Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 07.12.2001; Aktenzeichen 7a D 57/01.NE) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass die Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensfehlers oder nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen ist.
1. Die Beschwerde rügt einen Verstoß gegen die Hinweispflicht nach § 86 Abs. 3 VwGO und die Erörterungspflicht nach § 104 Abs. 1 VwGO als Ausprägungen des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Sie ist der Auffassung, das Normenkontrollgericht habe eine unzulässige „Überraschungsentscheidung” getroffen.
Das Normenkontrollgericht hat entschieden, dass der angefochtene Bebauungsplan nicht deshalb nichtig ist, weil er es zulässt, dass Terrassen, Balkone, Stellplätze und Garagen näher als 20 m an die landwirtschaftlich genutzten Flächen der Antragsteller heranreichen dürfen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Ob die jeweiligen Bauherren diese Möglichkeit nutzten, sei ihre eigene Entscheidung, die die Antragsteller nicht zu einer gesteigerten Rücksichtnahmepflicht zwinge. Die künftigen Bewohner des Plangebiets siedelten sich in Kenntnis der dörflich strukturierten Ortslage Hillensberg am Rand zum Außenbereich und in Kenntnis der sie umgebenden landwirtschaftlich genutzten Flächen an.
Die Antragsteller tragen selbst vor, dass sie das Normenkontrollgericht auf die nach dem Bebauungsplan zulässige Unterschreitung des für notwendig gehaltenen Abstands von 20 m durch Terrassen, Balkone, Stellplätze und Garagen aufmerksam gemacht haben. Sie beanstanden, dass das Normenkontrollgericht nicht offen gelegt hat, wie es ihren Vortrag rechtlich zu würdigen gedenke. Dabei gehen sie zutreffend davon aus, dass es zur Gewährung des rechtlichen Gehörs in besonderen Fällen geboten sein kann, die Verfahrensbeteiligten auf eine Rechtsansicht hinzuweisen, die das Gericht der Entscheidung zugrunde legen will. Dies gilt dann, wenn der sich beschwert fühlende Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt nicht schon von sich aus erkennen kann, auf welche Gesichtspunkte es bei der Entscheidung ankommen kann. Es kann dann im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags zur Rechtslage gleichkommen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 1994 – 2 BvR 126/94 – DVBl 1995, 34 f.; BVerwG, Beschluss vom 12. Februar 1999 – BVerwG 3 B 169.98 – SächsVBl 1999, 184).
Bei Anwendung dieses Maßstabs ist davon auszugehen, dass die Antragsteller von der Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts nicht überrascht sein konnten. Die Antragsgegnerin hatte im Schriftsatz vom 11. September 2001 auf die Gemengelage hingewiesen und damit für die anwaltlich vertretenenen Antragsteller erkennbar das Rücksichtnahmegebot angesprochen, das das Normenkontrollgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Das Rücksichtnahmegebot besagt unter anderem, dass in den Bereichen, in denen Gebiete von unterschiedlicher Qualität und Schutzwürdigkeit zusammentreffen, der Belästigte Nachteile hinnehmen muss, die er außerhalb eines derartigen Grenzbereiches nicht hinzunehmen brauchte (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1975 – BVerwG 4 C 71.73 – BVerwGE 50, 49 ≪54 f.≫). Auch wenn die Reichweite des Rücksichtnahmegebots umstritten oder problematisch sein mag, mussten die Antragsteller alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und ihren Vortrag darauf einstellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133 ≪144 f.≫).
Selbst wenn das Normenkontrollgericht eine unzulässige „Überraschungsentscheidung” getroffen hätte, könnte die Revision nicht zugelassen werden. Die schlüssige Rüge, das rechtliche Gehör sei verletzt, erfordert regelmäßig die substanziierte Darlegung dessen, was der Beteiligte bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. April 1999 – BVerwG 9 B 188.99 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 44). Daran fehlt es hier. Die Beschwerde zeigt nicht auf, mit welchen rechtlichen Argumenten auf die Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts reagiert worden wäre und dass der Normenkontrollantrag bei zutreffender Würdigung der Argumente hätte Erfolg haben müssen.
