Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersatzansprüche, – Umfang der Mitbestimmung bei der Geltendmachung von – gegen eine Dienstkraft. Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen eine Dienstkraft, – Umfang der Mitbestimmung bei der –. Rahmenrecht des Bundes, – Vereinbarkeit der uneingeschränkten Mitbestimmung nach dem Berliner Personalvertretungsgesetz bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen eine Dienstkraft mit –. Uneingeschränkte Mitbestimmung bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen eine Dienstkraft nach dem Berliner PersVG, – Vereinbarkeit mit Rahmenrecht des Bundes
Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelungen der §§ 86 Abs. 1 Nr. 4, 81 Abs. 2, 83 Abs. 3 Satz 2 LPersVG Bln, wonach die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen eine Dienstkraft der uneingeschränkten Mitbestimmung durch den Personalrat unterliegt, ist mit der rahmenrechtlichen Vorschrift des § 104 Satz 3 BPersVG vereinbar, weil diese Entscheidung unter Zugrundelegung strikter Rechtsvorschriften zu treffen ist und daher der vollen richterlichen Nachprüfung unterliegt; sie ist deshalb auch nicht „wegen ihrer Auswirkungen auf das Gemeinwesen” wesentlicher Bestandteil der Regierungsgewalt.
2. Die im Rahmen des Mitbestimmungsverfahrens vorgebrachten Einwendungen des Personalrats sind – einschließlich der Beschlüsse der Einigungsstelle – der vollen gerichtlichen Kontrolle ihrer Rechtmäßigkeit unterworfen.
Normenkette
BPersVG § 69 Abs. 4 S. 3, Abs. 5, § 71 Abs. 3 S. 4, § 76 Abs. 2 Nr. 9, § 104 S. 3; LPersVG Bln § 81 Abs. 2, § 83 Abs. 3 S. 2, § 86 Abs. 1 Nr. 4; LBG Bln § 41 Abs. 2; LVwVfG Bln § 53 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Der Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Berlin – Fachsenat für Personalvertretungssachen Berlin – vom 29. September 1988 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Die Verfahrensbeteiligten streiten über die Frage, ob im Verfahren der Mitbestimmung bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen einen Beschäftigten der Dienststelle die Personalvertretungen und die Einigungsstelle befugt sind, die materiellen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs zu prüfen.
Der Polizeiobermeister B. verursachte am 7. August 1983 beim Verlassen des Hofgeländes des Abschnitts 51 des Polizeipräsidiums Berlin mit dem von ihm gefahrenen Funkstreifenwagen einen Unfall. Er streifte mit dem hinteren rechten Radkasten das elektrisch betriebene Rolltor des Hofs, da er nicht abgewartet hatte, bis sich dieses voll geöffnet hatte.
Der Antragsteller, der Polizeipräsident in Berlin, hielt das Fahrverhalten des B. für grob fahrlässig und machte gegen ihn einen Schadensersatzanspruch in Höhe der entstandenen Kosten von 440,80 DM geltend. Der Beteiligte zu 5, der Personalrat der Direktion 5 beim Polizeipräsidenten in Berlin, verweigerte die Zustimmung, weil nach seiner Auffassung der Beamte nicht grob fahrlässig gehandelt hatte. Nach erfolgloser Durchführung des personalvertretungsrechtlichen Einigungsverfahrens entschied die vom Beteiligten zu 4, dem Hauptpersonalrat für die Behörden, Gerichte, nichtrechtsfähigen Anstalten und Eigenbetriebe des Landes Berlin, angerufene Einigungsstelle, die Beteiligte zu 1, daß die Zustimmung des Beteiligten zu 5 zur beabsichtigten Geltendmachung eines Ersatzanspruchs gegen den B. nicht ersetzt werde. In dem Beschluß wurde im einzelnen dargelegt, es sei nicht zu erkennen, daß B. den Unfall grob fahrlässig verursacht habe.
Dagegen hat der Antragsteller das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet und beantragt, festzustellen, daß der Beschluß der Beteiligten zu 1 rechtswidrig gewesen sei,
hilfsweise, den Beschluß aufzuheben.
