Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Aktenzeichen 7 A 11942/00) |
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 2001 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen führt nicht auf den – allein geltend gemachten – Revisionszulassungsgrund der Grundsatzbedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
1. Die Beschwerde will zunächst als rechtsgrundsätzlich die Frage geklärt wissen, ob „die in dem Urteil … getroffene Auslegung der Ziff. 8.4 der Anlage 4 (zu den §§ 11, 13 und 14 FeV) i.V.m. § 13 Nr. 1 FeV richtig” ist, „dass bei Alkoholabhängigkeit, nachgewiesener Entwöhnungsbehandlung und anschließender nachgewiesener mindestens einjähriger Abstinenz (entsprechend den Begutachtungsleitlinien) automatisch entgegen den Ausführungen in Ziff. 2 der Vorbemerkungen zu Anlage 4 der FeV kein ärztliches Gutachten entsprechend § 13 Nr. 1 FeV beizubringen ist, um zu prüfen, ob Abhängigkeit nicht mehr besteht (bzw. dauerhafte Abstinenz gegeben ist) und damit die Eignung als gegeben anzusehen ist”. Indessen würde sich diese Frage im erstrebten Revisionsverfahren nicht stellen und könnte demzufolge keiner Klärung zugeführt werden, weil die Beschwerde insoweit die entscheidungstragenden tatsächlichen und rechtlichen Annahmen des angefochtenen Urteils verkennt.
a) Nach den Gründen des angefochtenen Urteils hat das Berufungsgericht entschieden, dass dem Kläger gemäß § 2 Abs. 2 StVG i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 FeV die Fahrerlaubnis zu erteilen sei, weil er zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sei; er erfülle die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen.
§ 11 Abs. 1 Satz 2 FeV bestimme, dass die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen insbesondere dann nicht erfüllt seien, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur FeV vorliege. Namentlich mit Nr. 8 der Anlage 4 habe der Verordnungsgeber auf wissenschaftlicher Grundlage gewonnene Erkenntnisse in die Fahrerlaubnisverordnung integriert. Bezogen auf das Streitverfahren regelten die Nrn. 8.3 und 8.4 der Anlage 4, dass nach einer Entwöhnungsbehandlung und einer nachgewiesenen einjährigen Abstinenz im Regelfall die Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges (wieder) vorliege. Für denRegelfall stehe damit auf der vorgenannten Grundlage fest, dass die Gefahr einer erneuten Trunkenheitsfahrt mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sei. Daraus folge u.a. der Ausschluss der Möglichkeiten, Alkoholabhängigkeit als Umstand anzusehen, der grundsätzlich die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausschließe, grundsätzlich eine länger als ein Jahr dauernde Abstinenz für notwendig zu erachten oder grundsätzlich eine durch welche Anforderungen auch immer qualifizierte Abstinenz zu fordern. Nur dann, wenn sich imEinzelfall sachliche Anhaltspunkte dafür ergäben, dass abweichend von dem Vorstehenden ausnahmsweise Zweifel an der Fahreignung dennoch gerechtfertigt seien, könne eine weitere Begutachtung angezeigt sein.
Im Streitfalle sei davon auszugehen, dass der Kläger seit einer 1991 erfolgten Alkoholentwöhnung „glaubhaft trocken” sei; für diesen Zeitraum ergäben sich – belegt durch zahlreiche ärztliche Atteste – keinerlei Anhaltspunkte für einen bestehenden Alkoholgebrauch. Besondere Umstände des Einzelfalles im vorstehenden Verständnis seien nicht ersichtlich. Insbesondere vorliegende medizinisch-psychologische Gutachten seien, wie im Einzelnen dargelegt wird, nicht verwertbar.
b) Auf der Grundlage der im angefochtenen Urteil beanstandungsfrei festgestellten Tatsachen, die den Senat in einem Revisionsverfahren binden würden (§ 137 Abs. 2 VwGO), ergibt sich aus dem dargestellten entscheidungstragenden rechtlichen Ansatz des Oberverwaltungsgerichts, dass die von der Beschwerde aufgeworfene Fragestellung in mehrfacher Hinsicht fehl geht; insbesondere kann keine Rede davon sein, dass hiernach bei nachgewiesener Entwöhnungsbehandlung und anschließender mindestens einjähriger Abstinenz „automatisch kein ärztliches Gutachten entsprechend § 13 Nr. 1 FeV beizubringen ist”. Über den mithin offen zu Tage liegenden Umstand hinaus, dass das angefochtene Urteil keineswegs einem Automatismus-Denken verhaftet ist, verkennt die Beschwerde im Übrigen, dass sich die entscheidungstragenden Erwägungen des Berufungsgerichts sowie die hierzu getroffenen Feststellungen nicht mit der Frage befassen, ob im Sinne des § 13 FeV entscheidungsvorbereitend ein Gutachten einzuholen sei, sondern ob vorliegende Gutachten die Eignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen in Zweifel zu ziehen bzw. auszuschließen in der Lage seien, was das Oberverwaltungsgericht mit nachvollziehbarer Begründung verneint.
2. Auch die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob „die Auffassung des OVG … zutreffend” ist, „dass im Regelfall entgegen den Ausführungen der Ziff. 3.11.2 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung keine psychologische Aussage über eine qualifizierte (tragfähige, stabile, zufriedene) Abstinenz bzw. Nachsorge erforderlich ist”, vermag die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen.
Soweit es sich bei den angesprochenen Beurteilungsleitlinien um die Sechste, erweiterte Auflage der Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung des gemeinsamen Beirats für Verkehrsmedizin beim Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und beim Bundesministerium für Gesundheit vom 28. März 2000 handeln sollte, die im Verkehrsblatt 2000 S. 127 f. erwähnt werden, hätte das Berufungsgericht, das sich nach den Urteilsgründen mit Beurteilungsleitlinien nicht befasst hat, diesen zu Recht keine entscheidungstragende Bedeutung beigemessen, weil es sich hierbei nicht um eine Rechtsquelle handelt, die von Gerichten maßgeblich beachtet werden müsste; vielmehr können die in ihnen enthaltenen Grundsätze den Gutachtern lediglich als eine Art Entscheidungshilfe für den Einzelfall dienen. Nichts anderes könnte auch in einem Revisionsverfahren gelten.
Im Übrigen ist gegen den vom Oberverwaltungsgericht der Sache nach eingenommenen Standpunkt bundesrechtlich nichts zu erinnern, wonach nach einer – wie es für den Streitfall angenommen hat – ausreichend belegten jahrelangen Alkoholabstinenz weitere („qualifizierte”) Abstinenz-Anforderungen („zufriedene”, „tragfähige”, „stabile” Abstinenz) regelmäßig unangemessen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Bei der Streitwertfestsetzung folgt der beschließende Senat der berufungsgerichtlichen Festsetzung.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Brunn
Fundstellen