Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Urteil vom 21.06.2017; Aktenzeichen 3 A 755/16) |
VG Chemnitz (Entscheidung vom 19.07.2016; Aktenzeichen 3 K 2042/15) |
Gründe
Rz. 1
Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten, ihre Vornamen "Maria Hedwig Gudrun" im Wege der Namensänderung durch Streichung der Vornamen "Maria Hedwig" in den Vornamen "Gudrun" zu ändern. Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen.
Rz. 2
Die Beschwerde der Klägerin, die sich auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) stützt, bleibt ohne Erfolg.
Rz. 3
1. Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. Juli 2016 - 6 B 35.16 [ECLI:DE:BVerwG:2016:200716B6B35.16.0] - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 425 Rn. 3 und vom 21. Dezember 2017 - 6 B 43.17 [ECLI:DE:BVerwG:2017:211217B6B43.17.0] - NVwZ 2018, 496 Rn. 6 m.w.N.). Den nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO maßgeblichen Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.
Rz. 4
Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Fragen auf,
"ob in Ansehung der negativen Religionsfreiheit eines Erwachsenen das öffentliche Interesse an der Namenskontinuität regelmäßig zurücktreten muss, wenn dieser aus religiöser Überzeugung einen seiner Vornamen, der ihm als 'Taufname' beigegeben wurden, ablegen möchte",
und
"ob insbesondere Bundesbürger, die auf dem Gebiet der ehemaligen DDR geboren wurden, von ihren Eltern einen Rufnamen und weitere religiöse Vornamen erhalten haben, im Zuge der Ausübung der negativen Religionsfreiheit die Möglichkeit haben, aufgrund der Rechtsänderung im Personenstandswesen im Jahr 2010 auch noch später die religiös geprägte(n) Vornamen ablegen können, wenn die Belastungen mit diesen Vornamen erst nach 2010 zu Tage getreten sind."
Rz. 5
Diese Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Soweit sie sich verallgemeinerungsfähig beantworten lassen, bedarf es hierzu im Hinblick auf die vorhandene Rechtsprechung nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Im Übrigen betreffen die Fragen die Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung im Einzelfall und sind daher einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.
Rz. 6
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt ein die Änderung des Namens rechtfertigender Grund im Sinne des § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NÄG) vor, wenn die Abwägung aller für und gegen die Namensänderung streitenden schutzwürdigen Belange ein Übergewicht der für die Änderung sprechenden Interessen ergibt; dies gilt für die Änderung eines Vornamens nach § 11 i.V.m. § 3 Abs. 1 NÄG ebenso wie für die Änderung eines Familiennamens. Die Änderung des Vornamens unterscheidet sich von der Änderung eines Familiennamens dadurch, dass den öffentlichen Interessen, auf die bei der Änderung eines Vornamens Bedacht zu nehmen ist, ein geringeres Gewicht zukommt als dem öffentlichen Interesse am unveränderten Fortbestand eines Familiennamens, der in weitergehendem Umfang als Unterscheidungs- und Zuordnungsmerkmal dient. Das folgt daraus, dass die soziale Ordnungsfunktion des Nachnamens stärker hervortritt als diejenige des Vornamens. Letzterer dient der Unterscheidung mehrerer Träger desselben Nachnamens insbesondere in der Familie und hat eine stärker auf die Individualität der Person bezogene Bedeutung. Die gegen eine Namensänderung sprechenden schutzwürdigen Belange können aus den in den gesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck kommenden Grundsätzen der Namensführung hergeleitet werden. Zu diesen Grundsätzen zählen die Ordnungsfunktion des Namens sowie das sich daraus ergebende ordnungsrechtliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Namens. Das Interesse an der Namenskontinuität besteht vornehmlich darin, den Namensträger zu kennzeichnen und sein Verhalten - im Rechtsverkehr oder im Bereich der Strafverfolgung - diesem auch in Zukunft ohne weitere Nachforschungen zurechnen zu können (vgl. zusammenfassend BVerwG, Beschluss vom 13. September 2016 - 6 B 12.16 [ECLI:DE:BVerwG:2016:130916B6B12.16.0] - Buchholz 402.10 § 3 NÄG Nr. 83 Rn. 12 ff. m.w.N.).