Das Verwaltungsgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Auf die dagegen vom Antragsteller eingelegte Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht den Beschluß des Verwaltungsgerichts geändert und den Beschluß der Einigungsstelle aufgehoben, im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Die Einigungsstelle habe in der Sache nicht entscheiden dürfen, weil die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs durch die Dienststelle nicht mitbestimmungspflichtig gewesen sei. Die Bestimmungen des Landespersonalvertretungsgesetzes Berlin, die den Personalvertretungen ein Mitbestimmungsrecht bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen einräumen (§§ 86 Abs. 1 Nr. 4; 81 Abs. 2; 83 Abs. 3 Satz 2 LPersVG Bln), seien ungültig, weil sie gegen die rahmenrechtliche Vorschrift des § 104 Satz 3 BPersVG verstießen. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Beschäftigte sei eine Entscheidung im Sinne dieser Bestimmung, die wegen ihrer Auswirkungen auf das Gemeinwesen wesentlicher Bestandteil der Regierungsgewalt sei und nicht den Stellen entzogen werden dürfe, die der Volksvertretung verantwortlich seien. Die Wiedergutmachung eines von einem Beschäftigten verursachten Schadens liege im öffentlichen Interesse. Dieses werde nicht dadurch gemindert, daß der Schädiger Staatsdiener sei. Der Ersatz eines dem Staat zugefügten Schadens werde vom Haushaltsrecht zwingend gefordert. Nur unter strengen Voraussetzungen seien Stundung, Niederschlagung oder Erlaß zulässig. Auch das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Rechtsprechung die Bedeutung betont, die die Sicherstellung und Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen für die Allgemeinheit habe. Aus diesem Grunde sei weder im Bundespersonalvertretungsgesetz noch in den Personalvertretungsgesetzen der meisten Bundesländer die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der unbeschränkten Mitbestimmung unterworfen worden, wie es in Berlin der Fall sei. Da der Berliner Gesetzgeber die ihm rahmenrechtlich gesetzten Grenzen überschritten habe, seien diese Regelungen, die die Geltendmachung von Ersatzansprüchen des Dienstherrn gegen eine Dienstkraft der uneingeschränkten Mitbestimmung unterwerfen, ungültig. Eine Rettung „vor dem Nichtigkeitsurteil im Wege rahmenrechtskonformer Auslegung” sei nicht möglich. Allein der Gesetzgeber könne entscheiden, wie er den rahmenrechtlichen Erfordernissen entsprechen wolle, sei es durch eine eingeschränkte Mitbestimmung oder durch die Einräumung eines Mitwirkungsrechts.
Der Beschluß der Einigungsstelle sei aber auch dann aufzuheben, wenn man von der Gültigkeit dieser Regelungen ausgehe. Auch in diesem Falle habe die Einigungsstelle die materiellen Voraussetzungen des Ersatzanspruchs nicht prüfen dürfen. Dies habe nicht im Mitbestimmungsverfahren, sondern im Anfechtungsprozeß gegen den Leistungsbescheid der Behörde zu geschehen. Damit werde der Beschäftigte hinreichend gegen ungerechtfertigte Inanspruchnahme durch seinen Dienstherrn geschützt. Durch diese Beschränkung werde den Personalvertretungen und der Einigungsstelle nicht die Befugnis genommen, die Rechtmäßigkeit der von der Dienststelle beabsichtigten Maßnahme mit zu beurteilen. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Verfolgung eines Anspruchs sei mit der nach der materiellen Anspruchsberechtigung, die allein im Verwaltungsprozeß zu überprüfen sei, nicht identisch. Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Anspruchsverfolgung könne die Personalvertretung soziale Gesichtspunkte zur Geltung bringen, die zur Stundung oder zum Erlaß eines Anspruchs oder zur Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes führen könnten. Eine Beteiligung der Personalvertretungen und der Einigungsstelle an der Prüfung der materiellen Anspruchsberechtigung eines Schadensersatzanspruchs im Wege des uneingeschränkten Mitbestimmungsverfahrens sei auch deshalb unzulässig, weil dies dazu führen könne, daß der Schadensersatzprozeß – wenn auch nur als Vortrage – im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren vorweggenommen würde, was die Gefahr widersprüchlicher Gerichtsentscheidungen in sich bergen würde.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 4 und 5. Sie sind der Meinung, die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Dienststelle gegen Beschäftigte sei nicht wesentlicher Bestandteil der Regierungsgewalt, so daß die fraglichen Berliner Mitbestimmungsvorschriften nicht gegen die rahmenrechtliche Vorschrift des § 104 Satz 3 BPersVG verstießen.
