Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortbildung, Auswahl von Teilnehmern an einer Fortbildungsveranstaltung „Weiterbildung” zum Beratungslehrer
Leitsatz (amtlich)
Die Auswahl von Lehrern für die Teilnahme an der Weiterbildung zum Beratungslehrer unterliegt gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 5 Nds. PersVG der Mitbestimmung des Personalrats.
Normenkette
Nds. PersVG § 75 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
OVG für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein (Beschluss vom 20.03.1985; Aktenzeichen 18 OVG L 1/85) |
VG Hannover (Beschluss vom 14.11.1904; Aktenzeichen PL VG 19/83) |
Tenor
Der Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachen und Schleswig-Holstein – Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Niedersachsen – vom 20. März 1985 und der Beschluß des Verwaltungsgerichts Hannover – Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen – vom 14. November 1984 werden aufgehoben.
Es wird festgestellt, daß die Auswahl von Lehrern zur Teilnahme an der Weiterbildung zum Beratungslehrer aufgrund des Erlasses des Niedersächsichen Kultusministers vom 6. März 1978 (SVBl. 1978, S. 132) der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4 000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Durch Erlaß vom 6. März 1978 (Schulverwaltungsblatt – SVBl. – 1978, S. 132) regelte der Niedersächsische Kultusminister den Einsatz und die Weiterbildung von Beratungslehrern. Danach können Lehrer, die ihre Probezeit erfolgreich abgeschlossen und sich mindestens drei Jahre im Schuldienst bewährt haben, mit der Wahrnehmung der Funktion eines Beratungslehrers beauftragt werden, wenn sie an einer Weiterbildung teilnehmen, die aus einem dreitägigen Einführungslehrgang und einem zweijährigen Fernstudienlehrgang mit abschließender Prüfung besteht. Die Entscheidung über die Zulassung zum Einführungskurs und zum Weiterbildungslehrgang, der parallel zum Einsatz des Lehrers als Beratungslehrer in der Schule stattfindet, obliegt der oberen Schulbehörde. Dem Beratungslehrer können in seiner Schule Aufgaben der Schullaufbahnberatung, der Einzelfallhilfe und der Beratung von Schule und Lehrern übertragen werden.
Zum Beginn des Schuljahres 1983/84 sollten die oberen Schulbehörden gemäß dem Erlaß des Niedersächsischen Kultusministers vom 17. Dezember 1982, SVBl. 1983, S. 10, jeweils 50 Lehrer mit der Wahrnehmung der Funktion eines Beratungslehrers beauftragen und diese für die Teilnahme an der Weiterbildung zum Beratungslehrer auswählen. Mit Schreiben vom 17. Mai 1983 beanspruchte der Antragsteller, der bei der Bezirksregierung Hannover, der Beteiligten, gebildete Lehrerbezirkspersonalrat, gegenüber der Beteiligten ein Mitbestimmungsrecht bei der Auswahl der Lehrer und bat, ihm die vorgenommene Auswahl (Zulassungen und Ablehnungen) zur Mitbestimmung vorzulegen. Die Beteiligte teilte dem Antragsteller jedoch lediglich die Liste der ausgewählten Teilnehmer für die entsprechenden Fortbildungskurse mit. Das Mitbestimmungsverfahren führte sie nicht durch.