Rz. 7
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ferner geklärt, dass das öffentliche Interesse an der Vornamenskontinuität regelmäßig zurücktreten muss, wenn ein Kind aus religiöser Überzeugung seinem Vornamen einen ihm als "Taufnamen" beigegebenen Vornamen voranstellen will (BVerwG, Urteil vom 26. März 2003 - 6 C 26.02 - Buchholz 402.10 § 11 NÄG Nr. 5 S. 4). Ein vergleichbar hohes Gewicht in der Abwägung muss dem privaten Interesse an der Namensänderung auch in dem gewissermaßen entgegengesetzten Fall zukommen, dass die Streichung eines Vornamens begehrt wird, der als - einem anderen Vornamen beigefügter - "Taufname" die Zuwendung zu einem bestimmten Glauben dokumentiert, sofern die fortdauernde Identifizierung mit diesem Namen der religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung des Grundrechtsträgers widerspricht. Da das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG die negative wie die positive Äußerungsform der Glaubensfreiheit gleichermaßen schützt (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 ≪301≫), bedarf es zu dieser Klarstellung nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Ob dem beigefügten Vornamen nach der zum Zeitpunkt der Eintragung in die Geburtsurkunde maßgeblichen Rechtslage oder Verwaltungspraxis geringere rechtliche Relevanz zukam, ist für die zukunftsbezogene Beurteilung, ob die fortdauernde Identifizierung mit dem Namen der religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung eines Grundrechtsträgers widerspricht, ohne Belang.
Rz. 8
Das Oberverwaltungsgericht hat die dargelegten Rechtsgrundsätze dem Berufungsurteil - entweder ausdrücklich oder jedenfalls der Sache nach - zugrunde gelegt. Aufgrund der den Senat bindenden, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Tatsachenfeststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) ist es bei der fallbezogenen Würdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin durch die versagte Streichung der beiden Vornamen nicht in ihrer negativen Religionsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 GG verletzt ist. Die Ablegung der beiden Vornamen "Maria" und "Hedwig" sei angesichts ihrer heutigen weitgehend säkularen Bedeutung nicht geeignet, eine nach außen hin sichtbare und nachvollziehbare Distanzierung vom katholischen Glauben zu bewirken. Diese Vornamen bewirkten heute nicht mehr vornehmlich eine Identifizierung des Namenträgers mit dessen Religionszugehörigkeit. Der Vorname "Hedwig" sei althochdeutschen Ursprungs und stehe für "Kampf" (Hadu) und "Streit" (Wig). Es sei davon auszugehen, dass er von vornherein nur von wenigen Fachkundigen mit der schlesischen Heiligen Hedwig von Andechs in Verbindung gebracht werde. Der Vorname "Maria" gehöre seit vielen Jahren in regional unterschiedlicher Ausprägung zu den beliebtesten weiblichen Vornamen. Eine Vielzahl von Personen trage heute diesen Vornamen, ohne sich dadurch über die religiöse Herleitung des Namens insbesondere mit der katholischen Kirche zu identifizieren oder nach außen hin seine Zugehörigkeit oder Verbundenheit mit ihr zu manifestieren. Nachdem sich die beiden Vornamen von ihrer religiösen Bedeutung oder ihren Ursprüngen entkoppelt hätten, bewirke die Tatsache, dass diese beiden Namen weiterhin in der Geburtsurkunde und den zur Identitätsfeststellung dienenden Ausweisen und auch gelegentlich im behördlichen und geschäftlichen Verkehr erschienen, daher nicht, dass die Klägerin als Namenträgerin in der Öffentlichkeit als Mitglied der katholischen Kirche und gegebenenfalls auch mit von einzelnen Geistlichen begangenen Straftaten identifiziert werden würde.
