Verfahrensgang

OVG für das Land Brandenburg (Urteil vom 31.08.1995; Aktenzeichen 2 (4) A 26/94)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 08.03.2002; Aktenzeichen 1 BvR 1974/96)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg vom 31. August 1995 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 125 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Klägerin ist Pflichtmitglied der Landeszahnärztekammer Brandenburg. Nach der Satzung dieser Kammer über den Anschluß ihrer Kammerangehörigen an das Versorgungswerk der beklagten Zahnärztekammer Berlin ist sie Pflichtmitglied des Versorgungswerks der Beklagten. Ihre Klage, mit der sie die Befreiung von dieser Mitgliedschaft begehrt, war in beiden Rechtszügen erfolglos. Mit ihrer Beschwerde erstrebt sie die Zulassung der Revision.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Berufungsurteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem das Berufungsurteil beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muß in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Berufungsurteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Die Prüfung des Senats ist demgemäß auf fristgerecht vorgetragene Beschwerdegründe beschränkt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

1. Die Klägerin macht geltend, das Berufungsurteil weiche in mehrfacher Hinsicht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab. Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nur dann vor, wenn das Berufungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgerückt ist. Das Darlegungserfordernis verlangt in diesem Zusammenhang, daß in der Beschwerdebegründung ausgeführt wird, daß und inwiefern das Berufungsgericht seine Entscheidung auf einen widersprechenden Rechtssatz gestützt hat.

a) Die Klägerin beanstandet unter III, 1 der Beschwerdebegründung, daß die Landeszahnärztekammer Brandenburg die Anschlußsatzung vom 28. März 1992 (Amtsblatt für Brandenburg S. 498) beschlossen habe, ohne zuvor durch Satzung die nach dem Gesetz notwendige Voraussetzung für den Anschluß zu schaffen. Offenbar habe die Kammer eine solche Satzung im Hinblick auf § 28 des Heilberufsgesetzes vom 28. Januar 1992 (GVBl Bbg I S. 30) – HeilBerG –, der die Möglichkeit miteinander verbundener Versorgungseinrichtungen vorsehe, für entbehrlich gehalten. Indem das Berufungsgericht in dem Gesetz selbst eine ausreichende Rechtsgrundlage für den Erlaß der Anschlußsatzung gesehen habe, sei es “insoweit von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen, als es für die Einrichtung eines Versorgungswerkes nur eine gesetzliche, nicht aber eine satzungsrechtliche Grundlage für erforderlich hält”. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 3. März 1987 – BVerwG 1 C 6.86 – ≪Buchholz 430.1 Kammerrecht Nr. 15≫) bedürfe die Versorgungseinrichtung einer gesetzlichen und einer satzungsgemäßen Grundlage.

Mit diesen Ausführungen wird eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht dargelegt. Das Berufungsgericht hat nicht die Auffassung vertreten, für die Einrichtung eines berufsständischen Versorgungswerks bedürfe es keiner gesetzlichen und satzungsrechtlichen Grundlagen, sondern teilt den gegenteiligen Standpunkt. Es hat diese Grundlagen jedoch in Anwendung nicht revisiblen brandenburgischen Rechts in dem Heilberufsgesetz und der Anschlußsatzung erblickt. Hieran ist der Senat gebunden (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das von der Klägerin angeführte Urteil des beschließenden Senats vom 3. März 1987 enthält keinen Rechtssatz, nach dem die von der Landeszahnärztekammer Brandenburg erlassene Anschlußsatzung außer einer gesetzlichen Grundlage eine weitere Satzung der Kammer voraussetzt. Auch das übrige Vorbringen unter III, 1 der Beschwerdebegründung zeigt einen Revisionszulassungsgrund nicht auf, insbesondere nicht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Es erschöpft sich in der Rüge fehlerhafter Anwendung von Landesrecht. Auch soweit die Klägerin in der Anwendung des Landesrechts durch das Berufungsgericht eine Verletzung von Bundesrecht sieht, macht sie eine klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts nicht ersichtlich.