Der Antragsteller hat daraufhin das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet und beantragt
festzustellen, daß die Auswahl der Lehrer, die aufgrund der Beauftragung der Beteiligten ab 1. August 1983 an der Weiterbildung zum Beratungslehrer teilnehmen, seiner Mitbestimmung unterlag.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt. Die Beschwerde des Antragstellers gegen diesen Beschluß blieb erfolglos. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts beruht im wesentlichen auf folgenden Erwägungen:
Die Auswahl von Lehrern für die Weiterbildung zum Beratungslehrer unterliege nicht der Mitbestimmung des Personalrats gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 5 Nds. PersVG. Der in dieser Vorschrift festgelegte Mitbestimmungstatbestand „Durchführung der Berufsausbildung und Fortbildung” umfasse lediglich Maßnahmen und Richtlinien allgemeinen Inhalts. Daran habe auch das Vierte Gesetz zur Änderung des Niedersächsichen Personalvertretungsgesetzes vom 20. März 1972 nichts geändert, mit dem zwar die – bis dahin nur der Mitwirkung unterliegende – Fortbildung der Bediensteten in die Mitbestimmung einbezogen, das auf Maßnahmen und Richtlinien allgemeinen Inhalts beschränkte Mitbestimmungsrecht gemäß § 75 Abs. 1 Buchst. d) Nds. PersVG a.F. aber nicht erweitert worden sei. Einzelmaßnahmen wie die konkrete Auswahl individueller Teilnehmer würden demnach von dem Tatbestand des § 75 Abs. 1 Nr. 5 Nds. PersVG nicht erfaßt. Für eine vom Antragsteller geforderte Harmonisierung des niedersächsischen Rechts mit dem Bundesrecht sei allein der Gesetzgeber berufen. Im Bereich der Fortbildung weiche die vergleichbare Regelung des Bundespersonalvertretungsgesetzes deutlich von § 75 Abs. 1 Nr. 5 Nds. PersVG ab. Die Mitbestimmung über „allgemeine Fragen der Fortbildung der Beschäftigten” nach § 76 Abs. 2 Nr. 6 BPersVG erfasse schon nach ihrem Wortlaut nur generelle Planungen und Entscheidungen. Die personelle Auswahl im Einzelfall sei demgegenüber in den §§ 75 Abs. 3 Nr. 7, 76 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG in gesonderten Mitbestimmungstatbeständen geregelt. Auch nach dem Inkrafttreten des Bundespersonalvertretungsgesetzes habe der niedersächsische Gesetzgeber in Kenntnis der ständigen Rechtsprechung des Beschwerdegerichts zu § 75 Abs. 1 Nr. 5 Nds. PersVG keinen Anlaß gesehen, durch ergänzende ausdrückliche Regelung die Mitbestimmung des Personalrats auf die Teilnehmerauswahl bei Fortbildungsveranstaltungen zu erstrecken. Daraus könne nur der Schluß gezogen werden, daß der niedersächsische Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit die Mitbestimmung des Personalrats auch weiterhin auf allgemeine, mit der Berufsfortbildung zusammenhängende Regelungen beschränkt wissen wollte.
Die Hinweise des Antragstellers auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts führten zu keinem anderen Ergebnis. Die Entscheidung in BVerwGE 26, 185, wonach dem Personalrat bei der Auswahl der zu Beförderungslehrgängen zu entsendenden Polizeibeamten nach dem nordrhein-westfälischen Personalvertretungsgesetz ein Mitwirkungsrecht zustehe, habe darauf beruht, daß die Teilnahme an diesen Lehrgängen in der Einheitslaufbahn der Polizeibeamten eine Vorstufe der Beförderung gewesen sei und die Auswahl der Teilnehmer schon eine Vorentscheidung über die Beförderungsentscheidung dargestellt habe. Im vorliegenden Fall beinhalte jedoch die Auswahl für die Weiterbildung zum Beratungslehrer lediglich die nicht nur ganz entfernte Möglichkeit, daß sie später zu einer sozialen, wirtschaftlichen oder personellen Besserstellung des Bediensteten führe. Davon abgesehen sei der Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts zum Personalvertretungsrecht des Landes Nordhrein-Westfalen ergangen, das auch die Auswahl der Teilnehmer an Fortbildungsveranstaltungen der Mitwirkung unterwerfe, wie § 72 Abs. 3 Nr. 8 LPVG vom 3. Dezember 1974 (GV. NW. S. 1514) nunmehr ausdrücklich bestimme. Das gleiche gelte nach hamburgischem Personalvertretungsrecht, das Gegenstand des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Juli 1962 – BVerwG 7 P 4.61 – gewesen sei.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die vom beschließenden Senat wegen Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsrichts zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers, mit der er sinngemäß beantragt,
den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein – Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Niedersachsen – vom 20. März 1985 und den Beschluß des Verwaltungsgerichts Hannover – Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen – vom 14. November 1984 aufzuheben und festzustellen, daß die Auswahl der Lehrer, die aufgrund der Beauftragung der Beteiligten ab 1. August 1983 an der Weiterbildung zum Beratungslehrer teilgenommen haben, seiner Mitbestimmung unterlag.