Rz. 9
Sofern die Beschwerde der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, eine Verletzung der negativen Religionsfreiheit der Klägerin sei schon wegen der heute weitgehend säkularen Bedeutung der fraglichen Vornamen nicht anzunehmen, unter anderem entgegenhält, der Bezug des Namens Maria zur katholischen Kirche dränge sich geradezu auf und die heilige Hedwig sei nicht nur Schutzpatronin von Schlesien und Andechs, des Bistums Görlitz und der Stadt Görlitz, sondern auch der ihr geweihten St. Hedwigs-Kathedrale in Berlin, die Friedrich der Große für die zugewanderten Katholiken aus Schlesien habe errichten lassen, rügt sie in der Sache die tatrichterliche Sachverhaltswürdigung. Hierauf kann die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht gestützt werden.
Rz. 10
Fehlt es nach alledem schon aus den dargelegten Gründen an der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen in einem Revisionsverfahren, kann dahinstehen, ob sie auch deshalb keine grundsätzliche Bedeutung haben, weil eine Änderung der Rechtslage bevorsteht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Grundsatzbedeutung einer auf ausgelaufenes oder auslaufendes Recht bezogenen Frage regelmäßig zu verneinen, weil der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Revision eröffnen soll, um Fragen zur Auslegung des geltenden Rechts mit Blick auf die Zukunft richtungsweisend zu klären (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Februar 2016 - 6 B 45.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:040216B6B45.15.0] - juris Rn. 12). In diesem Zusammenhang ist auf die durch Art. 1 Nr. 16 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2522) eingeführte Vorschrift des § 45a PStG hinzuweisen, die am 1. November 2018 in Kraft tritt. Unterliegt der Name einer Person deutschem Recht und hat sie mehrere Vornamen, so kann nach § 45 a Abs. 1 Satz 1 PStG deren Reihenfolge durch Erklärung des Namenträgers gegenüber dem Standesamt neu bestimmt werden (Vornamensortierung). Hierdurch werden zwar die im vorliegenden Fall maßgeblichen Vorschriften des Namensänderungsgesetzes nicht berührt. Wie bereits das Oberverwaltungsgericht zutreffend bemerkt hat, wird die Klägerin jedoch in die Lage versetzt, die Konfrontation mit den Vornamen "Maria" und "Hedwig" erheblich zu reduzieren.
Rz. 11
2. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.
Rz. 12
Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder das Bundesverfassungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt haben. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen. Die Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die eines der genannten divergenzfähigen Gerichte aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge dagegen nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2017 - 6 B 43.17 - NVwZ 2018, 496 Rn. 4 m.w.N.).
Rz. 13
Nach diesem Maßstab wird die von der Beschwerde behauptete Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bereits nicht in der gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise dargelegt. Dem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten abstrakten Rechtssatz, dass das öffentliche Interesse an der Vornamenskontinuität im Hinblick auf die in Art. 4 Abs. 1 GG gewährleistete Glaubensfreiheit regelmäßig zurücktreten muss, wenn ein Kind aus religiöser Überzeugung seinem Vornamen einen ihm als "Taufnamen" beigegebenen Vornamen voranstellen will (BVerwG, Urteil vom 26. März 2003 - BVerwG 6 C 26.02 - Buchholz 402.10 § 11 NÄG Nr. 5 S. 4), hält die Beschwerde keinen ebenso abstrakten und zudem entscheidungserheblichen Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts entgegen, mit dem es im Berufungsurteil von dem genannten Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen wäre. Stattdessen wendet sich die Beschwerde nach Art einer Revisions- bzw. Berufungsbegründung lediglich gegen die fallbezogene Würdigung des Oberverwaltungsgerichts, dass die Klägerin durch die Ablehnung der Streichung der beiden Vornamen "Maria" und nicht in ihrer negativen Religionsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 GG verletzt sei, weil diese Maßnahme angesichts der heute weitgehend säkularen Bedeutung dieser Namen nicht geeignet sei, eine nach außen hin sichtbare und nachvollziehbare Distanzierung vom katholischen Glauben zu bewirken.
Rz. 14
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Fundstellen
StAZ 2018, 353 |
FSt 2019, 267 |