Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 14.08.1997; Aktenzeichen 1 C 10518/96) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. August 1997 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, daß die geltend gemachten Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO erfüllt sind.
Ist eine vorinstanzliche Entscheidung auf zwei selbstständig tragende Erwägungen gestützt, so kann eine Revision nur zugelassen werden, wenn gegen jeden der tragenden Entscheidungsgründe ein durchgreifender Zulassungsgrund besteht. Das ist hier nicht der Fall. Das Normenkontrollgericht erachtet den angegriffenen Bebauungsplan aus zwei Gründen für abwägungsfehlerhaft. Der Plangeber habe zum einen die immissionsschutzrechtlichen Konfliktsituation nicht hinreichend ermittelt. Insoweit hält das Gericht der Antragsgegnerin ein Ermittlungsdefizit vor. Zum anderen hätten die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege nicht genügend Beachtung gefunden. Es fehle nämlich an planerischen Festsetzungen hinsichtlich der als erforderlich angesehenen und möglichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen.
1. Hinsichtlich der vom Normenkontrollgericht als abwägungsfehlerhaft angesehenen Ermittlungsdefizites bezüglich der immissionsschutzrechtlichen Konfliktsituation erhebt die Beschwerde lediglich eine Verfahrensrüge. Diese Rüge greift nicht durch.
Die Beschwerde trägt vor, das Normenkontrollgericht sei hinsichtlich der Grundstücke des Antragstellers von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Entgegen den Feststellungen des vorinstanzlichen Gerichts grenze das gewerblich genutzte Grundstück des Antragstellers nicht “unmittelbar” an das Plangebiet an. Aus dieser in tatsächlicher Hinsicht fehlerhaften Feststellung ergebe sich dann auch, daß das Normenkontrollgericht bei der immissionsschutzrechtlichen Beurteilung die vorhandenen Höhenunterschiede übersehen und damit die immissionsschutzrechtliche Konfliktsituation unzutreffend beurteilt habe.
Mit diesem Vorbringen läßt sich nicht begründen, daß das Normenkontrollgericht die tatsächlichen Verhältnisse in einem Maße verkannt hat, daß es dem Grundsatz des § 50 BImSchG eine unzutreffende Bedeutung beigemessen hat. Für die Beurteilung einer Verfahrensrüge ist maßgebend, welche Auffassung das vorinstanzliche Gericht seiner Entscheidung in materiellrechtlicher Hinsicht zugrunde gelegt hat. Hier hat das Normenkontrollgericht ganz allgemein ein Ermittlungsdefizit angenommen (vgl. Urteilsabdruck S. 7). Ob es die Intensität der Ermittlungen des Plangebers dabei zutreffend beschrieben hat, ist keine Frage des Irrtums über die tatsächlichen Verhältnisse. Wenn das Gericht ausführt, die Antragsgegnerin habe es an einer gebotenen Aufklärung der Immissionssituation fehlen lassen, dann bringt es damit zum Ausdruck, daß es nach seiner Ansicht Aufgabe des Plangebers, nicht aber des Gerichts sei, entsprechende Ermittlungen anzustellen. Daß sich eine Gemeinde nicht abschließend auf die eingeholten Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange ohne eigene Prüfung “zurückziehen” darf, hat das Bundesverwaltungsgericht bereits ausgesprochen (vgl. BVerwG, Beschluß vom vom 14. August 1989 – BVerwG 4 NB 24.88 – Buchholz 406.11 § 11 BauGB Nr. 5 = DVBl 1989, 1105). Im übrigen ist es eher spekulativ, daß das Normenkontrollgericht – weil es möglicherweise die genaue Belegenheit des gewerblich genutzten Grundstücks des Antragstellers unzutreffend beschrieben hat – daher auch die weitere räumliche Situation in einem entscheidungserheblichen Sinn fehlerhaft beurteilte.