b) Mit der Rüge, das Berufungsgericht habe die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen an autonome Körperschaften unrichtig angewandt, wird ebenfalls keine zur Zulassung der Revision führende Abweichung dargelegt. Soweit das Beschwerdevorbringen in diesem Zusammenhang überhaupt den erwähnten Darlegungserfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entspricht, läßt sich eine Abweichung nicht erkennen. Die Klägerin entnimmt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Januar 1991 – BVerwG 1 C 11.89 – (BVerwGE 87, 324 ≪328≫) den Satz, der Gesetzgeber habe durch Schaffung eines geeigneten rechtlichen Rahmens und durch Einführung von Kontrollmaßnahmen zur Funktionsfähigkeit des Versorgungswerks beizutragen. Das Berufungsgericht, das sich auf diese Entscheidung mehrfach bezieht, hat sich dazu nicht in Widerspruch gesetzt, indem es mit dem Anschluß an das Versorgungswerk der Beklagten ein ausreichendes und den Anforderungen des § 28 Abs. 3 HeilBerG entsprechendes Aufsichtssystem als gegeben angesehen hat. Was die Beschwerdebegründung hiergegen unter III, 2 im einzelnen vorbringt, könnte allenfalls im Rahmen eines Revisionsverfahrens zu prüfen sein, führt aber nicht auf einen Revisionszulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO.

c) Eine Divergenz wird auch nicht mit dem Vorbringen dargelegt, das Berufungsgericht habe im Widerspruch zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. September 1994 – BVerwG 6 C 11.93 – (DVBl 1995, 430) den Rechtssatz aufgestellt, “wonach die Ermächtigungsgrundlage statt aufgrund des geäußerten parlamentarischen Willens erst durch einen eigenen Akt der Rechtsfindung bestimmt werden kann”. Weder ist dem Urteil des Berufungsgerichts dieser Satz zu entnehmen, noch führt der Hinweis auf die angeführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auf einen damit vergleichbaren Rechtssatz. Mit der Behauptung, das Berufungsgericht habe sich bei der Auslegung des § 28 HeilBerG so weit von dem zugrundeliegenden Gesetz entfernt, daß die Begründung der Entscheidung den Zusammenhang mit dem Gesetz selbst nicht mehr hinreichend erkennen lasse, greift die Beschwerde zwar eine Formulierung des genannten Urteils auf, macht aber nicht ersichtlich, daß das Berufungsgericht hiervon mit einem widersprechenden Rechtssatz abgerückt sei. Daß das Berufungsgericht die Ermächtigung zum Erlaß einer Anschlußsatzung ausgelegt und sie danach den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügend angesehen hat, stellt eine derartige Divergenz nicht dar, und zwar unabhängig davon, ob das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts unrichtig ist, wie die Klägerin meint, oder nicht. Die Angriffe der Klägerin gegen diese Auslegung führen auch sonst nicht auf einen Revisionszulassungsgrund.

