich die Vereinbarkeit eines Leistungsausschlusses im Beihilferecht mit höherrangigem Recht bemisst, geklärt.
Rz. 7
Die Gewährung von Beihilfe findet ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (BVerfG, Beschluss vom 13. November 1990 – 2 BvF 3/88 – BVerfGE 83, 89 ≪99≫ m.w.N.). In ihrem verfassungsrechtlich durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Kernbereich hat der Dienstherr dafür Sorge zu tragen, dass der Beamte im Krankheitsfall nicht mit erheblichen finanziellen Aufwendungen belastet bleibt, die er – in zumutbarer Weise – aus seiner Alimentation nicht bestreiten kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 – 2 BvR 1053/98 – BVerfGE 106, 225 ≪232≫). Art. 33 Abs. 5 GG überlässt ihm die Entscheidung, ob er seiner Fürsorgepflicht durch eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonst geeigneter Weise genügt (BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 a.a.O.).
Rz. 8
Der Dienstherr ist von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht gehindert, im Rahmen der nach medizinischer Einschätzung behandlungsbedürftigen Leiden Unterschiede zu machen und die Erstattung von Behandlungskosten aus triftigen Gründen zu beschränken oder auszuschließen. Denn die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht fordert keine lückenlose Erstattung aller Kosten in Krankheits-, Geburts-, Pflege- oder Todesfällen, die durch die Leistungen einer beihilfenkonformen Krankenversicherung nicht gedeckt sind (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. November 1990 a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2000 – BVerwG 2 C 39.99 – BVerwGE 112, 308 ≪310 f.≫ = Buchholz 237.95 § 95 SHLBG Nr. 3 S. 3). Der Dienstherr muss zwar eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung im Krankheitsfall gewährleisten. Das bedeutet jedoch nicht, dass er die Aufwendungen einer medizinisch notwendigen Leistung in jedem Fall erstatten muss. Er kann grundsätzlich bestimmte Leistungen ganz oder teilweise von der Beihilfe ausschließen, solange er dadurch den Maßstab des medizinisch Gebotenen nicht unterschreitet. Nach dem gegenwärtigen System sind Leistungen nur dann nicht auszuschließen, wenn der absehbare Erfolg einer Maßnahme von existenzieller Bedeutung oder notwendig ist, um wesentliche Verrichtungen des täglichen Lebens erledigen zu können (vgl. Urteil vom 31. Januar 2002 – BVerwG 2 C 1.01 – Buchholz 237.0 § 101 BaWüLBG Nr. 1 S. 3).
Rz. 9
Da die Beihilfe ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn hat, ist diese bei der Prüfung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich zu beachten. Die vom Normgeber für eine Differenzierung im Beihilfensystem angeführten Gründe müssen hiervor Bestand haben. Solange der Gesetzgeber am gegenwärtig praktizierten Mischsystem festhält, ist der allgemeine Gleichheitssatz dann verletzt, wenn eine bestimmte Regelung die im Beihilfensystem angelegte Sachgesetzlichkeit ohne zureichenden Grund verlässt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 1992 – 1 BvL 29/87 – BVerfGE 85, 238 ≪247≫). Für die Beschränkung der Beihilfefähigkeit bedarf es sachlicher, im Beihilferecht angelegter Gründe, die dem insoweit zu beachtenden Gesichtspunkt der Angemessenheit Rechnung tragen (vgl. Urteil vom 28. Mai 2008 – BVerwG 2 C 12.07 – Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 30 = juris Rn. 26).
