Verfahrensgang
VG Chemnitz (Urteil vom 27.02.2012; Aktenzeichen 3 K 274/10) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens BVerwG 3 B 33.12 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 27. Februar 2012 zu bewilligen und seine Prozessbevollmächtigte beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
Rz. 1
Dem Kläger kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 27. Februar 2012 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; deshalb kann ihm für dieses Verfahren auch kein Rechtsanwalt beigeordnet werden (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO; § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 78b Abs. 1 ZPO).
Rz. 2
Der Kläger begehrt das Wiederaufgreifen eines Verfahrens auf berufliche Rehabilitierung. Er wurde 1982 und 1989 in der DDR zu Freiheitsstrafen verurteilt und dafür 1997 durch das Landgericht Leipzig unter Feststellung der Zeiten unrechtmäßiger Inhaftierung strafrechtlich rehabilitiert. Ein erster Antrag auf Rehabilitierung nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG) wurde mit Bescheid vom 6. Dezember 2001 vom Sächsischen Landesamt für Familie und Soziales abgelehnt und vom Kläger nicht mit Rechtsbehelfen angegriffen. Erst im November 2007 beantragten der Kläger und am 13. Mai 2008 seine Prozessbevollmächtigte, dieses Verfahren wiederaufzugreifen. Dieses Begehren blieb im Verwaltungs- und Klageverfahren ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe keine Gründe vorgetragen, die ein Wiederaufgreifen nach § 51 VwVfG rechtfertigten. Es fehle an neuen Erkenntnissen und Nachweisen dazu, dass er infolge einer Unrechtsmaßnahme beruflich benachteiligt worden sei. Er sei schon vor seinen Inhaftierungen im Januar 1982 und März 1989 nicht selbstständig tätig oder abhängig beschäftigt gewesen. Deshalb könne der Kläger selbst bei Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes nicht beruflich rehabilitiert werden. Zudem habe er nicht fristgerecht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er die zur Rehabilitierung führenden Tatsachen nicht habe rechtzeitig vortragen können. Er lege nicht dar, weshalb ihn seine Alkoholkrankheit und seine epileptischen Anfälle nach der Ablehnung seines Antrags im Jahr 2001 daran gehindert haben, Rechtsrat einzuholen oder gegen den Ablehnungsbescheid Widerspruch einzulegen. Im Übrigen werde Bezug auf den Widerspruchsbescheid vom 22. März 2010 genommen, dessen Begründung das Gericht folge.
Rz. 3
Die Beschwerde BVerwG 3 B 33.12 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts wird aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben. Das Vorbringen der Prozessbevollmächtigten des Klägers lässt nicht erkennen, dass der allein in Anspruch genommene Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO oder ein anderer Grund vorliegt, der die Zulassung der Revision rechtfertigt.
Rz. 4
Der Kläger rügt mit der Beschwerde, das Gericht habe sich mit seinem Vortrag und dem Inhalt der Akten “in keiner Weise auseinandergesetzt”. Die damit sinngemäß geltend gemachte Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt offensichtlich nicht vor. Das angefochtene Urteil befasst sich mit allen Ebenen des Anspruchs auf Wiederaufgreifen nach § 51 VwVfG und den dazu jeweils vorgebrachten Behauptungen des Klägers, indem es die ihm entscheidungserheblich und durchgreifend erscheinenden Aspekte ausdrücklich anspricht und im Übrigen von der Befugnis aus § 117 Abs. 5 VwGO Gebrauch macht, von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe mit Blick auf die gebilligte Begründung des Widerspruchsbescheids abzusehen. Die Beschwerdebegründung ergibt nicht, dass dabei Vortrag des Klägers übergangen oder grob missverstanden worden ist, zumal die Urteilsgründe in der Sache auch das von der Beschwerde betonte, vom Verwaltungsgericht nicht gesondert behandelte Wiederaufgreifen nach § 48 i.V.m. § 51 Abs. 5 VwVfG abdecken. Auf der Grundlage dieser Bestimmung hat die Behörde – anders als die Beschwerde meint – kein gleichsam “freies” Ermessen, ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren wiederaufzugreifen. Für eine Ermessensausübung ist erst dann Raum, wenn sich die Verwaltungsentscheidung (hier der eine Rehabilitierung ablehnende Bescheid vom 6. Dezember 2001), mit der das neu zu eröffnende Ausgangsverfahren abgeschlossen worden war, als rechtswidrig erweist. Dies aber hat das Verwaltungsgericht mit der Aussage verneint, es sei (weiterhin) nicht nachgewiesen, dass der Kläger durch die – unstreitigen – verfolgungsbedingten Beeinträchtigungen in seiner beruflichen Entwicklung behindert worden sei. Zu einem Wiederaufgreifen im Ermessenswege war der Beklagte dann aber nicht einmal berechtigt.
