Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Beschluss vom 22.07.2004; Aktenzeichen 13 LB 450/03) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. Juli 2004 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die auf Zulassung der Revision gerichtete Beschwerde ist nicht begründet.
1. Die Revision ist nicht nach §§ 133, 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
1.1 Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
„ob Personen, die im Wege des Aufnahmeverfahrens nach Verlassen des Aussiedlungsgebietes in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind und hier ständigen Wohnsitz vor dem 07.09.2001 genommen haben und im Zeitpunkt der Einreise bis zum 07.09.2001 die Voraussetzungen als Spätaussiedler im Sinne des § 4 Abs. 1 BVFG, § 6 BVFG in der damaligen Fassung erfüllten, keinen Anspruch auf Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung für den Zeitraum, in dem sie als Spätaussiedler Aufnahme gefunden haben, haben könnten,”
rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deswegen nicht, weil nach dem insoweit nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen Beschluss des Berufungsgerichts Streitgegenstand des Berufungsverfahrens allein die von dem Kläger begehrte Verpflichtung der Beklagten war, ihm (gegenwärtig) „eine Spätaussiedlerbescheinigung zu erteilen” (S. 14 des Beschlusses). In der Rechtsprechung des Senats ist zudem geklärt, dass nach § 100a BVFG, der die Anwendung des nach dem 7. September 2001 geltenden Rechts auch auf Anträge nach § 15 Abs. 1 BVFG bestimmt und sich erkennbar auf die Änderung des § 6 Abs. 2 BVFG durch das Spätaussiedlerstatusgesetz bezieht, jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der gesetzlichen Anforderungen an die deutschen Sprachkenntnisse für die Prüfung der Frage, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausstellung der Bescheinigung vorliegen, von § 6 Abs. 2 BVFG n.F. auszugehen ist (BVerwGE 116, 114; bestätigt durch das zwischen den Beteiligten dieses Verfahrens ergangene Urteil vom 4. September 2003 – BVerwG 5 C 35.02 – Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 101). Überdies betrifft die Frage, nachdem § 6 Abs. 2 BVFG zum 7. September 2001 geändert worden ist, ein Übergangsproblem zu ausgelaufenem Recht. Rechtsfragen, die ausgelaufenes oder auslaufendes Recht betreffen, kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu (vgl. z.B. Beschlüsse vom 9. Dezember 1994 – BVerwG 11 PKH 28. 94 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 und vom 20. Dezember 1995 – BVerwG 6 B 35.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9). Es ist nichts dafür dargetan, dass das ausgelaufene Recht noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in unabsehbarer Zukunft von Bedeutung sein könnte (vgl. u.a. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 – BVerwG 6 B 35.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 m.w.N.; Beschluss vom 23. Februar 1999 – BVerwG 2 B 11.99 – juris; Beschluss vom 11. Februar 2005 – BVerwG 5 B 12.05 –); für das Vorliegen einer solchen Sachlage ist der Beschwerdeführer darlegungspflichtig (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995, a.a.O., m.w.N.).
1.2 Aus den vorstehend bezeichneten Gründen ist die Revision auch nicht wegen der Frage zuzulassen,
„ob in dem Fall, in dem das Spätaussiedlerklarstellungsgesetz eine Neuregelung auch für Personen beabsichtigt hat, deren Verfahren noch nicht abgeschlossen waren, den bereits entstandenen Spätaussiedlerstatus bis zum Inkrafttreten des Gesetzes rückwirkend wieder beseitigen kann oder nicht.”
Auch insoweit berücksichtigt das Vorbringen des Klägers nicht hinreichend, dass sein Begehren von dem Berufungsgericht ohne erkennbaren Verfahrensverstoß allein als Begehren dahin gedeutet worden ist, ihm (zukunftsbezogen) eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG auszustellen, so dass sich die von dem Kläger für die Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung in dem Zeitraum bis zum 7. September 2001 aufgeworfenen Fragen als nicht entscheidungserheblich nicht stellten. Die allein zukunftsbezogene Deutung des Klagebegehrens entspricht § 15 Abs. 1 BVFG, wonach eine Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung für bereits abgeschlossene, in der Vergangenheit liegende Zeiträume gerade nicht vorgesehen ist; dass keine zeitabschnittsweise Betrachtung vorzunehmen ist, folgt auch aus der Rechtsprechung des Senats zur Anwendung von § 6 Abs. 2 BVFG n.F. (BVerwGE 116, 114; Urteil vom 4. September 2003, a.a.O.), die voraussetzt, dass der Anspruch auf Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung einheitlich nach dem im Zeitpunkt der Erteilung geltenden Recht zu beurteilen und nicht nach Zeitabschnitten teilbar ist.
