Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I

Der 1969 geborene Antragsteller ist Soldat auf Zeit mit einer auf zwölf Jahre bis zum 30. September 2001 festgesetzten Dienstzeit. Er gehört dem Verwendungsbereich … (…) an. Mit Wirkung vom 1. April 1997 und einer voraussichtlichen Verwendungsdauer bis 31. Dezember 1999 wurde er auf den Dienstposten eines Offiziers der … und Zugführeroffizier bei der … des … (…) in … versetzt. Am 10. Juli 1998 wurde er zum Oberleutnant befördert.

Im März 1998 gab der Antragsteller auf eine entsprechende Befragung gegenüber seinem Staffelchef und seinem Kommandeur an, homosexuell veranlagt zu sein und in fester Beziehung mit seinem Freund zusammenzuleben.

Mit Schreiben vom 20. April 1998 teilte der Kommandeur des … diesen Sachverhalt dem … (…) mit. Gleichzeitig wies er darauf hin, daß ihm insoweit die herrschende Rechtsauffassung bekannt sei. Im vorliegenden Fall bitte und empfehle er aber zu prüfen, ob nicht eine liberalere Sichtweise angezeigt sei und ein Verbleib des Antragstellers auf dem Dienstposten bis zum Beginn seiner Berufsförderungsmaßnahme am 1. Oktober 1999 in Betracht gezogen werden könne. Die Bedenken, die der Bundesminister der Verteidigung (BMVg) üblicherweise gegen homosexuelle Soldaten als Vorgesetzte hege, träfen auf den Antragsteller nicht zu. Er werde trotz seiner homosexuellen Veranlagung weiterhin akzeptiert und besitze das Vertrauen seiner Untergebenen. Die Truppe könne und würde seinen Verbleib positiv mittragen. Die Vorgesetzten (Staffelchef und Kommandeur) könnten und würden die Situation verantworten.

Der Kommandeur der … schloß sich dieser Bewertung an und bat, von einer Ablösung bis zum Beginn der Berufsförderung abzusehen.

Anläßlich eines am 11. Mai 1998 mit dem Antragsteller im PersABw geführten Personalgesprächs wies ihn der zuständige Dezernent ausweislich des hierüber gefertigten Vermerks auf den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. November 1997 – BVerwG 1 WB 48.97 – hin und erklärte ihm, daß auf Grund der gültigen Rechtslage ein Offizier, der sich zu seiner Homosexualität bekenne, nicht in einer Verwendung eingesetzt werden dürfe, in der er unmittelbar mit Aufgaben der Führung, Erziehung und Ausbildung von unterstellten Soldaten beauftragt sei. Deshalb werde der Antragsteller mit Wirkung vom 1. Juni 1998, befristet bis 30. September 1999, als Ausbildungsoffizier zum Stab … versetzt werden.

In einer Stellungnahme vom 22. Mai 1998 wandte sich der Antragsteller gegen die beabsichtigte Versetzung. Auch die Vertrauensperson der Offiziere sprach sich mit Schreiben vom 25. Mai 1998 für ein Verbleiben des Antragstellers aus.

Mit Fernschreiben vom 26. Mai 1998 und förmlicher Versetzungsverfügung vom 27. Mai 1998 versetzte das … den Antragsteller als Ausbildungsoffizier mit Wirkung vom 1. Juni 1998 zum Stab … in ….

Mit Schriftsatz vom 28. Mai 1998, der beim BMVg am 29. Mai 1998 eingegangen ist, legte der Antragsteller gegen den Bescheid Beschwerde ein. Den gleichzeitig gestellten Antrag, die Vollziehung der Versetzung bis zur Entscheidung über die Beschwerde auszusetzen, lehnte der BMVg – PSZ III 5 – mit Bescheid vom 12. Juni 1998 ab.

Mit Bescheid vom 14. Juli 1998, der den Bevollmächtigten des Antragstellers am 16. Juli 1998 zugestellt wurde, wies der BMVg – PSZ III 5 – die Beschwerde zurück. Mit Schreiben vom 29. Juli 1998 beantragte der Antragsteller daraufhin die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts – Wehrdienstsenate. Der BMVg – PSZ III 5 – hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 20. August 1998 dem Senat vorgelegt.