d) Mit den Ausführungen der Klägerin unter IV der Beschwerdebegründung zu ihrem Ausschluß von der Willensbildung im Versorgungswerk der Beklagten wird ein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ebenfalls nicht geltend gemacht. Die Klägerin behauptet, sie sei durch die Satzung des Versorgungswerks der Beklagten von jeder Mitwirkung bei deren Willensbildung vollständig ausgeschlossen; dies stehe im Widerspruch zu Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. September 1968 – BVerwG 1 C 4.66 – (Buchholz 451.30 Steuerberater Nr. 2) und vom 10. Juni 1986 – BVerwG 1 C 4.86 – (Buchholz 430.1 Kammerrecht Nr. 13). Danach stelle es einen Verstoß gegen den Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung aller Kammermitglieder dar, wenn nur einer bestimmten Gruppe von Pflichtmitgliedern ein Stimmrecht in der Kammerversammlung gewährt, anderen aber das Stimmrecht völlig versagt werde. Eine Rechtsprechungsdivergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wird damit nicht aufgezeigt. Das Urteil vom 24. September 1968 (a.a.O.) befaßt sich mit der Frage, ob die Satzung einer Steuerberaterkammer, die nur den Steuerberatern ein Stimmrecht in der Kammerversammlung gewährt und den anderen persönlichen Kammermitgliedern ein Stimmrecht völlig versagt, gegen den im Steuerberatungsgesetz enthaltenen Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung aller Kammermitglieder verstößt. Eine Divergenz scheidet bereits deswegen aus, weil es im vorliegenden Fall nicht um die Anwendung des Steuerberatungsgesetzes und die Mitgliedschaftsrechte in einer Steuerberaterkammer geht. Das Urteil enthält keine Rechtssätze darüber, welche Rechtsstellung den Angehörigen einer Landeszahnärztekammer, die dem Versorgungswerk einer anderen Landeszahnärztekammer angeschlossen worden sind, hinsichtlich der Bildung der Organe des Versorgungswerks eingeräumt werden muß. Dasselbe gilt für das Urteil vom 10. Juni 1986 (a.a.O.), das sich mit der Zulässigkeit der Mitgliedschaft einer Handwerkskammer bei dem Deutschen Handwerkskammertag und beim Zentralverband des Deutschen Handwerks befaßt. Dafür ist unerheblich, daß das Versorgungswerk eine rechtlich unselbständige Einrichtung der Beklagten ist und die Angehörigen der Landeszahnärztekammer Brandenburg durch ihren Anschluß an das Versorgungswerk nicht zugleich Mitglieder der Beklagten geworden sind.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts führt der aus Anlaß des Erlasses der Anschlußsatzung 1991 neugefaßte § 29 der Satzung des Versorgungswerks der Beklagten dazu, daß die Angehörigen der Landeszahnärztekammer Brandenburg “mit gleichen Rechten und Pflichten” in das Versorgungswerk der Beklagten aufgenommen werden. Innerhalb des Versorgungswerks ist ein Stimmrecht der Mitglieder nicht vorgesehen; das Versorgungswerk wird vielmehr ausschließlich von seinen Organen geleitet. Richtig ist zwar, daß die Mitglieder der Landeszahnärztekammer Brandenburg an der Wahl des obersten Organs des Versorgungswerks, der Delegiertenversammlung der Zahnärztekammer Berlin, nicht teilnehmen. Ebenso haben sie keinen Einfluß auf die Bildung des Vorstandes der Zahnärztekammer Berlin, eines weiteren Organs des Versorgungswerks. Gleichwohl ist die Landeszahnärztekammer Brandenburg, deren voll stimmberechtigtes Mitglied die Klägerin ist, von der Willensbildung des Versorgungswerks nicht völlig ausgeschlossen. Nach § 2 der Anschlußsatzung ist die Landeszahnärztekammer Brandenburg zu den Delegiertenversammlungen der Zahnärztekammer Berlin einzuladen, wenn das Versorgungswerk Gegenstand der Tagesordnung ist. Nach § 3 muß ein von der Kammerversammlung der Landeszahnärztekammer Brandenburg gewählter Vertreter Mitglied des Verwaltungsausschusses sein. Wenn auch damit die Mitwirkung der Klägerin an der Willensbildung des Versorgungswerks der Beklagten nur eine abgeschwächte und indirekte ist, ist es jedenfalls nicht gerechtfertigt, davon zu sprechen, sie werde von jeder Mitwirkung im Versorgungswerk vollständig ausgeschlossen.

