Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Erstattung von Schulungskosten, Abtretbarkeit des Anspruchs. Zur Erforderlichkeit einer wiederholten Schulung

 

Normenkette

BPersVG § 44 Abs. 1 S. 1, § 46 Abs. 6

 

Verfahrensgang

OVG für das Land NRW (Beschluss vom 29.05.1984; Aktenzeichen CB 27/82)

VG Aachen (Entscheidung vom 07.06.1982; Aktenzeichen 6 PVB 2/81)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen – Fachsenat für Bundespersonalvertretungssachen – vom 29. Mai 1984 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft, die Antragstellerin, führte im Dezember 1979 im Bildungszentrum Walsrode ein fünftägiges Personalräte-Seminar „BPersVG I” durch, an dem der kurz zuvor zum Vorsitzenden des Beteiligten zu 2), des Personalrats bei der Bezirksgeschäftsstelle A.-M. der DAK, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, gewählte Klaus-Dieter P. teilnahm. Für die Teilnahme hatte ihm der Leiter seiner Dienststelle – der Beteiligte zu 1) – Dienstbefreiung und Kostenersatz gewährt. Dagegen fand er sich lediglich bereit, P. für die Teilnahme an einem ebenfalls von der Antragstellerin veranstalteten Aufbaulehrgang mit dem Thema „Das Personalvertretungsrecht in der Bewährung”, an dem dieser auf Beschluß des Beteiligten zu 2) in der Zeit vom 24. bis zum 29. November 1980 teilnahm, Arbeitsbefreiung zu gewähren. Den Antrag, auch die Kosten für die Teilnahme an dieser Veranstaltung zu übernehmen, lehnte er ab. P. hat seinen Anspruch auf Kostenerstattung an die Antragstellerin abgetreten. Diese hat nach erfolglosen Versuchen, den Zahlungsanspruch gegenüber der DAK durchzusetzen, das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet und beantragt, den Beteiligten zu 1) zu verpflichten, ihr die Kosten in Höhe von 462,40 DM für Unterbringung, Verpflegung und Anfahrt zu erstatten.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen, im wesentlichen aus folgenden Gründen:

Die zulässige Abtretung gehe ins Leere, weil ein Kostenerstattungsanspruch gegen die Dienststelle nicht entstanden sei. Voraussetzung für die Übernahme der Kosten einer Schulung seitens der Dienststelle sei, daß dem Schulungsteilnehmer Kenntnisse vermittelt worden seien, die für die Tätigkeit im Personalrat objektiv und subjektiv erforderlich seien. Die Teilnahme an einem Aufbaulehrgang sei für P. nicht erforderlich gewesen, weil er etwa ein Jahr zuvor an einer fünf- bzw. sechstägigen Schulungsveranstaltung zum Bundespersonalvertretungsgesetz teilgenommen habe. Unter Berücksichtigung eines vertretbaren Belastungsmaßes öffentlicher Haushalte müsse eine Grundschulung von fünf bis sechs Tagen als ausreichend angesehen werden, die P. bereits erhalten habe. Vertiefte Kenntnisse müsse sich ein Personalratsmitglied durch Selbststudium erwerben. Im übrigen müsse der Personalrat bereits bei der Auswahl der Schulungs- und Bildungsveranstaltungen darauf achten, daß diese die erforderlichen Kenntnisse gründlich und konzentriert vermittelten, weshalb sich die Antragstellerin nicht darauf berufen könne, daß der Lehrgang des Jahres 1980 auf dem des Jahres 1979 aufgebaut habe und als zweistufige Grundschulung anzusehen sei. Die Existenz eines Personalratsbeschlusses, ein Personalratsmitglied zu einer Schulungsveranstaltung zu entsenden, lasse noch nicht den Schluß zu, daß die Teilnahme auch erforderlich sei. Allenfalls dann, wenn zwischen den Schulungsveranstaltungen eine größere Zeitspanne liege oder im Bereich des Personalvertretungsrechts wesentliche Änderungen eingetreten seien, könne der Personalrat die Übernahme der Kosten auch für die weitere Schulung verlangen. Dies sei hier nicht der Fall gewesen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, mit der sie die Auslegung des Begriffes „erforderlich” in § 46 Abs. 6 BPersVG durch das Beschwerdegericht als rechtsirrtümlich angreift. Das Beschwerdegericht habe damit die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätze über die personenbezogene Bedeutung des Begriffes in unzulässiger Weise schematisiert, statt auf die besonderen Umstände des Einzelfalles einzugehen. Das Bundesverwaltungsgericht habe eine Schulungsdauer von einer Woche nicht als Höchstgrenze festgelegt, sondern lediglich als nicht unangemessen bezeichnet. Die Gewinnung eines umfassenden Überblicks über das Personalvertretungsgesetz sei für den Personalratsvorsitzenden P. nur möglich gewesen, wenn er – entsprechend der Stoffaufteilung in Grund- und Aufbaukenntnisse – auch den Aufbaulehrgang absolviere. Im übrigen liege es im pflichtgemäßen Ermessen des Personalrats, ob und wann er seinen Vorsitzenden zu Lehrgängen schicke. Eine Ermessensüberschreitung sei indessen nicht festgestellt worden.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluß des Fachsenats für Bundespersonalvertretungssachen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. Mai 1984 aufzuheben und den Beschluß der Fachkammer für Bundespersonalvertretungssachen beim Verwaltungsgericht Aachen vom 7. Juni 1982 dahingehend zu ändern, daß der Beteiligte zu 1) verurteilt wird, an sie 462,40 DM zu zahlen.