Der Beteiligte zu 4 ist der Auffassung, Regreßansprüche seien keine personellen, sondern am ehesten organisatorische Angelegenheiten. Die Einigungsstelle dürfe im Hinblick auf die rahmenrechtliche Bindung nur dann nicht verbindlich entscheiden, wenn eine gewichtige Beeinträchtigung der demokratisch verantwortlichen Steuerung der Verwaltung zu bejahen sei. Hierzu gehöre nicht die Geltendmachung von Ersatzansprüchen; dies sei keine Aufgabe von politischer Tragweite.
Der Beteiligte zu 5 macht geltend, der Regreß sei kein „wesensmäßig politischer Bereich”, sondern die Reaktion des Dienstherrn auf einen bestimmten Sachverhalt, der bereits vorliege. Dies sei keine politische, sondern eine rein normvollziehende Entscheidung. Der Beteiligte zu 5 tritt auch der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts entgegen, der Beschluß der Einigungsstelle sei auch nicht „im Wege der rahmenrechtskonformen Auslegung … vor dem Nichtigkeitsurteil zu retten”. Lege man § 81 Abs. 2 LPersVG Bln verfassungskonform aus, so könne dies allenfalls zu dem Ergebnis führen, daß noch ein Beschluß des Senats herbeigeführt werden müsse. Die Überschreitung der in § 81 Abs. 2 LPersVG Bln bestimmten Frist könne durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geheilt werden. – Beide Beteiligte sind außerdem entgegen der Meinung des Oberverwaltungsgerichts der Auffassung, die Einigungsstelle dürfe die materiellen Voraussetzungen eines Regreßanspruchs überprüfen.
Die Beteiligten zu 4 und 5 beantragen,
den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Berlin – Fachsenat für Personalvertretungssachen Berlin – vom 29. September 1988 aufzuheben und die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Berlin – Fachkammer für Personalvertretungssachen – A – vom 27. April 1987 – zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 2, die Senatsverwaltung für Inneres des Landes Berlin, der Beteiligte zu 3, der Leiter der Direktion 5 beim Polizeipräsidenten in Berlin, und der Antragsteller beantragen,
die Rechtsbeschwerden zurückzuweisen.
Sie verteidigen den angefochtenen Beschluß.
Der Oberbundesanwalt beteiligt sich an dem Verfahren. Er ist der Auffassung, daß die fraglichen Bestimmungen des Berliner Personalvertretungsgesetzes wegen Verstoßes gegen § 104 Satz 3 BPersVG ungültig seien. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Interessenlagen der Mitglieder der Einigungsstelle seien diese auch überfordert, haushaltsrechtliche Vorgaben, die sich in erster Linie an die Verwaltung richteten, zu beachten.
Entscheidungsgründe
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und mit der Maßgabe begründet, daß der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist, das über die Frage zu entscheiden hat, ob die Zustimmung zum Erlaß des Leistungsbescheids zu Recht verweigert worden ist, weil der Unfall nicht grob fahrlässig verursacht worden sei.