Er macht geltend, daß die Auswahl von Lehrern für die Fortbildung zum Beratungslehrer nach § 75 Abs. 1 Nr. 5 Nds. PersVG als mitbestimmungspflichtig anzusehen sei. Die Auswahl der Lehrer gehöre zur „Durchführung” einer Fortbildung im Sinne dieser Vorschrift. Nur diese Auslegung werde dem gesetzgeberischen Anliegen gerecht, die Mitbestimmung bei solchen Maßnahmen zu gewährleisten, die für das berufliche Fortkommen des Bediensteten in sozialer, wirtschaftlicher und personeller Beziehung Bedeutung erlangen könnten. Dabei sei es ausreichend, wenn Fortbildung und Beförderung derart zusammenhingen, daß die Weiterbildung sich lediglich günstig auf eine Beförderung auswirke.
Die Beteiligte tritt der Rechtsbeschwerde entgegen und hält den angefochtenen Beschluß für im Ergebnis zutreffend.
Sie trägt vor, der Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 1 Nr. 5 Nds. PersVG sei schon deshalb nicht anwendbar, weil es sich bei der Zulassung von Teilnehmern an der Weiterbildung zum Beratungslehrer nicht um die Zulassung zu einer Maßnahme der Fortbildung, sondern der Weiterbildung handele. Die Lehrgänge für die Beratungslehrer seien in dem Erlaß vom 6. März 1978 zu Recht als „Weiterbildungslehrgänge” bezeichnet worden, da den Lehrern dadurch nicht der Zugang zu weiteren Stufen der beruflichen Tätigkeit eröffnet werden solle; die Weiterbildung greife vielmehr über die berufsbezogene Intention einer Fortbildung hinaus. Ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der Auswahl der Teilnehmer an Weiterbildungsmaßnahmen könne zudem nur dann Sinn haben, wenn die Teilnahme an den Lehrgängen für ihr berufliches Fortkommen entscheidend sei. Dies sei jedoch hier nicht der Fall, weil die Weiterbildung zum Beratungslehrer nicht den einzigen Zugang zu einer Beförderung darstelle, sozusagen den Haupteingang zur Beförderung ausmache, sondern allenfalls als Nebeneingang anzusehen sei. Die als Beratungslehrer gewonnenen Kenntnisse und Fähigkeiten könnten zwar bei der Übertragung der Leitungsfunktion als Schulleiter oder stellvertretender Schulleiter eine Rolle spielen, sie hätten jedoch nur eine untergeordnete Bedeutung.
Im übrigen sei zu berücksichtigen, daß im Jahre 1985 dem die Mitbestimmung des Personalrats in Personalangelegenheiten der Angestellten und Arbeiter regelnden § 78 Abs. 2 Nds. PersVG eine Nummer 10 angefügt worden sei, nach der die Auswahl der Teilnehmer an Fortbildungsveranstaltungen, die Voraussetzung für eine Höhergruppierung seien, der Mitbestimmung unterliege. Dies mache unzweideutig deutlich, daß der niedersächsische Gesetzgeber nach der grundlegenden Änderung des Bundespersonalvertretungsgesetzes im Jahre 1974 eine dem § 76 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG entsprechende Regelung nicht in das niedersächsische Personalvertretungsgesetz habe übernehmen wollen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere hat der Antragsteller ein Rechtsschutzbedürfnis an der begehrten Feststellung, auch wenn die zweijährigen Lehrgänge, zu denen die Beteiligte im Jahre 1983 50 Lehrer ausgewählt hat, beendet sind und damit eine Erledigung des Streitgegenstandes eingetreten ist. Denn die Rechtsfrage, ob die Auswahl der Lehrer für die Weiterbildung zum Beratungslehrer der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt, kann sich jederzeit erneut stellen, zumal die Beteiligte die Auffassung vertritt, sie dürfe die Auswahl ohne Beteiligung des Antragstellers treffen. Schon Gründe der Prozeßwirtschaftlichkeit gebieten es daher, diese Streitfrage im anhängigen Beschlußverfahren zu klären (vgl. Beschluß des Senats vom 17. Juli 1987 – BVerwG 6 P 13.85 – mit weiteren Nachweisen).