Der Beteiligte zu 1) ist dem Antrag entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Zwar hat das Beschwerdegericht sie mit der unzutreffenden Begründung zugelassen, wegen der Frage der Übertragbarkeit des Kostenerstattungsanspruches habe die Sache grundsätzliche Bedeutung. Diese vom Beschwerdegericht als klärungsbedürftig bezeichnete Rechtsfrage hatte der Senat jedoch bereits in seinem Beschluß vom 22. März 1984 – BVerwG 6 P 5.82 _ (BVerwGE 69, 100 = Buchholz 238.3 A § 44 BPersVG Nr. 10 = PersV 1986, 158 = ZBR 1984, 218) und damit bereits vor Erlaß des angefochtenen Beschlusses im gleichen Sinne wie das Beschwerdegericht beantwortet. Gleichwohl ist der Beschluß, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, nicht rechtswidrig, weil das Beschwerdegericht von der kurz zuvor ergangenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts noch keine Kenntnis haben konnte. Der Senat ist daher an die Zulassung gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG, §§ 92 Abs. 2, 72 Abs. 3 ArbGG gebunden.

Ohne Rechtsfehler hat das Beschwerdegericht angenommen, daß das Personalratsmitglied P. berechtigt war, seinen gegen die Dienststelle gerichteten Kostenerstattungsanspruch an die Antragstellerin abzutreten, und es als zulässig angesehen, daß diese den Anspruch im eigenen Namen im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren geltend macht. Diese durch die erwähnte Entscheidung des Senats vom 22. März 1984 (a.a.O.) geklärte Rechtsfrage bedarf keiner weiteren Erörterung.

Die Rechtsbeschwerde bleibt jedoch ohne Erfolg. Der angefochtene Beschluß hält im Ergebnis einer rechtlichen Nachprüfung stand.

Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, daß die durch die Teilnahme an einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung im Sinne des § 46 Abs. 6 BPersVG entstandenen Kosten nach § 44 Abs. 1 S. 1 BPersVG von der Dienststelle zu tragen sind. Das Beschwerdegericht befindet sich damit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats, der insbesondere in seinem Beschluß vom 27. April 1979 – BVerwG 6 P 45.78 – (BVerwGE 58, 54 = Buchholz 238.3 A § 46 BPersVG Nr. 2 = PersV 1980, 19 = ZBR 1979, 310 = VerwRspr. Bd. 30, 923) die Gründe hierfür im einzelnen dargelegt hat. Danach gibt § 46 Abs. 6 BPersVG nicht – wie Abs. 7 dieser Vorschrift – dem einzelnen Personalratsmitglied einen Anspruch auf Freistellung zur Teilnahme an einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung, sondern legt die Entscheidung darüber in die Hand des Personalrats. Denn die Schulung nach Abs. 6 liegt nicht allein im Interesse des zur Teilnahme entsandten und zur Teilnahme verpflichteten Mitgliedes, sondern vor allem im Interesse der Beschäftigten und der Dienststelle an einer ordnungsgemäßen Wahrnehmung personalvertretungsrechtlicher Aufgaben und damit letztlich im Allgemeininteresse. Hierin liegt der grundlegende Unterschied zu dem in Abs. 7 geregelten Anspruch auf Freistellung für die Teilnahme an als geeignet anerkannten Schulungs- und Bildungsveranstaltungen; dieser Anspruch besteht überwiegend im Individualinteresse des Teilnehmers und ist daher auch gesetzlich als Individualanspruch ausgestaltet. Da mithin die Voraussetzungen des § 46 Abs. 6 BPersVG andere und engere sind als die des Abs. 7, entbindet die Bejahung der Voraussetzungen des Abs. 7 nicht von der Prüfung, ob die Veranstaltung für die Arbeit im Personalrat notwendige Kenntnisse vermittelt und demgemäß unter Abs. 6 fällt. Wie der Senat in dem erwähnten Beschluß weiter ausgeführt hat, erübrigt sich diese Prüfung auch nicht deshalb, weil die Antragstellerin als Gewerkschaft in jeder Hinsicht, die Gewähr für eine ordnungsgemäße Schulung bietet. Vielmehr kommt es, worauf das Beschwerdegericht mit Recht abstellt, darauf an, ob die Schulung des konkreten Mitarbeiters objektiv, d.h. von ihrer Thematik her, und subjektiv, d.h. im Hinblick auf das vorhandene Schulungsbedürfnis, erforderlich ist (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. den schon erwähnten Beschluß vom 27. April 1979 – BVerwG 6 P 45.78 – ≪a.a.O.≫ sowie die weiteren Beschlüsse vom gleichen Tage – BVerwG 6 P 30.78 – ≪Buchholz 238.3 A § 46 BPersVG Nr. 6 = PersV 1981, 29 = ZBR 1979, 378≫ und – BVerwG 6 P 76.78 – ≪Buchholz a.a.O. Nr. 4 = PersV 1981, 68≫; ferner den Beschluß vom 22. Juli 1982 – BVerwG 6 P 42.79 – ≪Buchholz a.a.O. Nr. 12 = PersV 1983, 374 = ZBR 1983, 165≫).

Die subjektive Erforderlichkeit der Schulung verlangt, daß der Personalrat ohne Schulung seines Mitgliedes den ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben nicht nachkommen kann. Diese Begrenzung trägt einerseits dem auch für Personalvertretungen als Bestandteile der öffentlichen Verwaltung geltenden Gebot der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel Rechnung. Andererseits schließt sie nicht grundsätzlich die wiederholte Schulung eines Personalratsmitgliedes aus. Diese kann insbesondere dann erforderlich werden, wenn grundlegende Neuregelungen des von der Personalvertretung zu beachtenden Rechts eintreten, deren Aneignung im Selbststudium nicht zumutbar oder sinnvoll ist (vgl. Beschluß vom 27. April 1979 – BVerwG 6 P 76.78 – ≪a.a.O.≫).