Das Vorbringen der Klägerin in diesem Zusammenhang unter IV der Beschwerdebegründung führt auch sonst nicht auf einen Revisionszulassungsgrund. Namentlich ist nicht dargetan, daß der Sache insoweit grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Klägerin erstrebt mit der Verpflichtungsklage die Erteilung einer Befreiung von der Mitgliedschaft im Versorgungswerk. Die Beschwerde zeigt nicht auf, daß für dieses Klagebegehren die aufgeworfene Frage erheblich sein kann. Sollte, wie die Klägerin meint, die Mitwirkungsmöglichkeit der Mitglieder der Landeszahnärztekammer Brandenburg im Versorgungswerk der Beklagten unzureichend und deswegen ihr Anschluß an das Versorgungswerk nichtig sein, so wäre die Klägerin nicht Mitglied des Versorgungswerks geworden mit der Folge, daß auch kein Raum für eine Befreiung von der Mitgliedschaft (vgl. § 6 der Anschlußsatzung) gegeben wäre. Sollte dagegen die Regelung über die Mitwirkung der brandenburgischen Zahnärzte rechtlich unbedenklich sein oder doch die Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk nicht berühren, so wäre die aufgeworfene Frage für das Klagebegehren ebenfalls ohne Bedeutung.

e) Eine zur Zulassung der Revision führende Divergenz liegt ferner nicht darin, daß das Berufungsgericht die Verweisung der Anschlußsatzung auf die Bestimmungen der Satzung des Versorgungswerks der Beklagten als dynamische Verweisung aufgefaßt hat. Die Klägerin sieht in der Billigung dieser Verweisung einen Verstoß gegen den Satz aus BVerfGE 47, 285 ≪317≫, daß die Auswirkungen dynamischer Verweisungen “zumindest bei grundrechtsrelevanten Regelungen, bei denen der Gesetzesvorbehalt eine eigenverantwortliche Prüfung durch den Gesetzgeber erfordert, verfassungsrechtlich nicht tragbar” sind. Damit ist eine Divergenz im hier maßgeblichen Sinne nicht dargelegt. Das Berufungsgericht, das sich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit einer dynamischen Verweisung ausdrücklich bezieht, hat in Auslegung irrevisiblen Landesrechts dargelegt, daß der Satzungsgeber des Versorgungswerks es nicht vermag, grundlegende Änderungen an der bestehenden Versorgung vorzunehmen, und nur die Möglichkeit hat, die Satzung in mindergewichtigen Einzelheiten zu ändern, die den Kern der bestehenden Versorgung nicht berühren. Daraus ergibt sich, daß die Landeszahnärztekammer mit der Anschlußsatzung für ihre Mitglieder alle wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen und sie nicht einer “außenstehenden” Stelle überlassen hat (BVerfGE 26, 338 ≪367≫). Damit ist klargestellt, daß das Berufungsgericht sich von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat leiten lassen und nicht von ihr abgewichen ist. Insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht seine vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen Grundsätze nicht etwa in BVerfGE 47, 285 aufgegeben. Auch eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist nicht dargetan. Die von der Klägerin angeführten Entscheidungen befassen sich nicht mit der hier einschlägigen Problematik des Anschlusses an ein fremdes Versorgungswerk.

Hinzu kommt folgendes: Der brandenburgische Landesgesetzgeber hat die Landeszahnärztekammer ermächtigt, durch Satzung ihrer Kammerversammlung sich einer anderen Versorgungseinrichtung anzuschließen. Darin liegt eingeschlossen, daß sich die Versicherungsverhältnisse der brandenburgischen Zahnärzte nach dem für dieses (fremde) Versorgungswerk geltenden, von einem anderen Rechtsträger erlassenen Recht bestimmen können. Wenn dies die Anschlußsatzung ausdrücklich hervorhebt (§ 1 Abs. 2 und 3), wird damit der Inhalt eines Anschlusses umschrieben, nicht aber von der eigenen Satzungsgewalt durch dynamische Verweisung Gebrauch gemacht, denn die eigene Satzungsgewalt erstreckt sich im Falle des Anschlusses an ein unselbständiges Versorgungswerk nicht auf die Regelung der Versicherungsverhältnisse des fremden Versorgungswerks. Das Berufungsgericht hat bundesrechtlich unbedenklich ausgeführt, daß Änderungen der Satzung und der Verwaltungsrichtlinien des Versorgungswerks auch nach dem Anschluß Aufgabe der Delegiertenversammlung der Beklagten sind, weil das Versorgungswerk eine Einrichtung der Beklagten geblieben ist und allein ihrer Organisationshoheit unterliegt. Im übrigen hat das Berufungsgericht in Auslegung des Landesrechts entschieden, daß der gegenwärtige “Verzicht” der Landeszahnärztekammer auf “weitere eigene Normsetzung” nicht endgültig ist, sondern die Möglichkeit offen läßt, “die Versorgung der Brandenburgischen Ärzte im Rahmen der durch § 28 Abs. 2 HeilBerG gegebenen Möglichkeiten anderweitig zu regeln”.