Der Senat ist auch nicht deswegen an einer Sachentscheidung gehindert, weil der vom Antragsteller vor dem Beschwerdegericht gestellte, für das Rechtsbeschwerdegericht maßgebliche Antrag konkret auf bereits beendete Lehrgänge abstellt. Zwar bestimmt im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren, wie der Senat in seinem Beschluß vom 12. März 1986 – BVerwG 6 P 5.85 – unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausgeführt hat, neben dem Sachvortrag des Rechtsmittelführers auch der von ihm gestellte Antrag den Verfahrensgegenstand mit der Folge, daß ein Antragsteller, der eine Entscheidung nicht nur über einen bestimmten, konkreten Vorgang, sondern außerdem über die dahinterstehende personalvertretungsrechtliche Frage begehrt, dieses spätestens mit einem in der letzten Tatsacheninstanz gestellten Antrag deutlich machen muß. Weil jedoch das Bundesverwaltungsgericht diesem prozessualen Erfordernis in der Vergangenheit nur minderes Gewicht beigemessen hat, vermag der Senat nicht auszuschließen, daß sich die Verfahrensbeteiligten noch nicht auf die strengeren Anforderungen einstellen konnten, die der Senat nunmehr stellt. Deshalb darf dem Antragsteller aus der Tatsache, daß er das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren nach Ablauf der am 1. August 1983 begonnenen zweijährigen Weiterbildungsmaßnahme mit Anträgen fortführte, die der Sachlage und damit der Prozeßlage nicht mehr entsprachen, kein Nachteil erwachsen. Der Senat geht davon aus, daß die Verfahrensbeteiligten schon vor Erhebung der Rechtsbeschwerde von ihrem Streit über die personalvertretungsrechtliche Behandlung der Auswahl der Lehrer, die an der am 1. August 1983 begonnenen Weiterbildung zum Beratungslehrer teilgenommen haben, dazu übergegangen waren, die dahinterstehenden allgemeinen personalvertretungsrechtlichen Fragen zur Entscheidung des Gerichts zu stellen. Angesichts der bisherigen Behandlung solcher Fälle durch das Bundesverwaltungsgericht mußte der Antragsteller diese Umstellung des Verfahrensgegenstandes nicht notwendig in dem vor dem Beschwerdegericht gestellten Antrag zum Ausdruck bringen.
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen bedurfte und bedarf die Auswahl der Lehrer, die gemäß dem Erlaß des Niedersächsischen Kultusministers vom 6. März 1978 (SVBl. 1978, S. 132) an der Weiterbildung zum Beratungslehrer teilnehmen, der Zustimmung des Personalrats.
