Tenor
Die Anhörungsrüge der Kläger gegen den Beschluss des Senats vom 2. Juli 2008 – BVerwG 4 A 1025.06 – wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Die Anhörungsrüge bleibt ohne Erfolg. Das Gericht hat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör nicht verletzt.
1. Der Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist nicht dadurch verletzt worden, dass das Gericht über die Klage der Kläger durch Beschluss nach § 93a Abs. 2 VwGO, und nicht aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil entschieden hat. Ist über vom Gericht vorab durchgeführte Musterverfahren (vgl. § 93a Abs. 1 VwGO) rechtskräftig entschieden worden, kann das Gericht gemäß § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO nach Anhörung der Beteiligten über die ausgesetzten Verfahren durch Beschluss entscheiden, wenn es einstimmig der Auffassung ist, dass die Sachen gegenüber den rechtskräftig entschiedenen Musterverfahren keine wesentlichen Besonderheiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen und der Sachverhalt geklärt ist. Das Gericht hat den Klägern mit Schreiben vom 29. Juni 2006 die Gelegenheit eingeräumt, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 4. Juni 2008 hat der beschließende Senat den Klägern mitgeteilt, dass er beabsichtige, die Rechtssache nunmehr abschließend zur Entscheidung vorzubereiten, und auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 93a VwGO hingewiesen.
Mit dem Beschluss vom 2. Juli 2008 hat der Senat von der ihm in § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, weil er einstimmig der Auffassung war, dass der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist und die Sache gegenüber den Musterverfahren keine wesentlichen tatsächlichen oder rechtlichen Besonderheiten aufweist. Dies wird in den Rn. 14 bis 17 des Beschlusses hinsichtlich der Rechtsgrundlage des von den Klägern geltend gemachten Entschädigungsanspruchs und in Rn. 18 bis 24 hinsichtlich der von ihnen angegriffenen Stichtagsregelung im Einzelnen näher begründet. Dabei hat der Senat das Vorbringen der Kläger zur Kenntnis genommen und erwogen. Die von den Klägern gegen die eingeschlagene Verfahrensweise des Senats erhobenen Rügen beschränken sich auf den Vorwurf, der Senat habe zu Unrecht angenommen, dass ihr Fall gegenüber den entschiedenen Musterverfahren keine wesentlichen Besonderheiten tatsächlicher und rechtlicher Art aufweise und der Sachverhalt nicht geklärt sei. Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird aber nicht verletzt, wenn das Gericht dem zur Kenntnis genommenen und in Erwägung gezogenen Vorbringen eines Beteiligten nicht folgt, sondern aus Gründen des materiellen Rechts oder des Prozessrechts zu einem anderen Ergebnis gelangt, als die Beteiligten es für richtig halten.
2. Die Kläger sind in ihrem Anspruch auf Wahrung des rechtlichen Gehörs auch nicht deshalb verletzt, weil der erkennende Senat einen Beweisantrag der Kläger “übergangen” hat. Der Senat hat den Beweisantrag in den Gründen seines Beschlusses vom 2. Juli 2008 inhaltlich wiedergegeben und dargelegt, dass er dem Antrag auf der Grundlage seiner materiellrechtlichen Auffassung mangels Entscheidungserheblichkeit nicht stattgegeben habe (Rn. 20, 24).
Der Senat war entgegen der Anhörungsrüge nicht gehalten, entsprechend § 86 Abs. 2 VwGO über den Beweisantrag der Kläger vorab durch Beschluss zu befinden. Vor einem Beschluss nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO bedarf es grundsätzlich keiner Vorabentscheidung über einen Beweisantrag. Das Gericht muss allerdings die Erheblichkeit einer Beweiserhebung vor der Entscheidung prüfen und in seiner Sachentscheidung nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO die Gründe darlegen, die es zum Verzicht auf die Erhebung des beantragten Beweises veranlasst haben. Das ist hier geschehen. Diese Verfahrensweise rechtfertigt sich aus der besonderen Zielsetzung des § 93a Abs. 1 und 2 VwGO. Die Vorschrift dient der Beschleunigung und Vereinfachung von gerichtlichen Massenverfahren. Er berechtigt das Gericht zur Auswahl eines oder mehrerer Musterverfahren und zur Entscheidung der übrigen (zunächst ausgesetzten) Verfahren unter Berücksichtigung der in den Musterverfahren gewonnenen Erkenntnisse unter vereinfachten Bedingungen. § 86 Abs. 2 VwGO regelt das Verfahren nach Stellung eines Beweisantrages für den Regelfall der mündlichen Verhandlung und ist nicht auf die Bewältigung von Massenverfahren im Beschlusswege zugeschnitten, denen aufgrund mündlicher Verhandlung rechtskräftig entschiedene Musterprozesse vorangegangen sind.
Im Übrigen hat der Senat die Kläger in seinem Schreiben vom 4. Juni 2008 auf seine Absicht, die Rechtssache nunmehr abschließend zur Entscheidung vorzubereiten, und (erneut) auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 93a VwGO hingewiesen. Die Kläger mussten deshalb damit rechnen, dass der Senat ohne die beantragte Beweiserhebung durch Beschluss zur Sache entscheiden werde. Ihnen blieb nach dieser Mitteilung ausreichend Zeit, sich in jeder Hinsicht auf diese Verfahrenssituation einzustellen, abschließend vorzutragen und ggf. neue Anträge – auch Beweisanträge – zu stellen. Das ist nicht geschehen.
