Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 26.08.1987; Aktenzeichen 9 B 86.00994) |
Tenor
Die Beschwerde des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. August 1987 wird zurückgewiesen.
Der Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die mit der Beschwerde geltend gemachten Gründe, nach denen gemäß § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO die Revision zuzulassen ist, liegen nicht vor.
Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Die von dem Beigeladenen aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Hauptfürsorgestelle verpflichtet ist, notwendigerweise unter Heranziehung eines fachärztlichen Gutachtens zu klären, ob ein bestimmtes zur Kündigung führendes Verhalten des Schwerbehinderten durch dessen Behinderung psychisch bedingt ist, ist nicht klärungsbedürftig.
Über die Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten durch den Arbeitgeber entscheidet die Hauptfürsorgestelle nach Ermessen (§§ 12 ff. des Schwerbehindertengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Oktober 1979 ≪BGBl. I S. 1649≫ = § 15 ff. des Schwerbehindertengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1986 ≪BGBl. I S. 1421≫). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, welche Gesichtspunkte die Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung zu berücksichtigen hat. Diese Rechtsprechung (z.B. BVerwGE 29, 140 und 48, 264 mit der darin enthaltenen zusammenfassenden Darstellung der maßgebenden Grundsätze) ist zwar noch zu den einschlägigen Vorschriften des Schwerbeschädigtengesetzes in seiner Fassung bis zum 14. August 1961 (BGBl. I S. 1234) ergangen. Sie ist jedoch auch für die in den Grundzügen beibehaltenen Regelungen des Schwerbehindertengesetzes maßgebend, die im vorliegenden Fall gelten.
Keiner rechtsgrundsätzlichen Klärung bedarf es, ob eine Behörde dann ermessensfehlerhaft handelt, wenn sie auf die Einholung eines Gutachtens verzichtet und deswegen von einem unrichtigen Sachverhalt ausgeht. Welche Tatsachen bei der Entscheidung zu berücksichtigen sind, bestimmt sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalles und ist einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Das Verwaltungsverfahren nach dem Schwerbehindertengesetz, das nach Art. II § 1 Nr. 3 des Sozialgesetzbuches – Allgemeiner Teil – vom 11. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3015) in der Fassung des Art. II § 15 Nr. 2 Buchst. b des Gesetzes vom 4. November 1982 (BGBl. I S. 1450) als besonderer Teil des Sozialgesetzbuches gilt, richtet sich nach den Vorschriften des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (= Art. I des Sozialgesetzbuches – Verwaltungsverfahren – vom 18. August 1980 ≪BGBl. I S. 1469≫ in der Fassung des Art. II § 17 des Gesetzes vom 4. November 1982 ≪BGBl. I S. 1450≫) – SGB X –. Auch bei der Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten durch den Arbeitgeber hat deshalb nach § 21 Abs. 1 Satz 1 SGB X die Hauptfürsorgestelle sich der Beweismittel zu bedienen, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Soweit es um die Feststellung geht, ob ein bestimmtes Verhalten eines Arbeitnehmers im Zusammenhang mit seiner Behinderung steht oder nicht steht, kann die Behörde u.a. Sachverständige vernehmen oder die schriftliche Äußerung von Sachverständigen einholen, wenn ihr die eigene Sachkunde für die erforderliche Beurteilung fehlt (§ 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X). Ohne daß es einer Klärung durch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bedarf, folgt schon aus dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes, daß eine Verpflichtung der Behörde zur Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht besteht.
Ebensowenig ist die Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Das Berufungsurteil weicht nicht von dem in der Beschwerde bezeichneten Urteil vom 28. Februar 1968 (BVerwGE 29, 140) ab. Das Berufungsgericht hat eine üblicherweise zu treffende Abwägung des Interesses des Arbeitgebers, die vorhandenen Arbeitsplätze wirtschaftlich zu nutzen und nicht etwa nichtvollwertige Arbeitskräfte „durchschleppen” zu müssen, gegen das Interesse des schwerbehinderten Arbeitnehmers, seinen Arbeitsplatz zu erhalten, deshalb nicht für erforderlich gehalten, weil der Kläger offensichtlich seinen Arbeitsplatz den Anforderungen entsprechend ausgefüllt hat (Urteilsabdruck S. 12). Fehlt es danach schon an den tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme, der Beigeladene müsse den Kläger „durchschleppen”, kann eine Abweichung des Berufungsurteils von dem genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Februar 1968 nicht festgestellt werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3 VwGO; die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 188 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Zehner, Rochlitz, Dr. Pietzner
Fundstellen