1.3 Die Frage,
„ob die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit auch für die rückwirkende Streichung der weiteren Bestätigungsmerkmale Erziehung und Kultur angenommen werden kann,”
kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führen. Diese in der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 4. September 2003, a.a.O.) offen gelassene Frage stellte sich, wie in jenem Urteil ausgeführt, nur, „wenn feststünde, dass die Eltern, ein Elternteil oder andere Verwandte dem Kläger deutsche Erziehung oder deutsche Kultur ausnahmsweise auch ohne Sprachvermittlung in einer den Anforderungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG (F. 1993) genügenden Weise vermittelt haben”. Der angegriffene Beschluss enthält entgegen dem Vorbringen des Klägers in der Beschwerde, er habe „nachgewiesen, dass ihm die Bestätigungsmerkmale Erziehung und Kultur über die deutsche Sprache, die er zwar in der Familie erlernt und passiv beherrscht hat, vermittelt worden” seien, keine tatsächlichen Feststellungen, die eine solche Bewertung rechtfertigten; die vom Kläger aufgeworfene Frage wäre mithin in einem Revisionsverfahren schon nicht entscheidungserheblich. Selbst wenn unterstellt wird, dass das Berufungsgericht hierzu hätte Feststellungen treffen müssen, rechtfertigte diese Frage die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung auch deswegen nicht, weil auch sie eine Frage des Übergangsrechts betrifft; dass diese Rechtsfrage noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis von Bedeutung sein könnte, ist zum einen vom Kläger nicht dargelegt und zum anderen schon deswegen unwahrscheinlich, weil bereits nach der bis zum 7. September 2001 geltenden Rechtslage eine Vermittlung der von dem Kläger in Anspruch genommenen Bestätigungsmerkmale ohne die gleichzeitige Vermittlung der deutschen Sprache zwar nicht rechtlich, wohl aber praktisch ausgeschlossen war (s.a. BVerwGE 102, 214 ≪221≫).
2. Die Revision ist nicht nach §§ 133, 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen. Der Beschluss des Berufungsgerichts leidet nicht an dem geltend gemachten Begründungsmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 138 Nr. 6 VwGO).
Eine Entscheidung ist im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO nur und erst dann nicht mit Gründen versehen, wenn eine Begründung gänzlich unterblieben ist oder die der Entscheidung beigegebenen Gründe dem Kernanliegen des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO, die tragenden Entscheidungsgründe knapp, aber verständlich zu vermitteln (Beschluss vom 28. Februar 1977 – BVerwG 6 C 3.77 – Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 10), nicht mehr genügen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn die Entscheidungsgründe unverständlich, verworren oder in sich so widersprüchlich sind, dass sie keinen Aufschluss mehr erlauben, welche tatsächlichen Feststellungen oder rechtlichen Erwägungen für das Gericht leitend gewesen sind (Beschluss vom 4. August 1983 – BVerwG 9 C 101.83 –, unter Hinweis auf Urteil vom 16. Dezember 1970 – BVerwG 6 C 61.66 – Buchholz 237.2 § 190 LBG Berlin Nr. 1; Beschluss vom 2. November 1972 – BVerwG 5 CB 6.72 – Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 7; Urteil vom 30. Juni 1992 – BVerwG 9 C 5.91 – DVBl 1993, 47 m.w.N.). Nicht erforderlich ist indes, dass sich die Entscheidung ausdrücklich mit jedem von einem Beteiligten als entscheidungserheblich angesehenen Gesichtspunkt auseinander setzt.