3. Der Senat hat sich auch nicht “mit der Argumentation der Kläger in einem zentralen Punkt auf eine evident unsachliche und willkürliche Weise” auseinander gesetzt und dadurch ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Der auf S. 17 der Anhörungsrüge erhobene Vorwurf, der Senat habe das “zentrale Argument” der Kläger “verdreht” wiedergegeben, trifft nicht zu. Der in Rn. 22 des Beschlusses vom 2. Juli 2008 (BA S. 11) zurückgewiesene Standpunkt der Kläger findet sich in deren Schriftsatz vom 15. August 2006 (S. 8). Entscheidungstragend für die Abweisung der Klage sind im Übrigen die in Rn. 19 und 23 des Beschlusses dargelegten Gründe, die sich ebenfalls mit dem Vortrag der Kläger auseinandersetzen. Soweit die Kläger diese Anhörungsrüge mit einer inhaltlichen Kritik an der Sachverhaltswürdigung und der Rechtsanwendung durch das Gericht verbinden, sind weitere Ausführungen nicht veranlasst.
4. Der Vorwurf, der beschließende Senat habe den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör “durch unfaire Verfahrensgestaltung” verletzt, ist zurückzuweisen. Auf die vorstehenden Ausführungen (1. bis 3.) wird verwiesen. Ergänzend ist auszuführen:
Die Vorlage des von den Klägern angesprochenen Verkehrswertgutachtens betreffend das streitbefangene Grundstück durch die Beigeladene zu 1 war auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des beschließenden Senats nicht erforderlich, da die Höhe des Verkehrswerts dieses Grundstücks im Zeitpunkt des von den Klägern gestellten Übernahmeantrags vom November 2004 oder zu einem früheren Zeitpunkt nicht entscheidungserheblich war. Der Verkehrswert des Grundstücks zum maßgeblichen Zeitpunkt ist ggf. in einem Entschädigungsverfahren nach rechtskräftigem Abschluss des anhängigen Klageverfahrens zu bestimmen. Das stellen auch die Kläger nicht in Abrede (vgl. S. 3 ihres Schriftsatzes vom 20. Oktober 2006). Der Senat hat deshalb davon abgesehen, die Beigeladene zu 1 zur Vorlage dieses Verkehrswertgutachtens aufzufordern und mit einer Entscheidung in der Sache bis zur Vorlage des Gutachtens zuzuwarten. Er hat deshalb auch seine in einem frühen Verfahrensstadium (23. Oktober 2006, 6. Dezember 2006) auf Anregung der Kläger an die Beigeladene zu 1 gerichtete Anfrage, ob das Verkehrswertgutachten vorgelegt werden könne, nicht weiter verfolgt.
Die weitere Rüge, die Kläger hätten davon ausgehen müssen, dass die vom Senat getroffene Auswahl der Musterverfahren nicht willkürfrei gewesen sei, geht fehl. Das Gericht entscheidet nach Ermessen darüber, welche Verfahren es als Musterverfahren für geeignet hält. Die Auswahl muss nach sachlichen Kriterien erfolgen und hat sich daran zu orientieren, ob in den ausgewählten Verfahren voraussichtlich alle Rechtsfragen, die mit der behördlichen Maßnahme verbunden sind, geklärt werden können (vgl. auch Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Januar 2000, Rn. 11 zu § 93a VwGO m.w.N.). Dem entspricht die vom Senat getroffene Auswahl.
Dem Prozessbevollmächtigten der Kläger ist mit Schreiben des Gerichts vom 28. April 2005 u.a. mitgeteilt worden, welche Gesichtspunkte den Senat bei der Auswahl der Musterverfahren geleitet haben. Hierzu gehörte der Gesichtspunkt, dass zur effektiven Vorbereitung und Durchführung der mündlichen Verhandlung angesichts der sehr umfangreichen und schwierigen Tatsachen- und Rechtsfragen, die der Rechtsstreit um den Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld vom 13. August 2004 aufgeworfen hat, eine Konzentration auf einige wenige Verfahren geboten war. Die Musterverfahren mussten gewährleisten, dass alle die Gesichtspunkte geprüft werden konnten, die für die – in nahezu allen Klagen – geltend gemachten Ansprüche auf Planaufhebung oder Planergänzung wesentlich waren. Der Senat hat deshalb nicht nur Verfahren ausgewählt, in denen Kläger beteiligt waren, die von dem planfestgestellten Ausbauvorhaben mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung betroffen waren und deshalb eine umfassendere Klagebefugnis als lärmbetroffene Grundstückseigentümer besitzen, deren Grundstücke nicht für Zwecke des Ausbauvorhabens benötigt wurden. Für die Auswahl der Verfahren nicht enteignungsbetroffener Kläger war der Gesichtspunkt maßgeblich, nur über solche Verfahren mündlich zu verhandeln, in denen die Kläger das Lärmschutzkonzept des Beklagten und die planfestgestellten Entschädigungsregelungen umfassend angegriffen hatten. Dazu zählte das Verfahren der Kläger im Verfahren BVerwG 4 A 1025.06 (vormals BVerwG 4 A 1010.04) nicht. Die Befürchtung der Kläger, der Senat habe “bewusst” solche Klagen als Musterverfahren ausgewählt, in denen Grundstücke streitbefangen gewesen seien, für die (nur) eine sonderentwicklungsbedingte Minderung des Verkehrswertes von (bis zu) 20 % zu beobachten gewesen sei, ist abwegig.
5. Soweit die Kläger mit ihrer Anhörungsrüge geltend machen, der Senatsbeschluss vom 2. Juli 2008 verletze ihr Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) und den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), rügen sie die fehlerhafte Anwendung von Normen des materiellen Verfassungsrechts, die nicht Gegenstand einer Anhörungsrüge nach § 152a VwGO sein kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht.
Unterschriften
Dr. Paetow, Prof. Dr. Rojahn, Dr. Jannasch
Fundstellen