Rechtsgrundlage des vom Antragsteller geltend gemachten Mitbestimmungsrechts ist die Vorschrift des § 75 Abs. 1 Nr. 5 des Personalvertretungsgesetzes für das Land Niedersachsen in der Fassung vom 3. November 1980 (Nds. GVBl. S. 399) – Nds. PersVG –, wonach der Personalrat, soweit – wie hier – eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, über die Durchführung der Berufsausbildung und Fortbildung mitzubestimmen hat. Der Anwendbarkeit dieses Mitbestimmungstatbestandes steht nicht schon entgegen, daß die Lehrgänge für die Beratungslehrer in dem genannten Erlaß des Niedersächsischen Kultusministers vom 6. März 1978 als „Weiterbildung” bezeichnet werden. Dies ist für ihre personalvertretungsrechtliche Einordnung ebensowenig ausschlaggebend wie die von der Bund-Länder-Kommission erarbeitete Definition des Begriffes der Weiterbildung. Das Bundesverwaltungsgericht hat vielmehr bisher in seiner das Personalvertretungsrecht betreffenden Rechtsprechung die Begriffe der Fortbildung und Weiterbildung als gleichbedeutend verwendet (vgl. Beschlüsse vom 10. Februar 1967 – BVerwG 7 P 6.66 – und vom 19. Oktober 1983 – BVerwG 6 P 16.81 –), wobei es als selbstverständlich davon ausgegangen ist, daß die Weiterbildungsveranstaltung nach dem damit verfolgten Zweck auch der Fortbildung der Beschäftigten im Sinne des personalvertretungsrechtlichen Mitbestimmungstatbestandes dient.
Nach der in BVerwGE 26, 185 enthaltenen Begriffsbestimmung ist die Fortbildung nicht auf die Erhaltung und Vertiefung der bereits durch die Ausbildung vermittelten Kenntnisse beschränkt; durch die Fortbildung soll vielmehr eine bereits vorhandene Ausbildung dahin erweitert werden, daß unter Anknüpfung an vorhandene Kenntnisse auch neue Kenntnisse erworben werden. Denn in den meisten Verwaltungen ergibt sich durch rechtliche, wirtschaftliche und technische Änderungen die Notwendigkeit einer Fortbildung der Bediensteten durch Vermittlung neuer Kenntnisse. Diese stellt sich, wenn ein höheres Amt oder eine bestimmte Verwendung in demselben Amt von dem Bediensteten ein Mehr an Kenntnissen erfordert, als eine Fortbildung dar, und zwar unabhängig davon, ob sie unmittelbar dem Fortkommen des Bediensteten in seiner Laufbahn dient oder nicht. Für den Begriff der Fortbildung kommt es demnach nicht entscheidend darauf an, ob die Teilnahme an dem Lehrgang Voraussetzung für den weiteren Aufstieg des Bediensteten innerhalb einer Laufbahn ist. Soweit in der Entscheidung BVerwGE 26, 185 auf diesen Gesichtspunkt maßgeblich abgestellt wird, handelt es sich um Ausführungen zur Abgrenzung von Ausbildung und Fortbildung innerhalb der Einheitslaufbahn der Polizeibeamten.
Hiernach kann es nicht zweifelhaft sein, daß es sich bei der Weiterbildung eines Lehrers zum Beratungslehrer um eine „Fortbildung” im Sinne des § 75 Abs. 1 Nr. 5 Nds. PersVG handelt. Zwar ergibt sich aus dem Erlaß des Niedersächsischen Kultusministers vom 6. März 1978, daß es Aufgabe jedes Lehrers ist, Schüler und Erziehungsberechtigte über alle Fragen und Probleme zu beraten, die sich aus dem Schulbesuch ergeben können. Durch die Weiterbildung zu Beratungslehrern werden diesen Lehrern jedoch weitergehende Kenntnisse vermittelt, die es ihnen ermöglichen, im Bereich ihrer Schule Aufgaben der Schullaufbahnberatung, der Einzelfallhilfe bei auftretenden Lern- und Verhaltensschwierigkeiten und bei auffälligen Diskrepanzen zwischen Eignung und Schulleistung sowie der Beratung von Schule und Lehrern durch Informationen über die schulpsychologische Arbeit, durch Weitergabe der aus der Beratungstätigkeit gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse und durch Beteiligung bei der Entwicklung von Lernzielkontrollen zu übernehmen. Die in dem Erlaß geregelten Weiterbildungslehrgänge haben somit den Zweck, die vorhandenen Kenntnisse der dafür ausgewählten Lehrer zu vertiefen und zu vervollkommnen sowie neue Kenntnisse darauf aufzubauen, um eine grundsätzlich im Rahmen des Lehrerberufs liegende Beratungstätigkeit auf eine breitere Grundlage zu stellen. Da somit den Lehrern durch die Weiterbildung vornehmlich zusätzliche, weiterführende berufsbezogene Kenntnisse für die Tätigkeit als Beratungslehrer vermittelt werden, sind diese Weiterbildungslehrgänge – wie die in Baden-Württemberg durch Erlaß des Ministeriums für Kultus und Sport über die „Ausbildung” von Beratungslehrern vorgesehenen Veranstaltungen (vgl. Beschluß vom 19. Oktober 1983 – BVerwG 6 P 16.81 –) – mitbestimmungsrechtlich der Fortbildung der Bediensteten zuzuordnen.