Rz. 5
Wenn der Kläger im Übrigen beanstandet, die Bewertung des Verwaltungsgerichts sei grob falsch, führt dies allenfalls auf Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung, die revisionsrechtlich grundsätzlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzurechnen sind (stRspr, Beschluss vom 2. November 1995 – BVerwG 9 B 710.94 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266). Zwar kommt eine Ausnahme hiervon bei einer aktenwidrigen, gegen die Denkgesetze verstoßenden oder sonst von objektiver Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung in Betracht (Beschluss vom 12. Februar 2008 – BVerwG 9 B 70.07 – juris Rn. 2 m.w.N.); für einen derartigen Mangel legt die Beschwerde aber nichts dar. Ihre Behauptung, der Widerspruch des Klägers vom 8. Oktober 2009 sei vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt worden, ist unrichtig. Dieser Widerspruch ist Gegenstand des Widerspruchsbescheides, auf den das Verwaltungsgericht ausdrücklich Bezug nimmt. Dass die einzelnen Punkte des Widerspruchsvorbringens nicht abgehandelt worden sind, ist der Entlastungsfunktion des § 117 Abs. 5 VwGO geschuldet und lässt mitnichten darauf schließen, dass die Begründung nicht bedacht worden ist. Das weitere Vorbringen der Beschwerde zur Würdigung der Wiederaufgreifensgründe oder des materiellen Rehabilitierungsanspruchs geht überwiegend an den maßgeblichen materiell-rechtlichen Grundlagen vorbei. Die Beschwerde verkennt die Argumentation des Verwaltungsgerichts, wenn sie meint, die Feststellung der Verfolgungszeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BerRehaG erfordere (anders als Nr. 2 dieser Vorschrift) keinen unmittelbaren Ursachenzusammenhang mit der Verfolgungsmaßnahme. Zwar ist richtig, dass es insofern nur auf den Zeitraum einer zu Unrecht erlittenen Freiheitsentziehung oder eines Gewahrsams ankommt; jedoch hat sich das Verwaltungsgericht nicht zur Verfolgungszeit geäußert, weil es bereits die Kausalität der Verfolgungsmaßnahmen zu berufsbezogenen Benachteiligungen gemäß § 1 Abs. 1 BerRehaG verneint hat. Insofern musste das Verwaltungsgericht auch nicht die Argumente des Klägers im Schreiben vom 13. Mai 2008 aufgreifen. Unklar bleibt weiter, mit welchen rechtserheblichen Argumenten die Beschwerde dartun will, das Verwaltungsgericht habe die Ursächlichkeit der unrechtmäßigen Inhaftierung für konkrete berufsbezogene Nachteile willkürlich verneint. Nach den nicht bestrittenen Feststellungen im angefochtenen Urteil war der Kläger bereits vor seiner Inhaftierung im Januar 1982 keiner Beschäftigung nachgegangen. Angesichts dessen bedürfte es mehr als die unsubstantiierte Behauptung, er sei, “nachdem er durch seine erste Inhaftierung […] als politisch Unangepasster aufgefallen war, an seinen späteren Arbeitsstellen permanent schikaniert” und “gemobbt” worden, um eine verfahrensfehlerhafte Sachverhaltswürdigung aufzuzeigen. Es ist schließlich nicht ersichtlich, dass die Würdigung willkürlich oder gar zynisch sei, der Kläger sei im Sinne des § 51 Abs. 2 VwVfG nicht ohne Verschulden außerstande gewesen, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen. Der von niemandem bestrittene schlechte Gesundheitszustand des Klägers vermag schon angesichts der Vielzahl der vom Kläger in der Vergangenheit gestellten Anträge nicht schlüssig zu erklären, dass der Kläger den Ablehnungsbescheid vom 6. Dezember 2001 unwidersprochen hingenommen und sich erst ab Ende 2007 erneut um seine berufliche Rehabilitierung bemüht hat.
Unterschriften
Kley, Dr. Wysk, Dr. Kuhlmann
Fundstellen