Der Antragsteller sieht den alleinigen Grund für seine Versetzung in seiner homosexuellen Veranlagung. Gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, auf die der BMVg sich stütze, bestünden aber erhebliche rechtliche Bedenken. Es sei rechtswidrig, homosexuell veranlagte Soldaten grundsätzlich nicht als Ausbilder in der Truppe zu verwenden. Die allgemeine Einstellung zu homosexuellen Neigungen habe sich grundlegend geändert. Es gebe keine Lebenserfahrung, daß bei wehrpflichtigen jungen Soldaten insoweit eine geringere Toleranz bestehe. Die Sorge des BMVg, daß das Durchsetzungsvermögen des Antragstellers gefährdet sein könnte, beruhe auf nicht näher bezeichneten Vorurteilen. Es werde immer Wehrpflichtige geben, die mit einzelnen Eigenschaften ihres Ausbilders nicht einverstanden seien. Alle Soldaten unterlägen der Kameradschaftspflicht nach § 12 SG. Dazu gehöre auch die Pflicht zur Anerkennung, Rücksicht und Achtung fremder Anschauungen, zu der auch die Homosexualität zähle. Das Bundesverfassungsgericht habe offengelassen, ob Frauen auf Grund freiwilliger Verpflichtung im Truppendienst der Bundeswehr Dienst leisten dürften. Bei einem Aufeinandertreffen von Männern und Frauen im Truppendienst bestünden aber mehr „Gefahren” als bei der Ausbildung durch homosexuelle Offiziere. In dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall habe sich der Soldat unter dem Briefkopf „BASS” in Schreiben an den BMVg, den Generalinspekteur und die Inspekteure der Teilstreitkräfte gewandt. Damit sei seine Homosexualität nicht im Intimbereich geblieben, sondern habe in den dienstlichen Bereich übergegriffen. Demgegenüber trenne er seine Homosexualität als Teil seines Intimbereichs strikt vom dienstlichen Bereich. Seine Soldaten hätten ihm in Kenntnis seiner Homosexualität das Vertrauen als Zugführer und Offizier ausgesprochen und wollten ihn auch als Vorgesetzten behalten. Sicherheitsbedenken bestünden nicht, weil er auf Grund seines Eingeständnisses nicht erpreßbar sei. Auch sei seine dienstliche Autorität bisher stets akzeptiert worden. Der BMVg lege nicht dar, welche Umstände ihn zu einer vom bisherigen Zustand abweichenden Prognose veranlaßt hätten. Nach Stellungnahme seiner Untergebenen und Vorgesetzten sei er für seine ursprüngliche Verwendung unstreitig geeignet.

Der Antragsteller beantragt,

die Versetzungsverfügung des PersABw vom 26. Mai 1998 und die Beschwerdeentscheidung des BMVg vom 14. Juli 1998 aufzuheben.

Der BMVg beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Ein Soldat könne versetzt werden, wenn er für seinen Dienstposten nicht geeignet erscheine. Die Nichteignung des Antragstellers ergebe sich aus der Tatsache, daß er nach eigenem Bekenntnis homosexuell veranlagt sei. Homosexuelle eigneten sich indes nicht uneingeschränkt als militärische Vorgesetzte, da das Bekanntwerden ihrer Homosexualität die Minderung der dienstlichen Autorität in der Vorgesetztenposition zur Folge haben könne. Eine sich daraus ergebende mögliche Gefährdung der Einsatzbereitschaft der Streitkräfte müsse der BMVg nicht hinnehmen. Auch wenn der Antragsteller in seiner konkreten Situation keine Autoritätsgefährdung sehe, sei nicht auszuschließen, daß noch vorhandene Vorstellungen über Verhaltensweisen homosexuell Veranlagter auch auf ihn übertragen würden, selbst wenn er dazu objektiv keinen Anlaß biete. Die derzeit bestehende Akzeptanz durch Vorgesetzte und Untergebene widerlege diese Prognose nicht. Durch das Bekanntwerden könne die sexuelle Orientierung des Antragstellers nicht mehr ausschließlich seinem Intim- und Privatbereich zugeordnet werden. Auch die Pflicht zur Kameradschaft werde durch die Feststellung der Nichteignung nicht verletzt. Der Hinweis auf den Einsatz von Frauen im Truppendienst gehe fehl, da die dargestellten Situationen nicht vergleichbar seien.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des BMVg – PSZ III 5 – 868/98 – sowie die Personalstammakte des Antragstellers, Haupt teile A und B, lagen dem Senat bei der Beratung vor.

