Verfahrensgang
VG Frankfurt (Oder) (Aktenzeichen 6 K 2168/96) |
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe im erstinstanzlichen Verfahren wird verworfen.
Im Übrigen wird den Beigeladenen für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe mit Ratenzahlung in Höhe von monatlich 400 DM unter Beiordnung des Rechtsanwalts B. bewilligt.
Auf die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 7. Februar 2001 wird dieses Urteil aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Beigeladenen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens, soweit die Beschwerde verworfen wurde. Im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten der Schlussentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 149 040 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe im erstinstanzlichen Verfahren durch Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 7. Februar 2001 (vgl. VG-Akte Bl. 125) ist unzulässig; denn dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 37 Abs. 2 Satz 1 VermG).
Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision war den Beigeladenen antragsgemäß Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten zu bewilligen (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO), weil die eingelegte Beschwerde insoweit aus den nachfolgend dargelegten Gründen Erfolg hat und die Beigeladenen nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nur in Raten aufbringen können.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Zwar weicht das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht von einer in der Beschwerde bezeichneten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, vgl. 1.). Es liegt aber ein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, vgl. 2.). Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht (§ 133 Abs. 6 VwGO).
1. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nur dann hinreichend bezeichnet (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem das Verwaltungsgericht einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 1. September 1997 – BVerwG 8 B 144.97 – Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 7 ≪11≫). Die Beschwerde muss also die angeblich widersprüchlichen abstrakten Rechtssätze einander gegenüberstellen. Es kann dahinstehen, ob die Beschwerde dem Darlegungsgebot (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) genügt. Jedenfalls weicht das verwaltungsgerichtliche Urteil nicht von den in der Beschwerde genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab. In seinem Urteil vom 13. September 2000 (BVerwG 8 C 33.99 – Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 6, S. 22 ≪27≫) hat der Senat nicht den Rechtssatz aufgestellt, ein manipulativer Rechtsverstoß im Sinne des § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG ergebe sich nicht bereits aus der Höhe des Kaufpreises, auch wenn dieser unter dem von einem Sachverständigen ermittelten Wert liege. Vielmehr ist der Senat in dieser Entscheidung aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls zu dem Ergebnis gelangt, dass der Verkauf des Grundstücks zu einem Preis unter dem von einem Sachverständigen ermittelten Wert sachlich gerechtfertigt war. Dies schließt nicht aus, dass sich in anderen Fällen ein manipulativer Rechtsverstoß bereits aus der Höhe des Kaufpreises ergeben kann.
Das Verwaltungsgericht hat keinen vom Urteil des Senats vom 19. Juli 2000 (BVerwG 8 C 20.99 – Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 5, S. 14) abweichenden Rechtssatz aufgestellt. Das Verwaltungsgericht ist – allerdings mit einer nicht nachvollziehbaren Begründung (vgl. 2.) – zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladenen positiv wussten, dass keine Forderungen gegen das Vermögen bestanden und dieses auch sonst nicht belastet war. Auch wenn darin ein Subsumtionsfehler liegen mag, enthält das Urteil keinen abstrakten Rechtssatz, mit dem von der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen worden ist.
2. Es liegt ein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) in Verbindung mit dem Untersuchungsgrundsatz (§ 86 VwGO) verletzt. Der Überzeugungsgrundsatz verpflichtet das Tatsachengericht u.a., bei Bildung der Überzeugung von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt auszugehen (stRspr, vgl. Urteile vom 18. Juli 1986 – BVerwG 4 C 40.82 bis 45.82 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 181 und vom 18. Mai 1990 – BVerwG 7 C 3.90 – BVerwGE 85, 155 ≪158≫). Der Überzeugungsgrundsatz ist verletzt, wenn die tatrichterliche Überzeugungsbildung an inneren Mängeln leidet. Das Gericht darf nicht so verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse bei der Bewertung der für die Feststellungen des Sachverhalts maßgeblichen Umstände nicht zur Kenntnis nimmt oder nicht in Erwägung zieht (vgl. Urteile vom 5. Juli 1994 – BVerwG 9 C 158.94 – BVerwGE 96, 200 ≪208 f.≫ und vom 13. Dezember 2000 – BVerwG 8 C 30.99 – ZOV 2001, 172). Zur tatrichterlichen Überzeugungsbildung gehört auch die Ermittlung einschlägigen fremden Rechts, hier des Rechts der Deutschen Demokratischen Republik, und die Subsumtion des Sachverhalts unter dieses Recht (vgl. Beschluss vom 13. Februar 2001 – BVerwG 8 B 241.00 – nicht veröffentlicht).