Das Rechtsschutzbedürfnis für die Fortführung des Verfahrens ist gegeben. Gemäß § 41 Abs. 2 Landesbeamtengesetz Berlin (LBG) verjähren Ersatzansprüche des Dienstherrn gegenüber den Beamten – um einen solchen handelt es sich hier – in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Dienstherr von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat. Die Verjährung des Anspruchs für den am 7. August 1983 verursachten Schaden ist nicht unterbrochen worden, weil kein Leistungsbescheid und damit kein Verwaltungsakt gegen den betroffenen Polizeibeamten ergangen ist, der gemäß § 53 Abs. 1 LVwVfG die Verjährung hätte unterbrechen können. Auch kann die Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens die Verjährung derartiger Ansprüche nicht hemmen oder unterbrechen (Beschluß vom 25. Oktober 1979 – BVerwG 6 P 53.78 – ≪Buchholz 238.3 A § 69 BPersVG Nr. 3≫). Der in Anspruch genommene Polizeibeamte hat aber nach dem Sachverhalt, der dem Rechtsbeschwerdeverfahren zugrunde zu legen ist, nicht die Einrede der Verjährung erhoben. Damit kann der Antragsteller den Anspruch weiter geltend machen (§ 222 Abs. 1 BGB). Die Verfahrensbeteiligten haben deshalb ein berechtigtes Interesse an der Feststellung und Entscheidung, ob die Geltendmachung dieses noch einklagbaren Anspruchs der uneingeschränkten Mitbestimmung unterliegt.
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
Das Oberverwaltungsgericht hat zu Unrecht die Befugnis der Einigungsstelle verneint, die materiellen Voraussetzungen des Ersatzanspruchs, den der Polizeipräsident in Berlin gegen den Polizeiobermeister B. geltend gemacht hat, zu prüfen und hierüber eine Entscheidung zu treffen. Dieses Recht der Personalvertretung und der Einigungsstelle ergibt sich aus § 86 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 83 Abs. 3 Satz 2 LPersVG Bln. Danach bestimmt der Personalrat mit bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen eine Dienstkraft (§ 86 Abs. 1 Nr. 4 LPersVG Bln). Der Beschluß der dagegen angerufenen Einigungsstelle bindet die Beteiligten, soweit er eine Entscheidung enthält (§ 83 Abs. 3 Satz 2 LPersVG Bln). Die Entscheidung der Dienststelle unterliegt nicht – wie nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz (§§ 76 Abs. 2 Nr. 9, 69 Abs. 4 Satz 3 BPersVG) und wie in anderen Bundesländern – der nur eingeschränkten Mitbestimmung, d.h. anstelle der Einigungsstelle entscheidet nicht der Senat von Berlin (§ 81 Abs. 2 LPersVG Bln).
Der Polizeipräsident in Berlin hat gegen den Polizeiobermeister B. den Ersatzanspruch gemäß § 41 Abs. 1 LBG für den am 7. August 1983 verursachten Schaden geltend gemacht, indem er diesen davon unterrichtete, daß er beabsichtige, ihn wegen der entstandenen Reparatur- und Vorhaltekosten in Höhe von insgesamt 440,80 DM in Anspruch zu nehmen. Die Mitbestimmung des Personalrats, der von dem Beamten angerufen worden war, und die Entscheidungsbefugnis der Einigungsstelle beschränken sich entgegen der Meinung des Oberverwaltungsgerichts nicht auf die Geltendmachung sozialer Gesichtspunkte, die zur Stundung oder zum Erlaß des Anspruchs Anlaß geben können. Nach dem Wortlaut der genannten Bestimmung des Berliner Personalvertretungsgesetzes umfaßt der Tatbestand der der Mitbestimmung unterliegenden „Geltendmachung” von Ersatzansprüchen sowohl das Stadium der Prüfung und Feststellung, ob überhaupt ein Ersatzanspruch gegen eine Dienstkraft besteht, als auch den weiteren Schritt der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Durchsetzung des festgestellten Ersatzanspruchs.