Die Rechtsbeschwerde weist zu Recht darauf hin, daß das Beschwerdegericht nicht näher auf die Frage eingegangen ist, ob der Aufbaulehrgang von seiner Thematik her die Teilnahme des Personalratsvorsitzenden P. als objektiv erforderlich erscheinen ließ, sondern im wesentlichen darauf abgestellt hat, daß dieser bereits ein Jahr zuvor an einem Grundkurs teilgenommen hatte. Das Beschwerdegericht hat aber, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang des Beschlusses ergibt, nicht etwa schematisch eine Lehrgangsdauer von fünf bis sechs Tagen als Obergrenze angesehen. Eine derartige Begrenzung des Maßes der Erforderlichkeit läßt sich den bereits erwähnten Beschlüssen des Senats vom 27. April 1979 (a.a.O.) in der Tat nicht entnehmen. Vielmehr liegt dem angefochtenen Beschluß zutreffenderweise die Auffassung zugrunde, daß der Grundkurs, an dem der Vorsitzende des Beteiligten zu 2) im Jahre zuvor teilgenommen hatte, von seiner Thematik her so umfassend war, daß es zur sachgerechten Wahrnehmung der Aufgaben eines Personalratsvorsitzenden der Teilnahme an einem Aufbaukurs innerhalb eines Zeitraums von weniger als einem Jahr nicht bedurfte. Das Beschwerdegericht hat sich bei dieser Einschätzung ersichtlich davon leiten lassen, daß die Thematik des Aufbaulehrganges allenfalls als geeignete, nicht aber als notwendige Kenntnisvermittlung anzusehen ist. Diese Einschätzung des Beschwerdegerichts begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts war in der Einladung zu dem Lehrgang „Das Personalvertretungsrecht in der Bewährung” als Themenübersicht u.a. ausgeführt:

„In diesem Lehrgang sollen die Teilnehmer(-innen) in Anknüpfung an die vermittelten Grundkenntnisse des Lehrganges „BPersVG I”

  • die inzwischen gemachten Erfahrungen bei der Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen austauschen,
  • die vorhandenen Kenntnisse vertiefen,
  • mögliche Konflikte und ihre Lösungsansätze in der Dienststelle erkennen,
  • demokratische Verhaltensweisen am Arbeitsplatz und bei der Interessenwahrnehmung einüben,
  • die aktuelle Rechtsprechung der Gerichte zum Personalvertretungsrecht kennenlernen.”

Wie diese Themenübersicht zeigt, zielte der Lehrgang allenfalls mittelbar und am Rande auf die Vermittlung weiterer, im ersten Lehrgang nicht vorgesehener Grundkenntnisse ab. Vorrangig diente er „in Anknüpfung” an die bereits vermittelten Grundkenntnisse dem Erfahrungsaustausch und der Einübung von Verhaltensweisen auf der Grundlage der dazu erforderlichen und zuvor vermittelten Rechtskenntnisse. Er setzte mithin die für die Personalratstätigkeit erforderliche wesentliche Kenntnis des Personalvertretungsrechts voraus. Es handelte sich aber auch nicht erkennbar um eine dienststellenbezogene, ergänzende Spezialschulung; denn den behandelten Themen fehlt jeder konkrete Bezug zur Arbeit des Beteiligten zu 2) in der Bezirksgeschäftsstelle A.-M. der DAK oder überhaupt zur Personalratstätigkeit in Geschäftsstellen dieser Krankenkasse. Der Lehrgang erschöpft sich vielmehr offenkundig in einer allgemein gehaltenen Auffrischung und Aktualisierung vorhandener Kenntnisse und in der Anleitung dazu, sie anzuwenden. Jedenfalls bieten die tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts keinen Anhaltspunkt für die Auffassung der Rechtsbeschwerde, erst beide Kurse zusammen könnten das für die Tätigkeit eines Personalratsvorsitzenden erforderliche Wissen vermitteln. Eine Schulung mit dem dargestellten Ziel ist schon ihrem Gegenstand nach nicht in dem oben erläuterten Sinn für die Personalratstätigkeit erforderlich.

Die Rechtsbeschwerde konnte daher keinen Erfolg haben.

 

Unterschriften

Prof. Dr. Gützkow, Dr. Eckstein, Dr. Schinkel, Nettesheim, Ernst

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1212419

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