Abgesehen davon berücksichtigt die Beschwerde auch im vorliegenden Zusammenhang nicht, daß dann, wenn ihre Erwägungen durchgriffen, die Anschlußsatzung unwirksam und die Klägerin folglich nicht Mitglied des Versorgungswerks geworden wäre. Dann schiede, wie bereits erwähnt, ein Anspruch auf Befreiung von der Mitgliedschaft von vornherein aus. Sollten die Bedenken der Klägerin jedenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Pflichtmitgliedschaft führen, so käme es auf sie für den geltend gemachten Anspruch ebenfalls nicht an. Unter diesen Umständen kann wegen der aufgeworfenen Problematik der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung beigemessen werden.

f) Die Klägerin macht weiterhin geltend, der Beklagten fehle für eine Ausdehnung der Tätigkeit ihrer eigenen Versorgungseinrichtungen über die Grenzen Berlins hinaus jede Befugnis (V der Beschwerdebegründung). Indem das Berufungsgericht “eine Erweiterung des Geschäftskreises über den ihr zugewiesenen Aufgabenkreis für zulässig” gehalten habe, habe es sich in Widerspruch zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. September 1981 – BVerwG 5 C 53.79 – (Buchholz 430.1 Kammerrecht Nr. 7) gesetzt. Nach dieser Entscheidung entspreche es “ständiger Rechtsprechung des BVerwG, daß die Mitglieder öffentlich-rechtlicher Zwangsverbände, worunter auch die berufsständischen Kammern fallen, von dem Verband die Einhaltung der Grenzen verlangen können, die seinem Tätigwerden durch die gesetzlich normierte Aufgabenstellung gezogen sind”. Eine Divergenz ist damit schon deshalb nicht dargelegt, weil das Berufungsgericht in Auslegung des ebenfalls nicht revisiblen § 4 Abs. 2 des Berliner Kammergesetzes es mit dem Zweck der Ermächtigung durch diese Bestimmung für “durchaus vereinbar” gehalten hat, wenn der Satzungsgeber auch Angehörige anderer Kammern desselben Berufs in anderen Bundesländern als Mitglieder des Versorgungswerks aufnimmt, wie es der bereits erwähnte neugefaßte § 29 der Satzung des Versorgungswerks der Beklagten vorsieht. Ungeachtet der hiergegen gerichteten Angriffe der Klägerin steht damit zugleich für das Bundesverwaltungsgericht bindend fest, daß die Beteiligung der Angehörigen gebietsfremder Kammern am Versorgungswerk der Beklagten sich noch innerhalb der Grenzen hält, die ihrem Tätigwerden durch die gesetzlich normierte Aufgabenstellung gezogen sind. Damit erledigt sich zugleich die Annahme der Klägerin, die Entscheidung des Berufungsgerichts stehe aus den genannten Gründen auch im Widerspruch zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Juni 1986 – BVerwG 1 C 9.86 – (Buchholz 430.1 Kammerrecht Nr. 14).

