Verfahrensgang
VG Leipzig (Urteil vom 14.03.2002; Aktenzeichen 3 K 504/01) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 14. März 2002 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 556,46 € festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt die vermögensrechtliche Rückübertragung seiner Eigentumsrechte an einer Garage.
Die Garage ist Teil einer Garagenreihe. Diese ist seinerzeit von einer Garagengemeinschaft, deren Mitglied der Kläger war, auf einem volkseigenen Grundstück errichtet worden. Eigentümerin dieses Grundstücks ist jetzt die Beigeladene zu 1. Nachdem der Kläger die DDR verlassen hatte, wurde der Rat der Gemeinde W.… nach der Anordnung Nr. 2 vom 20. August 1958 über die Behandlung des Vermögens von Personen, die die Deutsche Demokratische Republik nach dem 10.06.1953 verlassen (GBl S. 664), und der Verordnung über die Rechte und Pflichten des Verwalters vom 11. Dezember 1968 (GBl II 1969, S. 1) zum Treuhänder über die Garage bestellt. Er veräußerte die Garage 1986 an die Beigeladenen zu 2 und 3, die die Garage ihrerseits 1996 an die Beigeladenen zu 4 und 5 weiterverkauften.
Auf den Restitutionsantrag des Klägers stellte das Landratsamt A.…, der Funktionsvorgänger der Beklagten, fest, dass der Kläger hinsichtlich der Rückübertragung der Eigentumsrechte an der Garage anspruchsberechtigt ist. Eine Rückübertragung lehnte das Landratsamt A.… ab, weil die Beigeladenen zu 2 und 3 ein Eigentumsrecht an der Garage redlich erworben hätten.
Auf die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, einen der streitigen Garage entsprechenden Miteigentumsanteil des Gebäudeeigentums an der Garagenreihe an den Kläger zurück zu übertragen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht unter anderem ausgeführt: Das Gericht dürfe die Berechtigung des Klägers nicht mehr nachprüfen. Der Funktionsvorgänger der Beklagten habe in seinem Restitutionsbescheid ausgesprochen, dass dem Kläger in Bezug auf den streitigen Vermögenswert ein Entschädigungsanspruch zustehe. Da der Entschädigungsanspruch eine Schädigung voraussetze, sei in der Begründung des Bescheids folgerichtig festgestellt, dass es sich bei dem Eigentumsverlust um eine Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG gehandelt habe. Diese Feststellung der Berechtigung habe Bestand, weil die Beigeladenen sie nicht angefochten hätten. Die Rückübertragung sei nicht ausgeschlossen. Die Beigeladenen zu 2 und 3 hätten ein Recht an der Garage nicht redlich erworben. Die Rückübertragung des streitigen Vermögenswerts sei nicht rechtlich unmöglich. Die Beigeladenen zu 4 und 5 hätten nicht wirksam Eigentum an der Garage erworben. Die Rückübertragung scheitere schließlich nicht daran, dass die nunmehr geltende Rechtsordnung die zu restituierende Rechtsposition nicht mehr kenne. Denn hier bestehe das gesonderte Gebäudeeigentum an der Garagenreihe einschließlich des (ehemaligen) ideellen Anteils des Klägers fort. Es sei nicht ersichtlich, dass das gesonderte Gebäudeeigentum vor oder nach dem 3. Oktober 1990 aufgehoben worden sei und damit die Möglichkeit entfallen sei, den Miteigentumsanteil auf den Kläger zurück zu übertragen. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
II.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Beklagten ist begründet.
Der Rechtssache kommt zwar nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu (1.). Die ferner behauptete Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor (2.) Jedoch beruht das angefochtene Urteil auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (3.).
1. a) Die Beklagte hält zum einen die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob die gegebenenfalls als selbstständige Teilentscheidung in Bestandskraft erwachsende Feststellung der Berechtigung nach dem Vermögensgesetz sich nur auf eine konkrete Person (Antragsteller) und eine schädigende Maßnahme bezieht, oder ob auch der konkret von der schädigenden Maßnahme betroffene Vermögenswert vom Regelungsgehalt der Berechtigungsfeststellung mit umfasst wird.
Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, weil sich die Antwort auf sie von selbst versteht. Die Feststellung der Berechtigung kann sich nur auf einen bestimmten Vermögenswert beziehen. Nur mit Blick auf ihn lässt sich feststellen, ob er von einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 VermG betroffen war. Berechtigter kann nur der frühere Inhaber eines bestimmten Vermögenswerts oder sein Rechtsnachfolger sein.
Diese Auffassung liegt auch dem angefochtenen Urteil zugrunde. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das Verwaltungsgericht die Berechtigtenfeststellung in dem Restitutionsbescheid des Landratsamtes A.… nicht als eine solche ausgelegt, die sich ausschließlich auf den Antragsteller und seine Schädigung bezieht. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte nicht zur Rückübertragung eines anderen Vermögenswertes verpflichtet, als er Gegenstand der Berechtigtenfeststellung war. Diese bezog sich auf die Eigentumsrechte des Klägers an der Garage. Das Verwaltungsgericht hat darunter den ideellen Miteigentumsanteil des Klägers an dem Gebäudeeigentum an der Garagenreihe verstanden, während die Beklagte den Bescheid dahin auslegt, er habe sich auf Alleineigentum des Klägers an einer einzelnen Garage bezogen, das nach Ansicht des Verwaltungsgerichts hier nicht bestand. Welche Auslegung der Berechtigtenfeststellung zutrifft, bedarf in diesem Zusammenhang keiner Entscheidung. Jedenfalls hat das Verwaltungsgericht seinen Verpflichtungsausspruch für den Vermögenswert getroffen, der nach seinem Verständnis des einschlägigen Bescheids Gegenstand der dort getroffenen Berechtigtenfeststellung war.
b) Die Beklagte möchte ferner die Frage geklärt wissen,
ob das Gericht auch dann an die im Bescheid getroffene Feststellung der Berechtigung gebunden ist, wenn diese den Verfügungsberechtigten gegenüber noch nicht bestandskräftig wurde und ein nach § 65 Abs. 2 VwGO notwendig Beizuladender mangels Beteiligung am Verfahren keine Möglichkeit hatte, die Berechtigungsfeststellung anzugreifen.
Diese Frage ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt und rechtfertigt aus diesem Grund nicht die Zulassung der Revision. Für das Gericht bindend und seiner Nachprüfung entzogen ist nur eine Feststellung der Berechtigung, die gegenüber dem Verfügungsberechtigten bestandskräftig ist und die der Verfügungsberechtigte nicht noch zulässigerweise im gerichtlichen Verfahren nach Art eines Anschlussrechtsmittels angegriffen hat (BVerwG Urteil vom 16. April 1998 – BVerwG 7 C 32.97 – BVerwGE 106, 310 ≪312 f.≫).
Hiervon ist das Verwaltungsgericht ausdrücklich ausgegangen. Es hat auch nicht hiervon abweichend seiner Entscheidung in der Sache eine andere Auffassung zugrunde gelegt. Die Beklagte will dies aus der Ansicht des Verwaltungsgerichts herleiten, die Mitglieder der Garagengemeinschaft seien nur Inhaber eines ideellen Miteigentumsanteils an dem Gebäudeeigentum an der Garagenreihe, nicht aber Alleineigentümer einer konkreten Garage. Die Beklagte meint zu Unrecht, von diesem Standpunkt aus sei die Berechtigtenfeststellung nicht bestandskräftig, weil weder die Garagengemeinschaft als solche noch deren sämtliche Mitglieder bisher am Verfahren beteiligt worden seien. Die Beklagte übersieht dabei, dass nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts Gegenstand der Berechtigtenfeststellung der ideelle Miteigentumsanteil des Klägers war. Verfügungsberechtigte über diesen Miteigentumsanteil sind aber weder die Garagengemeinschaft als solche noch die Gesamtheit ihrer Mitglieder. Das Verwaltungsgericht ist vielmehr davon ausgegangen, dass die Beigeladenen zu 2 und 3 den Miteigentumsanteil des Klägers (wenn auch unredlich) erworben haben und deshalb bezogen auf den begehrten Vermögenswert Verfügungsberechtigte sind.