Das Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach § 75 Abs. 1 Nr. 5 Nds. PersVG bei der „Durchführung der Fortbildung” erstreckt sich auch auf die Auswahl der Lehrer, die an der Weiterbildung zum Beratungslehrer teilnehmen sollen. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits in den Beschlüssen vom 20. Juli 1962 – BVerwG 7 P 4.61 – (Buchholz 238.34 § 66 PersVG Hamburg Nr. 1) und vom 10. Februar 1967 – BVerwG 7 P 6.66 – (a.a.O.) die Vorschriften des § 66 Abs. 1 Buchst. h des Hamburgischen Personalvertretungsgesetzes vom 18. Oktober 1957 (GVBl. S. 473) und des § 64 Abs. 1 Buchst. e) des Personalvertretungsgesetzes für das Land Nordhrein-Westfalen vom 28. Mai 1958 (GV. NW. S. 209) dahin ausgelegt, daß die Mitwirkung des Personalrats bei „Fragen der Fortbildung” nicht darauf beschränkt ist, in welchem Umfang und in welcher Form für die Fortbildung der Beschäftigten gesorgt werden soll, sondern auch die Auswahl der an der Fortbildung teilnehmenden Beschäftigten erfaßt. Diese Rechtsprechung hat der Senat in dem Beschluß vom 4. September 1985 – BVerwG 6 P 1.85 – (Buchholz 238.38 § 77 RPPersVG Nr. 2 = PersR 1985, 175 = ZBR 1986, 124) hinsichtlich der mit diesen Vorschriften – überwiegend wörtlich und im übrigen sinngemäß – übereinstimmenden Regelung des § 77 Abs. 1 Nr. 8 des Personalvertretungsgesetzes für Rheinland-Pfalz vom 5. Juli 1977 (GVBl. S. 213) sowie für die entsprechenden Bestimmungen der anderen Landespersonalvertretungsgesetze, die der Neufassung dieses Mitbestimmungstatbestandes im Bundespersonalvertretungsgesetz nicht angepaßt worden sind, bestätigt. Gleiches muß für den Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 1 Nr. 5 Nds. PersVG gelten, auch wenn sich diese Auslegung nicht ohne weiteres aus dem Wortlaut der Vorschrift („Durchführung” der Fortbildung) ergibt. Der Sinn und Zweck dieser Regelung gebietet die Einbeziehung der Auswahl der Beschäftigten in die Mitbestimmung, da der Personalrat seine Aufgabe, darüber zu wachen, daß die Auswahl der Beschäftigten nach möglichst gleichmäßigen Kriterien erfolgt und alle Beschäftigten unter Berücksichtigung ihrer Eignung und Leistung die Chance zur Fortbildung erhalten, nur dann wirksam erfüllen kann, wenn ihm auch ein Beteiligungsrecht bei der personellen Einzelbestimmung der Teilnehmer zusteht (vgl. OVG Münster ZBR 1979, 55; Fischer in Fürst, GKÖD V, § 76 Rz. 38; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/ Widmaier, BPersVG, 6. Aufl., § 75 Anm. 136). Im vorliegenden Fall lassen die Dauer der Weiterbildung zum Beratungslehrer wie auch das Erfordernis einer Abschlußprüfung erkennen, daß der Dienstherr dieser Weiterbildung für den Erziehungsauftrag der Schulen eine erhebliche Bedeutung beimißt. Auch ist die erfolgreiche Teilnahme an den Lehrgängen ein nicht unwesentliches, wenn auch nicht entscheidendes Kriterium für das berufliche Fortkommen der Bediensteten. Auf den Umstand, daß mit der Auswahl der Lehrer zur Weiterbildung noch keine Vorentscheidung für eine spätere Beförderung getroffen wird, kommt es entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts und der Beteiligten nicht an. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar in dem Beschluß vom 10. Februar 1967 (a.a.O.) das Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der Auswahl der zu Beförderungslehrgängen zu entsendenden Polizeibeamten mit der Begründung bejaht, daß die Auswahlentscheidung bereits eine Vorstufe einer Beförderungsentscheidung sei. Daraus läßt sich jedoch nicht entnehmen, daß die Auswahl der Teilnehmer an einer Fortbildung nur in derartigen Fällen der Mitbestimmung unterliegt. Der Auswahlentscheidung kommt auch dann, wenn kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Teilnahme an der Fortbildung und Beförderung besteht, eine gewichtige personalpolitische Bedeutung zu, so daß die Beschäftigten insoweit des kollektiven Schutzes der Personalvertretung bedürfen.