Aus den dargelegten Gründen ist mit dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ebenfalls nicht dargetan. Die Klägerin zeigt auch kein konkretes Bundesrecht auf, das klärungsbedürftig sein könnte. Übrigens hat das Berufungsgericht mit seiner Aussage, die Aufnahme der Mitglieder der Landeszahnärztekammer Brandenburg in das Versorgungswerk der Beklagten habe keiner gesetzlichen Ermächtigung bedurft, nach dem Sinnzusammenhang seiner Entscheidungsgründe lediglich zum Ausdruck gebracht, daß eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung nicht erforderlich sei, denn tatsächlich hat es, wie ausgeführt, § 4 Abs. 2 Berliner Kammergesetz eine solche Ermächtigung im Wege der Auslegung entnommen.

g) Eine weitere Divergenz sieht die Klägerin darin, daß das Berufungsgericht innerhalb des “Herrschaftsbereichs” der Beklagten “unterschiedliche Beteiligungen an der Pflichtmitgliedschaft trotz Auferlegung gleicher Lasten und Vorteile für möglich hält” (VIII der Beschwerdebegründung). Damit weiche das Berufungsgericht von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. November 1989 – BVerwG 1 B 131.89 – (Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 18) ab. Auch dieses Vorbringen erfüllt nicht die Anforderungen an die Darlegung einer Divergenz. Den umfänglichen Ausführungen ist nicht zu entnehmen, auf welche abstrakten Rechtssätze die Klägerin abstellt. Der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist lediglich der Satz zu entnehmen, daß ein Landesgesetzgeber nur innerhalb seines Herrschaftsgebietes den Gleichheitssatz zu wahren verpflichtet sei. Ein entgegenstehender Rechtssatz ist vom Berufungsgericht weder formuliert noch unausgesprochen zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht worden. Vielmehr hat das Berufungsgericht sich ausdrücklich auf diesen Satz bezogen, was die Klägerin im übrigen selbst vorträgt. Wenn das Berufungsgericht, wie die Klägerin meint, diesen Satz nicht hinreichend beachtet haben sollte, so läge darin allenfalls eine fehlerhafte Anwendung eines vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Rechtssatzes auf die konkreten Umstände des Einzelfalls. Eine solche erfüllt jedoch nicht die Merkmale einer Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (vgl. z.B. Beschluß vom 12. Dezember 1991 – BVerwG 5 B 68.91 – ≪Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302≫).

h) Was die Klägerin – unter IX, 3 (S. 48 der Beschwerdebegründungsschrift) – zur Ausdeutung ihres Klagebegehrens vorträgt, läßt sich dem auch insoweit geltend gemachten Zulassungsgrund einer Divergenz nicht zuordnen.

i) Die Beschwerde (IX, 4 der Beschwerdebegründung) entnimmt dem Urteil des Berufungsgerichts einen Rechtssatz des Inhalts, der Klägerin sei es zuzumuten, ihre Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung zu beenden. Mit diesem Rechtssatz setze es sich in Widerspruch zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Mai 1993 – BVerwG 1 B 95.92 – (Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 24), “weil die nach dieser Entscheidung ‘erforderlichenfalls’ notwendige Anpassung der ‘bisherigen Versorgungsplanung’ unter dem Vorbehalt eigener Gestaltung im Wissen mit der demnächst zwangsläufig bevorstehenden Mitgliedschaft in einem bestehenden Versorgungswerk (stehe)”. Auch damit ist eine Divergenz nicht dargelegt. Dies ergibt sich bereits daraus, daß der dem Berufungsurteil entnommene Satz kein abstrakter Rechtssatz ist, sondern in Würdigung des Einzelfalls der Klägerin begründet, weshalb diese keiner “unzumutbaren Überversorgung” ausgesetzt sei. Überdies ist in der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts der von der Beschwerde angeführte Satz nicht enthalten. Das Berufungsgericht hat auch nicht verkannt, daß für die Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes von Bedeutung sind. Es hat dahin erkannt, daß diese Grundsätze hier keine Befreiung von der Mitgliedschaft gebieten, wie sie die Klägerin geltend macht, sondern allenfalls auf die Höhe der Beitragslast von Einfluß sein könnten; eine teilweise Befreiung von der Beitragspflicht sei aber nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Auch darin liegt keine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.