Für diese Auslegung sprechen insbesondere Sinn und Zweck des Mitbestimmungstatbestandes. Mit ihm sollen auf die Gleichbehandlung der Beschäftigten hingewirkt und die Berücksichtigung sozialer Belange wie die Vermittlung des Falles aus der Sicht der übrigen Beschäftigten ermöglicht werden (OVG NW, RiA 1983, 218; Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, § 76 Rdnr. 109). Die Beteiligung der Personalvertretungen ist insbesondere in den Fällen angezeigt, in denen Ersatzansprüche für Schäden aus schadengeneigter Tätigkeit geltend gemacht werden. Hier kann der Personalrat durch die Einführung zusätzlicher Informationen über die konkreten Arbeitsbedingungen und das Maß der Arbeitsbelastung zu einer tatsächlich und rechtlich möglicherweise anderen Beurteilung der Sachlage beitragen. Diese Form der Mitbestimmung kann vielfach sowohl in der Phase der Prüfung, ob der Ersatzanspruch besteht, als auch bei der Entscheidung, ob dieser gegen den Beschäftigten durchgesetzt werden soll, nur dadurch verwirklicht werden, daß auch eine rechtliche Prüfung angestellt wird, insbesondere, ob der Schaden fahrlässig oder grob fahrlässig verursacht worden ist. Anderenfalls würde die Mitbestimmung meist ins Leere laufen, weil die Verschuldensfrage in der Regel zwischen den Beteiligten am meisten umstritten ist. Es kann auch zu unterschiedlichen Bewertungen kommen, ob einem Beschäftigten wegen der Art der von ihm zu erledigenden Arbeit der Vorwurf der groben oder nur der leichten Fahrlässigkeit gemacht wird. Der Personalrat kann hier darauf dringen, daß der Dienstherr im Interesse der Gleichbehandlung auch andere Fälle berücksichtigt, in denen von der Geltendmachung von Ersatzansprüchen abgesehen wurde.
Die Einräumung der Mitbestimmungsbefugnis und des Rechts der Einigungsstelle zur Prüfung und Entscheidung über die materiellen Voraussetzungen des Ersatzanspruchs führt nicht zu einem unanfechtbaren Letztentscheidungsrecht der Einigungstelle bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen. Denn ihre Entscheidungen unterliegen der Rechtskontrolle im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren. Im Mitbestimmungsverfahren wird darüber entschieden, ob die Einwendungen des Personalrats gegen eine beteiligungspflichtige Maßnahme der Dienststelle berechtigt sind oder nicht. Alleiniger Gegenstand des Verfahrens sind aber nur die gegenseitigen Befugnisse und Pflichten von Personalvertretung und Dienststelle. Darüber kann der Leiter der Dienststelle selbst nicht einseitig entscheiden, sondern er muß sich, wenn das Gesetz keine Ausnahme vorsieht, dem Spruch der Einigungsstelle unterwerfen. Auch personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren hat allein die Berechtigung der vom Personalrat vorgebrachten Einwendungen zum Gegenstand. Diese sind aber, einschließlich der Beschlüsse der Einigungsstelle, der gerichtlichen Kontrolle der Rechtmäßigkeit unterworfen (vgl. Beschluß vom 27. Februar 1986 – BVerwG 6 P 32.82 –, Buchholz 238.37 § 79 NWPersVG Nr. 3). Diese Kontrolle ergibt sich aus der Zugehörigkeit der Einigungsstelle zur Verwaltung (BVerfGE 9, 268, 280). Daß die Kontrolle im Beschlußverfahren erfolgt, hindert nicht, die Beschlüsse der Einigungsstelle im Falle ihrer Rechtswidrigkeit aufzuheben (Beschlüsse vom 13. Februar 1976 – BVerwG 7 P 9.74 – ≪BVerwGE 50, 176≫ und – BVerwG 7 P 4.75 – ≪BVerwGE 50, 186≫), gleich aus welchen Gründen eine Rechtswidrigkeit gegeben ist.