Der Anwendbarkeit des § 75 Abs. 1 Nr. 5 Nds. PersVG bei der Auswahl der Teilnehmer von Fortbildungsmaßnahmen steht schließlich auch nicht entgegen, daß der niedersächsische Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts keine dem § 76 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG entsprechende Vorschrift in das Niedersächsische Personalvertretungsgesetz eingefügt hat. Dies zwingt nicht zu der Schlußfolgerung, daß der Landesgesetzgeber die Mitbestimmung des Personalrats gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 5 Nds. PersVG auf allgemeine, mit der Berufsausbildung und Fortbildung zusammenhängende Regelungen beschränkt wissen will. Da es der Wortlaut dieser Vorschrift offenläßt, ob auch Auswahlentscheidungen in ihren Geltungsbereich einbezogen sind oder nicht, hätte es vielmehr für eine Beschränkung der Mitbestimmung einer ausdrücklichen Regelung bedurft, um einen entsprechenden gesetzgeberischen Willen kundzutun. Denn das Schweigen des Gesetzgebers zu der (höchst-) Richterlichen Auslegung eines mehrdeutigen Normtextes läßt selbst dann weder auf eine Zustimmung zu diesem Normverständnis noch auf dessen Ablehnung schließen, wenn in der Zwischenzeit – wie hier durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Personalvertretungsgesetzes für das Land Niedersachsen vom 10. Mai 1985 (Nds. GVBl. S. 103) – andere Vorschriften desselben Gesetzes geändert worden sind. Eine gesetzgeberische Billigung der richterlichen Auslegung unverändert gebliebener Vorschriften ist dem ebensowenig zu entnehmen (vgl. BVerfG, Beschluß vom 9. Februar 1988 – 1 BvL 23/86 –) wie der Wille, ihr entgegenzutreten. Im Hinblick darauf, daß zur Auslegung des § 75 Abs. 1 Nr. 5 Nds. PersVG bisher keine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ergangen ist, kann die spätere Einfügung des besonderen Mitbestimmungstatbestandes in § 78 Abs. 1 Nr. 10 Nds. PersVG („Auswahl der Teilnehmer an Fortbildungsveranstaltungen, die Voraussetzung für eine Höhergruppierung sind”) nur dahin verstanden werden, daß der Gesetzgeber jedenfalls diese Maßnahme ausdrücklich der Mitbestimmung der Personalvertretung unterwerfen wollte, nicht jedoch dahin, daß er die anderen konkreten Auswahlentscheidungen von ihr ausnehmen wollte.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 10 Abs. 1 BRAGO i.V.m. § 8 Abs. 2 BRAGO.
Unterschriften
Dr. Eckstein, Dr. Schinkel, Nettesheim, Ernst, Dr. Seibert
Fundstellen
Haufe-Index 1210604 |
ZBR 1989, 16 |
DVBl. 1989, 203 |