2. Erweist danach die Beschwerde hinsichtlich des einen vom Normenkontrollgericht als tragend angesehenen Rechtsfehlers als unbegründet, kommt es auf das weitere Vorbringen nicht an. Insoweit wird lediglich ergänzend bemerkt:
a) Das Normenkontrollgericht stellt in tatsächlicher Hinsicht fest, daß naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen außerhalb des Plangebietes nicht planungsrechtlich festgesetzt wurden. Dies sei auch nicht beabsichtigt gewesen. Eine ausgesprochene Verpflichtungserklärung der Antragsgegnerin, für die Zurverfügungstellung der notwendigen Flächen zu sorgen, reiche für die Annahme einer planerischen Festsetzung im Sinne des § 17 Abs. 1 LPflG nicht aus. Darin liegt weder eine Abweichung von dem Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Mai 1997 – BVerwG 4 N 1.96 – DVBl 1997, 1121 = DÖV 1997, 829 = ZfBR 1997, 258) noch bestehen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung.
aa) Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem angeführten Beschluß vom 9. Mai 1997 ausgesprochen, daß ein planbedingter Eingriff im Sinne des § 8a Abs. 1 BNatSchG auch durch Maßnahmen außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans ausgeglichen werden könne. Diese Rechtsauffassung zieht das vorinstanzliche Gericht nicht in Zweifel. Es stellt nur fest, daß es insoweit an einer planerischen Festsetzung außerhalb des Plangebietes fehle.
Das Bundesverwaltungsgericht hat des weiteren ausgesprochen, daß zur Sicherung und zur Durchführung dieser naturschutzrechtlichen Maßnahmen ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen planender Gemeinde und der staatlichen Naturschutzbehörde ein zulässiges Mittel sei. Auch mit diesem Rechtssatz setzt sich das Normenkontrollgericht mit seiner Rechtsanwendung nicht in Widerspruch. Das Gericht sagt keineswegs, es wolle einen öffentlich-rechtlichen Vertrag der angegebenen Art nicht genügen lassen. Es will allein die “einseitig” abgegebene Verpflichtungserklärung der Antragsgegnerin nicht als planerische Festsetzung im Sinne des § 17 Abs. 1 LPflG genügen lassen. Hierüber verhält sich indes der angeführte Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts nicht.
bb) Die Beschwerde erachtet es für eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob eine Verpflichtungserklärung des Plangebers ausreiche, dem Gebot der Festsetzung einer Ausgleichsfläche in dem Bebauungsplan zu entsprechen. Für die so gestellte Frage fehlt es an der in § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vorausgesetzten Klärungsfähigkeit. Die gestellte Frage wäre in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich:
Das Normenkontrollgericht hat die von der Antragsgegnerin abgegebene einseitige Verpflichtungserklärung als nicht ausreichend angesehen, um die die nach § 17 Abs. 1 LPflG bestehenden Anforderungen an eine sog. integrierte Landschaftsplanung zu erfüllen. Mit dieser Rechtsauffassung hat das vorinstanzliche Gericht irrevisibles Landesrecht angewandt (vgl. § 137 Abs. 1, §§ 173 VwGO, 562 ZPO). Eine Nachprüfung im Beschwerdeverfahren ist insoweit nicht möglich. Auch Fragen des Bundesrechts stellen sich nach dem Vorbringen der Beschwerde insoweit nicht. Das Landesrecht ist gemäß § 8 Abs. 9 BNatSchG ermächtigt, im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung weitergehende Bestimmungen zu erlassen. Dies setzt § 8a Abs. 1 Satz 1 BNatSchG voraus. Das Normenkontrollgericht hat im übrigen – zusätzlich zu dem eben genannten Gesichtspunkt – die ungenügende Beachtung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege in der Abwägung deshalb angenommen, weil auch der im Aufstellungsverfahren befindliche Bebauungsplan We-15 schon in tatsächlicher Hinsicht keine ausreichenden Ersatzflächen für den hier streitigen Bebauungsplan We-17 ausweise. Auch aus diesem Grunde wäre die von der Antragsgegnerin aufgeworfene Rechtsfrage in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich.
cc) Bei dieser Sachlage kann unentschieden bleiben, ob eine einseitige Verpflichtungserklärung der planenden Gemeinde genügen kann, die gemäß § 8a Abs. 1 BNatSchG vorgesehene planerische Festsetzung von Ausgleichs- und Ersatzflächen zu ersetzen. Dagegen können Bedenken bestehen.