Auf den vorliegenden Fall angewendet bedeutet dies:
Gegenstand des Mitbestimmungsverfahrens und des sich daran anschließenden personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahrens ist nicht die Frage, ob der Polizeiobermeister B. zu Recht von dem Polizeipräsidenten Berlin im Wege des Leistungsbescheids in Höhe des geforderten Betrages in Anspruch genommen werden soll. Diese Fragen müßten – im Streitfall – nach einem entsprechenden Vorverfahren in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren zwischen diesen beiden Verfahrensbeteiligten geklärt werden. In dem hier zu entscheidenden personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren ist allein darüber zu befinden, ob der beteiligte Personalrat und die Einigungsstelle zu Recht ihre Zustimmung zum Erlaß des Leistungsbescheides versagt haben, weil nach ihrer Auffassung der Beamte nicht grob fahrlässig gehandelt hat. Gegenstand dieses Verfahrens sind somit nur die Befugnisse der am Mitbestimmungsverfahren Beteiligten.
Dieser Auslegung zum Umfang des Mitbestimmungsrechts steht nicht der Beschluß des Senats vom 25. Oktober 1979 – BVerwG 6 P 53.78 – (Buchholz 238.3 A § 69 BPersVG Nr. 3) entgegen. Darin ist im Zusammenhang mit der Erörterung der Frage, ob ein Leistungsbescheid dann als vorläufige Regelung im Sinne des § 69 Abs. 5 Satz 1 BPersVG zulässig ist, wenn er die Vollstreckung bis zum Abschluß des Mitbestimmungsverfahrens aussetzt, festgestellt worden, die Prüfung, ob die Voraussetzungen der Erstattungspflicht gegeben seien, sei nicht Aufgabe des Mitbestimmungsverfahrens oder des Beschlußverfahrens, sondern sie finde im Anfechtungsprozeß gegen den Leistungsbescheid statt. In dem anstehenden Beschlußverfahren wird – wie dargelegt – nicht geprüft, ob der Antragsteller einen Leistungsbescheid in Höhe von 440,80 DM gegen den B. erlassen kann, sondern Gegenstand des Verfahrens ist allein die Frage, ob die Beteiligten am Mitbestimmungsverfahren die Zustimmung zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs zu Recht verweigert haben. Auf die Überprüfung der Begründung der Verweigerung durch den Personalrat lassen sich die Ausführungen in dem angeführten Beschluß nicht erweitern.
Angesichts dieser Sachlage bestehen keine Bedenken gegen die Vereinbarkeit der hier in Frage kommenden Berliner Mitbestimmungsregelungen einschließlich der darin enthaltenen uneingeschränkten Mitbestimmung mit der rahmenrechtlichen Vorschrift des § 104 Satz 3 BPersVG. Nach dieser Vorschrift dürfen Entscheidungen, die wegen ihrer Auswirkungen auf das Gemeinwesen wesentlicher Bestandteil der Regierungsgewalt sind, insbesondere Entscheidungen in personellen Angelegenheiten der Beamten … und in organisatorischen Angelegenheiten, nicht den Stellen entzogen werden, die der Volksvertretung verantwortlich sind. Das Oberverwaltungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, daß die Geltendmachung von Ersatzansprüchen nicht zu den personellen oder organisatorischen Angelegenheiten gehört. Zu Unrecht hat es aber bejaht, daß es sich hierbei um eine Entscheidung handelt, die wegen ihrer Auswirkungen auf das Gemeinwesen wesentlicher Bestandteil der Regierungsgewalt ist. In den in § 104 Satz 3 BPersVG beispielhaft genannten Fällen – personelle und organisatorische Angelegenheiten und Gestaltung von Lehrveranstaltungen – ist der Verwaltung ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt, für dessen Ausfüllung sie allein die Verantwortung gegenüber den Parteien mitträgt. Bei der Entscheidung, ob ein Beamter grob fahrlässig oder nur fahrlässig gehandelt hat, hat die Verwaltung diesen Spielraum hingegen nicht. Dies ist allein eine Frage der Gesetzesauslegung und der rechtlichen Würdigung der tatsächlichen Umstände, die uneingeschränkt richterlich nachprüfbar ist. Soweit im Rahmen etwaiger Entscheidungen nach § 59 Abs. 1 LHO bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Ermessensspielraum verbleiben sollte, ist diesbezüglich die Verwaltungsverantwortung durch das Erfordernis der Einwilligung des Senators der Finanzen gewährleistet (§ 59 Abs. 2 LHO).