Die Beschwerde moniert des Weiteren einen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO). Sie meint, dem Normenkontrollgericht hätte sich auch ohne Beweisantrag die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage aufdrängen müssen, wie groß die Schutzzone zwischen den landwirtschaftlichen Flächen der Antragsteller und der heranrückenden Wohnbebauung sein müsse, damit die Bewohner am Rande zum Außenbereich keinen unzumutbaren Geruchs-, Lärm- und Staubimmissionen durch die Bewirtschaftung der Ackerflächen ausgesetzt werden. Ihr Vorbringen genügt indessen nicht den Anforderungen an die in § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO normierte Darlegungspflicht. Das Normenkontrollgericht hat den im Bebauungsplan festgesetzten Abstand zwischen den divergierenden Nutzungen für unbedenklich erachtet, weil bei sachgemäßer Ausbringung der Dünge- und Pflanzenschutzmittel eine unzumutbare Beeinträchtigung des Wohngebietes nicht zu besorgen sei. Da das geplante Wohnbaugebiet außerhalb der Hauptwindrichtung liege, sei den Antragstellern der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu solchen Zeiten zumutbar, in denen der Wind nicht in Richtung der Wohnbebauung wehe. Pflanzen, die an mehreren Tagen hintereinander behandelt werden müssten, dürften nicht im unmittelbaren Grenzbereich zur Wohnnachbarschaft angebaut oder nur zurückhaltend besprüht werden. Weder das StUA A. noch die Landwirtschaftskammer Rheinland noch der Kreis H. als Untere Landschaftsschutzbehörde und Gesundheitsamt hätten gegen die vom Rat der Antragsgegnerin gewählte Schutzzone Einwendungen erhoben. Warum sich das Normenkontrollgericht trotz aller dieser Gesichtspunkte zur Einschaltung eines Sachverständigen hätte veranlasst sehen müssen, zeigt die Beschwerde nicht auf. Mit dem vorinstanzlichen Hinweis auf bereits vorliegende Nachbarbeschwerden war es allein nicht getan, weil die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung vom 11. September 2001 solche Beschwerden mit Nichtwissen bestritten und die Antragsteller für ihre Behauptung den notwendigen Beweis nicht angeboten hatten.
2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.
Die von der Beschwerde im Zusammenhang mit ihrer (behaupteten) Planung, in fünf Jahren die Fruchtfolge wechseln zu wollen, als grundsätzlich bedeutsam bezeichneten Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Normenkontrollgericht hat das Vorbringen der Antragsteller, in fünf Jahren auf ihren der Wohnbebauung nächst gelegenen Flächen statt Feldfrüchten Obst anbauen zu wollen, als unverbindliche Absichtserklärung gewertet, die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. September 2000 – BVerwG 4 B 56.00 – BRS 63 Nr. 107) bei der Bauleitplanung nicht abwägungsbeachtlich ist. Soweit die Beschwerde diese Sachverhaltswürdigung in Zweifel zieht, zeigt sie keinen revisionsgerichtlichen Klärungsbedarf auf, sondern wendet sich gegen das Ergebnis einer normenkontrollgerichtlichen Überprüfung im Einzelfall. Die Frage, wann Planungen eines Landwirts zur Änderung der Fruchtfolge ernsthaft genug sind, um in der Abwägung berücksichtigt werden zu müssen, lässt sich nicht verallgemeinernd beantworten.
Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob zwischen landwirtschaftlich genutzten Flächen und benachbartem Außenwohnbereich zur Vermeidung unzumutbarer Belästigungen der Wohnbevölkerung ein Mindestabstand von 20 m eingehalten werden muss, entzieht sich ebenfalls einer generellen Klärung. Die notwendige Breite einer Schutzzone hängt von verschiedenen Faktoren ab wie der Art der landwirtschaftlichen Nutzung und den in der Region anzutreffenden Witterungsbedingungen, insbesondere der Windrichtung und -geschwindigkeit (OVG Lüneburg, Beschluss vom 15. November 2001 – OVG 1 MN 3457/01 – BauR 2002, 586). Ein festes Maß lässt sich nicht angeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO und die Streitwertentscheidung auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Paetow, Lemmel, Gatz
Fundstellen