Mit dem Hinweis, aus den Sprachkenntnissen seiner älteren Brüder sei zu ersehen, dass, „was vom Kläger auch nicht in Abrede genommen worden” sei, es möglich gewesen sei, „in Duschanbe/Tadschikistan (in der Familie) so Deutsch zu lernen, dass ein 'einfaches Gespräch' auf Deutsch geführt werden” konnte, hat das Gericht klargestellt, dass aus seiner Sicht (wie es bereits in dem vorangegangenen Berufungsurteil vom 5. August 2002 – 13 LB 1023/01 – ausgeführt hatte) dem Kläger die sog. Fiktionsregelung des § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht zu Gute kommen könne. Soweit der Kläger geltend macht, das Berufungsgericht habe sich nicht mit seinem Vorbringen auseinander gesetzt, ihm seien familiär hinreichend die deutsche Erziehung und die deutsche Kultur über die deutsche Sprache vermittelt worden, wobei für die Vermittlung der Erziehung und Kultur passive Sprachkenntnisse ausreichend sein dürften, ist es schon nicht ersichtlich, dass es aus der – für die Frage des Vorliegens eines Verfahrensmangels insoweit maßgeblichen – Sicht des Berufungsgerichts auf diese Frage entscheidungserheblich angekommen sein könnte. Denn das Berufungsgericht sah sich nach dem Urteil des Senats vom 4. September 2003 (a.a.O.) an die Rechtsauffassung gebunden, dass auf den Fall des Klägers die Vorschrift des § 6 Abs. 2 BVFG 2001 anzuwenden sei (Beschluss S. 15 Absatz 3); für das Vorliegen eines Begründungsmangels unerheblich wäre, ob diese Bindung auch hinsichtlich der vom Senat offen gelassenen Frage der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit für die rückwirkende Streichung der weiteren Bestätigungsmerkmale „Erziehung, Kultur” bestanden hat. Dass das Berufungsgericht, da aus seiner Sicht „hier allein entscheidungserheblich” (Beschluss S. 16), im Hinblick auf § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG 2001 maßgeblich auf die – nach seiner Bewertung rudimentären – Deutschkenntnisse des Klägers abgestellt hat, lässt allerdings die Möglichkeit offen, dass nach der Beurteilung des Berufungsgerichts im Falle des Klägers auch aus tatsächlichen Gründen nicht der zwar rechtlich denkbare, aber praktisch ausgeschlossene Fall (BVerwGE 102, 214 ≪221≫) einer Vermittlung deutscher Erziehung und deutscher Kultur ohne gleichzeitige Vermittlung der deutschen Sprache vorgelegen hat.
3. Soweit der Kläger in dem nach Ablauf der Frist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingegangenen Schriftsatz vom 23. März 2005 geltend macht, er sei „deutscher Volkszugehöriger in rechtlichem Sinne ab seiner Geburt”, sei „unabhängig von seiner Volkszugehörigkeit im rechtlichen Sinne nach neuer Vorschrift deutscher Staatsangehöriger” und habe „deshalb ein Vertreibungsschicksal erlitten”, stehen diese Ausführungen schon nicht in einem hinreichend deutlichen Bezug zu einem fristgerecht geltend gemachten Revisionszulassungsgrund und lassen auch sonst nicht hinreichend erkennen, auf welche im Berufungsverfahren entscheidungserhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage sie bezogen sein könnten; entsprechendes gilt für das Vorbringen, er müsse „als deutscher Staatsangehöriger und Vertriebener aber unabhängig von seiner deutschen Volkszugehörigkeit genauso behandelt werden […] als ein deutscher Volkszugehöriger im Rechtssinne”, so dass „in verfassungskonformer Interpretation des § 4 Abs. 1 BVFG dem Kläger eine Spätaussiedlerbescheinigung auszustellen” sei. Soweit mit diesem Vorbringen geltend gemacht werden sollte, Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit sei die Bescheinigung nach § 15 BVFG stets und unabhängig von den im Gesetz geregelten Voraussetzungen zu erteilen, so ergäbe sich unmittelbar aus dem Gesetz, dass dies nicht zutrifft. Die Zweifel an der Bewertung des Berufungsgerichts, der Kläger habe im Zeitpunkt seiner Einreise die deutsche Sprache nicht hinreichend beherrscht, betreffen, ohne auf einen Zulassungsgrund zu weisen, die einzelfallbezogene Würdigung des Sachverhalts und sind ebenfalls erst nach Ablauf der Frist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO geltend gemacht worden.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ab.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2, § 72 Nr. 1 GKG in der Fassung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718).
Unterschriften
Dr. Säcker, Dr. Franke, Prof. Dr. Berlit
Fundstellen