Durch die Rechtskontrolle im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren ist hier sichergestellt, daß die zu beteiligenden Personalvertretungen und die Einigungsstelle keinen Spielraum für außerrechtliche Erwägungen und keinen Handlungsspielraum in einem Bereich für sich in Anspruch nehmen, für den die Verwaltungsspitze parlamentarisch verantwortlich ist, sondern daß sie sich entsprechend den zugrundeliegenden strikten Rechtsvorschriften auf eine rein rechtliche Mitkontrolle beschränken. Die Verwaltung ist damit weder gehindert, das geltende Recht anzuwenden und durchzusetzen, noch, die ihr obliegenden politischen Ermessensentscheidungen zu treffen.
Auch die Tatsache, daß das Berliner Personalvertretungsgesetz, anders als § 69 Abs. 5 BPersVG, nicht die Möglichkeit vorsieht, daß der Dienststellenleiter in Fällen dieser Art bis zur endgültigen Entscheidung im Mitbestimmungsverfahren einseitig vorläufige Regelungen treffen kann, nötigt zu keiner anderen Würdigung. Das Fehlen einer solchen Gesetzesbestimmung schließt vorläufige Regelungen, die mit Zustimmung des Personalrats ergehen, nicht aus. Der Personalrat würde aber offensichtlich rechtswidrig und rechtsmißbräuchlich handeln, wenn er einem vorläufigen Leistungsbescheid, der zum Zwecke der Unterbrechung der Verjährung ergeht und bis zum Abschluß des Mitbestimmungsverfahrens die Vollstreckung über die endgültige Heranziehung aussetzt, seine Zustimmung verweigern würde.
Auch die Befürchtung des Oberbundesanwalts, die Beteiligten der Einigungsstelle seien überfordert, haushaltsrechtliche Vorgaben zu beachten, die sich in erster Linie an die Verwaltung richten, ist unbegründet. Gemäß § 71 Abs. 3 Satz 4 BPersVG muß sich der Beschluß der Einigungsstelle im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere des Haushaltsgesetzes, halten. Auch wenn eine entsprechende ausdrückliche Regelung im Berliner Personalvertretungsgesetz nicht enthalten ist, ergibt sich daraus der auch hier geltende allgemeine Grundsatz, daß für die Einigungsstelle nach dem Willen des Personalvertretungsgesetzgebers die gleichen Rechtsbindungen wie für die Verwaltung gelten.
Die Sache war zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen. Aufgrund seiner abweichenden Rechtsauffassung hat es nicht geprüft, ob die Zustimmung im Mitbestimmungsverfahren zu Recht versagt worden ist, weil der Polizeibeamte B. nicht grob fahrlässig den Schaden verursacht hat. Die Entscheidung, ob ein vorwerfbares Verhalten als grob fahrlässig zu bewerten ist, ist nach ständiger Rechtsprechung dem Tatrichter vorbehalten, der im Einzelfall unter Würdigung aller Umstände darüber zu befinden hat. Seine Wertung ist der Nachprüfung durch das Revisionsgericht entzogen (vgl. Urteil vom 28. Juni 1990 – BVerwG 6 C 41.88 – ≪NVwZ-RR 1990, 622≫; BGHZ 89, 149, 152). Dies gilt auch für das Rechtsbeschwerdegericht. Das Oberverwaltungsgericht wird daher aufgrund dieser Prüfung und Bewertung zu entscheiden haben, ob die Einigungsstelle zu Recht ihre Zustimmung versagt hat.
Unterschriften
Dr. Eckstein, Ernst, Dr. Seibert, Albers, Dr. Vogelgesang
Fundstellen
Haufe-Index 1214388 |
BVerwGE, 263 |
ZBR 1991, 150 |