Rz. 10
Unterschreitet das Alimentationsniveau infolge einer Absenkung des Beihilfestandards die verfassungsrechtlich gebotene Grenze, so führt dies nicht dazu, dass die betreffenden Kürzungs- oder Streichungsregelungen unwirksam oder unanwendbar sind (Urteil vom 5. Mai 2010 – BVerwG 2 C 12.10 – ZBR 2011, 126 ≪Rn. 23≫). Stellen diese im Zusammenwirken mit anderen Besoldungseinschnitten die Amtsangemessenheit der Alimentation in Frage, so ist verfassungsrechtlich nicht die Anpassung der Beihilfen, sondern eine entsprechende Korrektur der Besoldungsgesetze geboten, die das Alimentationsprinzip konkretisieren (BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 a.a.O. S. 233; Kammerbeschluss vom 2. Oktober 2007 – 2 BvR 1715/03 u.a. – DVBl 2007, 1493 ≪1495≫). Aufgrund des besoldungsrechtlichen Vorbehalts des Gesetzes und des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers können Beamten auch dann, wenn die Verfassungsmäßigkeit ihrer Alimentation in Frage steht, keine Besoldungsleistungen zugesprochen werden, die gesetzlich nicht vorgesehen sind. Vielmehr sind sie darauf verwiesen, ihren Alimentationsanspruch dadurch geltend zu machen, dass sie Klage auf Feststellung erheben, ihr Nettoeinkommen sei verfassungswidrig zu niedrig bemessen (Urteil vom 28. April 2005 – BVerwG 2 C 1.04 – BVerwGE 123, 308 ≪312≫ = Buchholz 240 § 72a BBesG Nr. 1 S. 3 f.).
Rz. 11
b) Mit diesen Maßstäben, die auch der Verwaltungsgerichtshof in der Sache der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt hat, setzt sich die Beschwerde nicht auseinander und macht nicht deutlich, dass und zu welchem Gesichtspunkt sich im vorliegenden Fall ein weitergehender Klärungsbedarf ergeben könnte. Die Benennung einer abstrakt formulierten Frage und die pauschale Behauptung, diese sei weder durch das Bundesverwaltungsgericht noch durch das Bundesverfassungsgericht geklärt, genügt hierfür nicht. Gleiches gilt, soweit die Beschwerde im Übrigen ersichtlich von den konkreten Umständen des Einzelfalls ausgeht und sich mit ihren Ausführungen im Stil einer Berufungsbegründung gegen das angefochtene Urteil und die vermeintlich unzutreffende Rechtsanwendung durch den Verwaltungsgerichtshof wendet.
Rz. 12
2. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz im Sinne des § 127 Nr. 1 BRRG i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG zuzulassen. Dabei mag es auf sich beruhen, ob den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung einer solchen genügt ist, da die Rüge jedenfalls unbegründet ist.
Rz. 13
Eine Divergenz ist gegeben, wenn das Oberverwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung einen diese tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, mit dem es einem Rechtssatz widersprochen hat, den ein anderes Oberverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat (Beschluss vom 26. März 2012 – BVerwG 2 B 26.11 – juris Rn. 22). Eine entsprechende Abweichung liegt hingegen nicht vor, wenn die angeblich voneinander abweichenden Entscheidungen verschiedener Oberverwaltungsgerichte auf der Anwendung von Vorschriften beruhen, die Regelungswerken verschiedener Länder angehören. Dies gilt auch dann, wenn die Normen im Wesentlichen inhaltsgleich wären. Denn selbst gleichlautende Vorschriften und die darin verwendeten gleichlautenden Begriffe können in dem Rahmen und der Systematik der Gesetze, deren Teil sie jeweils sind, unterschiedliche Bedeutung haben (Beschluss vom 19. Dezember 1996 – BVerwG 10 B 3.95 – juris Rn. 8 m.w.N.). So verhält es sich hier.
Rz. 14
Soweit die Beschwerde eine Abweichung der angefochtenen Entscheidung von den Urteilen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. August 2008 – 6 A 2861/06 und 6 A 4309/05 – geltend macht, lässt sie unberücksichtigt, dass diese zu § 4 Abs. 2 Buchst. b Satz 1 der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfeverordnung – BVO) vom 27. März 1975 (GV. NRW. S. 332) ergangen sind, während jene an Nr. 1.2.4 Satz 2 der Anlage zur baden-württembergischen Beihilfeverordnung anknüpft.
Rz. 15
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.
Rz. 16
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Vormeier, Stengelhofen, Dr. Fleuß
Fundstellen