Die Gemeinde kann grundsätzlich die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auch durch vertragliche Regelungen erreichen (BVerwG, Beschluß vom 9. Mai 1997 – BVerwG 4 N 1.96 – DVBl 1997, 1121 = DÖV 1997, 829 = ZfBR 1997, 258). Ganz allgemein kann die Bauleitplanung bestimmte Problemlösungen dann auf ein nachfolgendes Verwaltungsverfahren übertragen, wenn dessen Ergebnis als sicher bereits im Rahmen der planerischen Abwägung antizipiert werden kann (vgl. BVerwG, Beschluß vom 28. August 1997 – BVerwG 4 N 1.86 – DVBl 1987, 1273 – Volksfürsorge; Beschluß vom 7. September 1988 – BVerwG 4 N 1.87 – BVerwGE 80, 184 – Schallschutzfenster; Beschluß vom 14. Juli 1994 – BVerwG 4 NB 25.94 – DVBl 1994, 1152 – Verkehrsprobleme). Eine vertragliche Bindung der planenden Gemeinde gegenüber einer staatlichen Behörde – namentlich einer Naturschutzbehörde – stellt in ähnlicher Weise den Vollzug und die Wahrung der Belange des Naturschutzes sicher wie eine planerische Festsetzung. Bei der einseitigen Verpflichtungserklärung fehlt es an einer ausdrücklichen Bindung gegenüber einem Außenstehenden. Die Gefahr, daß die erklärte Maßnahme des Ausgleichs oder des Ersatzes – obwohl zugesagt – nicht alsbald durchgeführt wird, ist nicht von der Hand zu weisen.
dd) Die Beschwerde hält ferner die Frage im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO für klärungsbedürftig, ob es ausreiche, daß Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in ihrem quantitativen Umfang zwar in einem landespflegerischen Begleitplan, nicht jedoch in der Planungsunterlage des Bebauungsplans ausgewiesen seien.
Die so gestellte Frage rechtfertigt ebenfalls keine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Nicht klärungsfähig ist es, welche Vorgaben § 17 des Landespflegegesetzes des Landes Rheinland-Pfalz zu einer “integrierten Landschaftsplanung” enthält. Dies betrifft irrevisibles Landesrecht. Insoweit könnten sich in einem Revisionsverfahren keine klärungsfähigen Fragen stellen (vgl. § 137 Abs. 1, §§ 173 VwGO, 572 ZPO). Das Normenkontrollgericht stellt für das Beschwerdegericht bindend fest, die Antragsgegnerin habe nicht alle in der Abwägung für notwendig gehaltenen Ersatzmaßnahmen verbindlich festgesetzt. War die Antragsgegnerin hierzu indes im Sinne einer integrierten Landschaftsplanung verpflichtet, so leidet der angegriffene Bebauungsplan an diesem rechtlichen Mangel. Es verletzt kein Bundesrecht, wenn das Normenkontrollgericht hieraus die Folgerung der Nichtigkeit des Bebauungsplans zog.
b) Die Beschwerde trägt vor, die Frage der erforderlichen Ausgleichsflächen sei in der mündlichen Verhandlung nicht erörtert worden. Es habe an richterlichen Hinweisen gefehlt.
Die Beschwerde rügt damit im Kern, die Antragsgegnerin sei durch die gegebene Begründung überrascht worden. Das läßt sich nach dem Inhalt der Gerichtsakten nicht feststellen. Es war von vornherein problematisch, ob Angaben im landespflegerischen Begleitplan im Sinne des § 8a Abs. 1 BNatSchG genügten. Der Antragsteller hat diese Frage in seinem Schriftsatz vom 4. Juli 1996 umfassend erörtert. Hierauf hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 25. Juli 1996 geantwortet. Die textlichen Festsetzungen des angegriffenen Bebauungsplans befassen sich ihrerseits mit Maßnahmen zum Ausgleich und Ersatz von Eingriffen (vgl. II Nr. 2). Bei dieser Ausgangslage konnte die Antragsgegnerin nicht im Sinne der Erfordernisse des Art. 103 Abs. 1 GG überrascht sein, wenn das Normenkontrollgericht die Beachtung des § 8a Abs. 1 BNatSchG prüfte und nach dem Ergebnis seiner Prüfung zum Nachteil der Antragsgegnerin entschied.
c) Soweit die Beschwerde vorträgt, das Normenkontrollgericht sei hinsichtlich der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen, liegt es nahe, dieses Vorbringen als einen insoweit unzulässigen Angriff auf die tatrichterliche Würdigung anzusehen. Im Hinblick auf die fehlende Entscheidungserheblichkeit für die begehrte Revisionszulassung mag dies indes dahinstehen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Berkemann, Hien, Lemmel
Fundstellen
Haufe-Index 1460770 |
NuR 1998, 364 |
ZUR 1999, 54 |
BRS 1997, 744 |
BRS 1998, 744 |