2. Die Klägerin hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, “ob die Besonderheit der Freiberufler, im Beitrittsgebiet allesamt vor ihrer Selbständigkeit jahrelang Pflichtmitglieder in der staatlichen Rentenversicherung der früheren DDR gewesen zu sein, jedenfalls dann besondere Rücksichtnahme bei der Begründung von Pflichtmitgliedschaften in berufsständischen Versorgungswerken erfordert, wenn im Zeitpunkt der Einrichtung des Versorgungswerks der Berufsangehörige eine eigenständige Regelung der Altersversorgung auf der Grundlage übergeleiteter Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet hatte” (Beschwerdebegründung S. 53). Die Frage ist nur verständlich auf der Grundlage der Unterstellung, das Versorgungswerk der Beklagten nehme auf diese Besonderheit keine Rücksicht. Das aber ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, das sich ausführlich mit den insoweit einschlägigen Bestimmungen des § 29 Abs. 4 der Satzung des Versorgungswerks der Beklagten und des § 6 Buchst. g) der Anschlußsatzung befaßt, gerade nicht der Fall. Ob die darin getroffenen Befreiungsregelungen in jeder Hinsicht den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes genügen, ist keine Frage klärungsbedürftigen Bundesrechts, sondern allein eine Frage des nicht revisiblen Landesrechts.

3. Auch die Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greifen nicht durch.

a) Die Klägerin rügt, das Berufungsgericht sei über ihren Vortrag hinweggegangen, sie sei hinsichtlich der Befreiungsmöglichkeit von einer von der Beklagten bewußt herbeigeführten unrichtigen Tatsachengrundlage ausgegangen und sei deshalb überhaupt nicht in der Lage gewesen, bei Inkrafttreten der Anschlußsatzung eine Überversicherung abzuwenden. Mit diesen Ausführungen ist ein Verfahrensmangel nicht dargelegt, wobei dahingestellt bleiben kann, welche Verfahrensvorschrift die Klägerin als verletzt ansieht. Die Klägerin räumt nämlich gleichzeitig ein, ihr “umfangreiches Berufungsvorbringen” sei vom Berufungsgericht “in wenn auch knapper, aber inhaltlich zutreffender Weise” wiedergegeben worden. Damit steht fest, daß das Gericht dieses Vorbringen zur Kenntnis genommen hat. Es besteht auch kein hinreichender Anlaß zu der Annahme, das Oberverwaltungsgericht habe das Vorbringen nicht erwogen; wenn es daraus nicht die von der Klägerin für geboten erachteten Schlüsse auf das Vorliegen eines Befreiungstatbestandes gezogen hat, so liegt darin kein Verfahrensmangel.

b) Auch mit der Rüge, die notwendige Beiladung der Landeszahnärztekammer Brandenburg sei unterblieben, wird kein Verfahrensfehler dargelegt. Zwar kann es einen Verfahrensfehler darstellen, wenn eine nach § 65 Abs. 2 VwGO notwendige Beiladung unterbleibt (vgl. BVerwGE 64, 325 ≪327≫). Wie das Bundesverwaltungsgericht wiederholt entschieden hat, stellt das Unterlassen einer notwendigen Beiladung keinen erheblichen Verfahrensmangel dar, wenn der Beizuladende durch die Entscheidung nicht in seinen Rechten berührt wird (Beschlüsse vom 30. Juli 1990 – BVerwG 7 B 71.90 – ≪Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 109≫ und vom 20. Mai 1992 – BVerwG 1 B 22.92 – ≪Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 106≫, jeweils m.w.N.). Das ist hier der Fall. Davon abgesehen liegt ein Fall notwendiger Beiladung auch nicht vor, da die Landeszahnärztekammer Brandenburg durch die mit der Klage begehrte Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin von der Mitgliedschaft im Versorgungswerk zu befreien, ersichtlich nicht in ihren Rechten betroffen wird. Notwendig ist eine Beiladung nur, wenn die begehrte Sachentscheidung des Gerichts nicht wirksam getroffen werden kann, ohne daß dadurch gleichzeitig unmittelbar und zwangsläufig in Rechte des Beizuladenden eingegriffen wird (Beschluß vom 2. November 1994 – BVerwG 1 B 70.94 – ≪Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 115≫).

4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 2 VwGO und auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Meyer, Hahn, Groepper

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1600600

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