 

Entscheidungsgründe

II

Der zulässige Antrag ist nicht begründet.

Die Versetzungsverfügung des BMVg ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.

Der Soldat hat keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche oder fachliche Verwendung. Ein solcher Anspruch läßt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht des Vorgesetzten herleiten. Vielmehr entscheidet über die Verwendung eines Soldaten der zuständige militärische Vorgesetzte nach Maßgabe des dienstlichen Bedürfnisses nach seinem pflichtgemäßen Ermessen (Beschlüsse vom 6. Mai 1971 – BVerwG 1 WB 8.70 – ≪BVerwGE 43, 215 [217]≫ und vom 14. Januar 1997 – BVerwG 1 WB 77.96 –). Ob ein dienstliches Bedürfnis für eine Versetzung besteht, ist gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbar. Hingegen kann die Ermessensentscheidung vom Senat nur daraufhin überprüft werden, ob der militärische Vorgesetzte den Antragsteller bei der Entscheidung durch Überschreitung oder Mißbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt hat (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO), d.h., ob er die gesetzlichen Grenzen des ihm insoweit eingeräumten Ermessens überschritten bzw. von der Ermächtigung in einer ihrem Zweck nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 114 VwGO analog; vgl. Beschlüsse vom 30. Juli 1980 – BVerwG 1 WB 79.79 – ≪BVerwGE 73, 51 [f.]≫ und vom 14. Januar 1997 – BVerwG 1 WB 77.96 – m.w.N.).

Es kann dahinstehen, ob das dienstliche Bedürfnis in der zwingenden Notwendigkeit einer Nachbesetzung des Dienstpostens als Ausbildungsoffizier beim … in … zu sehen ist (so Nr. 4 des Vermerks über ein Personalgespräch vom 11. Mai 1998). Der Antragsteller hat unwidersprochen vorgetragen, daß dieser Dienstposten bereits seit einem Jahr unbesetzt sei und er ohne Kenntnis seiner Homosexualität für die Besetzung dieses Dienstpostens nicht mitbetrachtet worden wäre. Wie sich ebenfalls aus dem Vermerk über das Personalgespräch und aus dem Beschwerdebescheid des BMVg vom 14. Juli 1998 ergibt, wird das dienstliche Bedürfnis für die Versetzung des Antragstellers jedoch auch darauf gestützt, daß die Wegversetzung von seinem bisherigen Dienstposten geboten sei (vgl. Beschluß vom 29. August 1984 – BVerwG 1 WB 79.82 – ≪BVerwGE 76, 255 2. Leitsatz≫), weil er sich auf Grund seiner homosexuellen Veranlagung für eine Verwendung als Zugführer und Ausbilder nicht eigne (vgl. Nr. 5 g der Richtlinien zur Versetzung, zum Dienstpostenwechsel und zur Kommandierung von Soldaten vom 3. März 1988 ≪VMBl S. 76≫, zuletzt geändert durch Erlaß vom 11. August 1998 ≪VMBl S. 242≫).

Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluß vom 18. November 1997 – BVerwG 1 WB 48.97 – ≪Buchholz 236.1 Nr. 19 = NZWehrr 1998, 164 = ZBR 1998, 181 = NVwZ-RR 1998, 244≫) ist diese Auffassung rechtlich nicht zu beanstanden. Allerdings kann aus dieser Rechtsprechung nicht geschlossen werden, daß für den BMVg eine rechtliche Verpflichtung bestehe, homosexuell veranlagte Soldaten regelmäßig aus der Verwendung als Zugführer und Ausbilder abzulösen. Die Formulierung unter Nr. 2 des Vermerks über das mit dem Antragsteller geführte Personalgespräch „… dürfe nicht eingesetzt werden …”, ist insoweit zumindest mißverständlich. Dem Vorgesetzten steht aber bei der Entscheidung über die Eignung eines Soldaten für eine bestimmte Verwendung ein Beurteilungsspielraum zu, den er unter Berücksichtigung der Anforderungen des von dem Soldaten besetzten Dienstpostens auszufüllen hat (vgl. bereits Beschluß vom 26. November 1986 – BVerwG 1 WB 117.86 – ≪BVerwGE 83, 251 [253]≫). Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich dabei darauf, ob der Vorgesetzte im Einzelfall den gesetzlichen Rahmen seines Beurteilungsspielraums verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat. Die vom BMVg der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Eignungserwägungen halten sich im Rahmen des ihm insoweit eingeräumten Beurteilungsspielraums (vgl. Beschluß vom 18. November 1997 – BVerwG 1 WB 48.97 – ≪a.a.O.≫).

Der Senat hat wiederholt entschieden, daß es rechtlich nicht zu beanstanden ist, homosexuell veranlagte Soldaten nicht als Ausbilder in der Truppe zu verwenden (vgl. zuletzt Beschluß vom 18. November 1997 – BVerwG 1 WB 48.97 – ≪a.a.O.≫ m.w.N.). Hieran ist auch für den vorliegenden Fall festzuhalten. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, daß es während der bisherigen Verwendung des Antragstellers als Zugführer nach der Stellungnahme seiner damaligen Vorgesetzten keinen Anlaß zu Beschwerden oder sonstigen Beanstandungen im Hinblick auf dessen Homosexualität gegeben hat. Entscheidend für die weitere Verwendung des Antragstellers ist allein die Tatsache, daß dessen homosexuelle Veranlagung in der Truppe bekannt geworden ist. Allein dadurch bleibt sie nicht mehr im Intimbereich, sondern greift in den dienstlichen Bereich der Bundeswehr über. Daß der Antragsteller seine Veranlagung nicht ausdrücklich, z.B. im „BASS – Bundesweiter Arbeitskreis schwuler Soldaten –” nach außen tragen, sondern sie als Teil seines Privatbereichs vom dienstlichen Bereich trennen will, ändert daran nichts. Mit der Kenntnis im dienstlichen Bereich ist sie Teil dieses Bereichs geworden.

Die Eignungsfeststellung des BMVg verletzt auch nicht die Kameradschaftspflicht nach § 12 SG. Die Pflicht zur Anerkennung, Rücksicht und Achtung fremder Anschauungen verpflichtet den BMVg nicht, diese bei der Beurteilung der Eignung für bestimmte Dienstposten außer Betracht zu lassen. Der Antragsteller wird nicht generell als Soldat und Kamerad für ungeeignet gehalten, sondern nur für die Ausbildung in der Truppe.

Auch der Hinweis auf die Dienstleistung weiblicher Soldaten macht die Beurteilung des BMVg nicht rechtsfehlerhaft. Die Dienstleistung weiblicher Soldaten als Vorgesetzte ist mit der homosexuell veranlagter männlicher Soldaten unter diesem Gesichtspunkt nicht vergleichbar. Denn es geht nicht um eine Gefahr sexueller Annäherung, sondern um die Auffassung des BMVg, daß homosexuell veranlagte Männer noch immer verbreitet bei heterosexuellen Männern nicht akzeptiert werden und daraus ein nicht hinzunehmender Autoritätsverlust entstehen kann.

Da somit ein ausreichendes dienstliches Bedürfnis für die Wegversetzung des Antragstellers von seinem Dienstposten als Zugführeroffizier bestand, ist ein solches für die Zuversetzung nicht mehr erforderlich (vgl. Beschluß vom 20. März 1985 – BVerwG 1 WB 120.83 – ≪NZWehrr 1986, 84 [LS]≫).

Eine Belastung des Antragstellers mit Verfahrenskosten kommt nicht in Betracht, da der Senat die hierfür bestehenden Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 WBO nicht für gegeben erachtet.

 

Unterschriften

Dr. Maiwald, Dr. Honnacker, Dr. von Heimburg, Kulterer, Steimann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1559931

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