Das Verwaltungsgericht schildert zunächst den Inhalt von § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Rechte und Pflichten des Verwalters des Vermögens von Eigentümern, die die DDR ungesetzlich verlassen haben, gegenüber Gläubigern in der DDR vom 11. Dezember 1968 – Verwalterverordnung –. Danach konnte der Verwalter verwaltete Vermögenswerte u.a. verkaufen, wenn die Befriedigung von Forderungen gegen das Vermögen auf andere Weise nicht möglich war. Anschließend wird in dem angefochtenen Urteil ausgeführt, die Voraussetzungen für einen Verkauf nach § 1 Abs. 2 Verwalterverordnung hätten objektiv nicht vorgelegen; soweit die Beigeladenen auf eine Forderung in Höhe von 2 920 M verwiesen, sei ihnen entgegenzuhalten, dass von diesem Betrag erstmals in einem Zeitpunkt die Rede gewesen sei, in dem die Entscheidung, den Vermögenswert zu veräußern, bereits gefallen gewesen sei. Dies belegt allenfalls, dass der Verwalter unabhängig davon, ob die Voraussetzungen der Verwalterverordnung vorlagen, zum Verkauf entschlossen war. Dass tatsächlich keine – nur durch Verkauf zu befriedigenden – Forderungen vorlagen, kann daraus nicht geschlossen werden. Weiter heißt es in dem verwaltungsgerichtlichen Urteil, die Kammer habe erhebliche Zweifel daran, dass den 2 920 M reale Forderungen gegenüber dem Verwalter zugrunde gelegen hätten. Diese Zweifel hätten die Beigeladenen nicht ausgeräumt. Damit durfte sich aber das Verwaltungsgericht nicht begnügen. Vielmehr hätte es insoweit von Amts wegen den Sachverhalt erforschen müssen (§ 86 Abs. 1 VwGO) und darauf hinwirken müssen, dass der Beklagte (und gegebenenfalls die Beigeladenen) ihre tatsächlichen Angaben ergänzen (§ 86 Abs. 3 VwGO). Nach dem Akteninhalt – insbesondere der Niederschrift über die Sitzung am 7. Februar 2001 (Bl. 124 f. der VG-Akte) – ist dies nicht geschehen. Wie die nun erfolgte Vorlage der Rechnungen durch den Beklagten zeigt, wäre dieser schon im erstinstanzlichen Verfahren zur Vorlage in der Lage gewesen.
Das Verwaltungsgericht meint auch, der Erwerb habe nicht in Einklang mit einer ordnungsgemäßen Verwaltungspraxis gestanden. Dies ergebe sich daraus, dass die staatlichen Stellen den Beigeladenen Eigentum auch an dem Grundstück übertragen hätten, obwohl sie hierfür nichts bezahlt hätten. Diese in den Entscheidungsgründen getroffene Feststellung ist aktenwidrig. Im Tatbestand des Urteils wird ausgeführt, ein Sachverständiger habe den Wert von Wohnhaus, Stallgebäude und sonstigen Außenanlagen auf 7 265 M geschätzt. Hiervon sei der – oben genannte – Betrag von 2 920 M abgezogen worden. Hätten die Beigeladenen für das Grundstück nichts bezahlt, hätte der Kaufpreis folglich 4 345 M betragen. Tatsächlich betrug der Kaufpreis – nach den Feststellungen im Tatbestand des Urteils – 4 965 M. Daraus ergibt sich, dass für das Grundstück 620 M bezahlt wurden.
Da das Verwaltungsgericht in verfahrensfehlerhafter Weise den objektiven Tatbestand des § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG bejaht hat, kommt es im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht mehr auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil zum subjektiven Tatbestand des § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG an. Allerdings ist insoweit die Argumentation des Verwaltungsgerichts nicht nachvollziehbar. Es führt aus, die Beigeladenen hätten sich in dem Zeitpunkt an den Rat der Gemeinde gewandt, in dem sie erkannt hätten, dass das für das Grundstück eingerichtete Konto kein Guthaben mehr aufgewiesen habe. Damit hätten sie zugleich zum Ausdruck gebracht, dass ihnen zu diesem Zeitpunkt auch bewusst gewesen sei, dass keinerlei Forderungen gegen das Vermögen bestanden hätten und dies auch sonst nicht belastet gewesen sei. Die Kenntnis der Beigeladenen davon, dass das Konto kein Guthaben aufwies, bedeutet aber nur, dass die Beigeladenen wussten, dass keine Mittel vorhanden waren, aus denen etwaige Forderungen hätten befriedigt werden können. Dagegen kann daraus nicht geschlossen werden, dass die Beigeladenen wussten, dass keine Forderungen gegen das Vermögen bestanden.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 13 und 14 GKG.
Unterschriften
Dr. Müller, Krauß, Golze
Fundstellen