Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 20.11.2013; Aktenzeichen 9 N 13.1681) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. November 2013 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Antragsteller beimessen.
Rz. 2
1. Die Frage, ob der Gesetzesbefehl des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB, wonach Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen haben, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist, auch für den Erlass einer Veränderungssperre im Sinne von § 14 Abs. 1 BauGB zur Anwendung gelangt, führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sich die Antwort unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB gilt für Bauleitpläne. Das sind nach § 1 Abs. 2 BauGB der Flächennutzungsplan und der Bebauungsplan. Die Veränderungssperre ist kein Bauleitplan, sondern dient der Sicherung eines künftigen Bebauungsplans.
Rz. 3
Sollten die Antragsteller die Frage aufwerfen wollen, ob eine Veränderungssperre unwirksam ist, wenn der in Aussicht genommene Bebauungsplan erkennbar gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB verstößt, so könnte sie beantwortet werden, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass eine Veränderungssperre als Sicherungsmittel u.a. ungeeignet ist, wenn der beabsichtigte Bebauungsplan mit einem rechtlich schlechthin nicht behebbaren Mangel behaftet ist (Beschluss vom 21. Dezember 1993 – BVerwG 4 NB 40.93 – Buchholz 406.11 § 14 BauGB Nr. 23 S. 13). Ein solcher Mangel liegt vor, wenn evident ist, dass der Bebauungsplan nicht im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB erforderlich ist (Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2013, § 14 Rn. 57). Der Verwaltungsgerichtshof hat verneint, dass mit der umstrittenen Veränderungssperre ein Bebauungsplan gesichert werden soll, der aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht vollziehbar ist und deshalb gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB verstößt (UA Rn. 26). Die Antragsteller üben daran Kritik. Mit ihr lässt sich die grundsätzliche, d.h. fallübergreifende Bedeutung der Rechtssache allerdings nicht begründen.
Rz. 4
2. Die Frage, welche Anforderungen an die hinreichende Gewichtigkeit privater Belange, die eine Gemeinde zum Anlass für eine Bauleitplanung nehmen darf, zu stellen sind, ist in dieser Formulierung zu unbestimmt, weil sie für eine Vielzahl gedachter Fallgestaltungen einer Antwort zugänglich ist. Der Senat könnte sie deshalb nur in der Art eines Lehrbuchs beantworten. Das ist nicht Aufgabe eines Revisionsverfahrens.
Rz. 5
In ihrer – sprachlich verunglückten – Konkretisierung, ob unzutreffende tatsächliche Annahmen und/oder rechtlich fehlgehende Bewertungen des im Geltungsbereich eines bestehenden Bebauungsplans zur Genehmigung gestellten Vorhabens hinreichend gewichtige private Belange darstellen, die zum Anlass einer Bauleitplanung in Orientierung an den Wünschen der Grundstückseigentümer im Plangebiet zu qualifizieren sind, ist die Frage ohne Weiteres zu verneinen. Sie würde sich in einem Revisionsverfahren auch nicht stellen. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich im Einklang mit der Senatsrechtsprechung (Beschluss vom 21. Dezember 1993 a.a.O. S. 12) entschieden (UA Rn. 31), dass die Wirksamkeit einer Veränderungssperre nicht davon abhängt, ob der – noch nicht beschlossene – Bebauungsplan von einer ordnungsgemäßen und gerechten Abwägung getragen wird. Hiervon unabhängig hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich offen gelassen, ob die Planungsentscheidung der Antragsgegnerin auf unzutreffenden tatsächlichen Annahmen und rechtlichen Bewertungen beruht und damit die Voraussetzungen der aufgeworfenen Frage nicht festgestellt. Wegen grundsätzlicher Bedeutung ist eine Rechtssache aber nur zuzulassen, wenn sich die grundsätzliche Rechtsfrage unmittelbar, nicht erst auf Grund von weiterer Sachaufklärung nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache beantwortet (stRspr, Beschluss vom 29. März 1961 – BVerwG 3 B 43.60 – Buchholz 427.3 § 339 LAG Nr. 120 S. 151).
Rz. 7
Bei der Frage, ob die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs mit der Garantie effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG vereinbar ist, übersehen die Antragsteller, dass es im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht genügt, die Frage als grundsätzlich bedeutsam aufzuwerfen, ob die Auslegung und Anwendung einfachen Rechts grundgesetzkonform ist. Vielmehr muss dargelegt werden, dass der verfassungsrechtliche Maßstab selbst einen die Zulassung der Revision rechtfertigenden Klärungsbedarf aufweist (vgl. Beschluss vom 21. Dezember 1994 – BVerwG 4 B 266.94 – NVwZ 1995, 601 ≪602≫; stRspr). Daran fehlt es hier.
Rz. 8
3. Die Frage, welche Anforderungen an die einer planerischen Bewältigung bedürfenden und somit die städtebauliche Erforderlichkeit im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB begründenden Spannungen zu stellen sind, genügt nicht den an ihre Bestimmtheit zu stellenden Anforderungen. Sie dient den Antragstellern auch lediglich als Anknüpfungspunkt, um der Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs entgegenzutreten (UA Rn. 28), ihr Betrieb löse im gegebenen Umfeld bewältigungsbedürftige Spannungen aus. Mit einer Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung wird ein grundsätzlicher Klärungsbedarf jedoch nicht aufgezeigt.
Rz. 9
Die Revision ist auch nicht zur Klärung der als rechtsgrundsätzlich bezeichneten Frage zuzulassen, ob die Auslegung des Rechtsbegriffes der “typisierten Betrachtungsweise” ausschließlich auf der Grundlage einer immissionsschutzfachlichen Bewertung erfolgen kann. Die Frage stellt sich nicht. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat seine Annahme, der Betrieb der Antragsteller habe im gegebenen Umfeld Spannungen ausgelöst, nicht auf eine typisierte Betrachtungsweise, sondern auf Gutachten zum Einzelfall gestützt. (UA Rn. 28).
Rz. 10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Dr. Gatz, Dr. Külpmann
Fundstellen