c) Für klärungsbedürftig hält die Beklagte ferner die Frage,
ob in Fällen der Restitution von Forderungen und vergleichbaren Rechten – wie dem hier in Rede stehenden Miteigentumsanteil an einer Garagenreihe – anstatt durch Verpflichtungsurteil durch Feststellungsurteil zu entscheiden ist.
Zur Klärung dieser Frage bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, weil sich die Antwort auf sie unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Danach ergeht auch dann ein Verpflichtungsurteil, wenn andere Rechte als das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte an Grundstücken auf den Berechtigten zurück übertragen werden sollen. Die Behörde hat auch in solchen Fällen den Vermögenswert durch Verwaltungsakt auf den Berechtigten zurück zu übertragen. Diese Möglichkeit einer Rechtsbegründung durch Verwaltungsakt hängt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht davon ab, dass der Rechtsübergang im Grundbuch oder in einem ähnlichen als Eigentumsnachweis wirkenden Verzeichnis verlautbart wird. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 34 Abs. 1 Satz 1 VermG. Danach gehen die Rechte an dem zurück übertragenen Vermögenswert auf den Berechtigten über, wenn die Entscheidung über die Rückübertragung unanfechtbar geworden ist und weitere hier nicht interessierende Voraussetzungen gegeben sind. Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn Gegenstand der Rückübertragung das Eigentum an einem Grundstück ist. Der Eigentumsübergang wird auch in diesem Fall allein durch die bestandskräftige Entscheidung der Behörde bewirkt, nicht aber erst durch seine Eintragung im Grundbuch. Das Grundbuch ist vielmehr zu berichtigen. Es ist unrichtig geworden, weil sich der Eigentumswechsel bereits außerhalb des Grundbuchs allein durch die Rückübertragungsentscheidung der Behörde vollzogen hat (§ 34 Abs. 2 Satz 1 VermG).
2. Das angefochtene Urteil weicht nicht von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Januar 1995 – BVerwG 7 C 42.93 – (BVerwGE 97, 286 ≪288≫) ab. Dasselbe gilt für die weiteren von der Beklagten benannten Entscheidungen. Ihnen entnimmt die Beklagte den Rechtssatz, dass sich eine Berechtigtenfeststellung auf einen oder mehrere konkrete Vermögenswerte beziehe. Das angefochtene Urteil enthält keinen dem widersprechenden Rechtssatz. Das Verwaltungsgericht hat nicht der Sache nach die Beklagte unter Berufung auf die bestandskräftig gewordene Berechtigtenfeststellung verpflichtet, einen anderen Vermögenswert als denjenigen zurück zu übertragen, der Gegenstand der bestandskräftigen Berechtigtenfeststellung war. Dies ist bereits dargelegt.
3. Das angefochtene Urteil leidet aber an dem geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts aus § 86 Abs. 1 VwGO verletzt.
Das Verwaltungsgericht durfte seiner Entscheidung nicht ohne weitere Aufklärung des Sachverhalts die Annahme zugrunde legen, das gesonderte Gebäudeeigentum an der Garagenreihe bestehe noch fort. Es bestanden vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür, dieses gesonderte Gebäudeeigentum könne inzwischen erloschen sein. Diesen Anhaltspunkten musste das Verwaltungsgericht von Amts wegen nachgehen.
Sind Garagen aufgrund eines Nutzungsvertrages mit dem Träger des Volkseigentums auf einem volkseigenen Grundstück errichtet worden, wie das Verwaltungsgericht dies für die streitige Garage angenommen hat, richten sich die Rechtsverhältnisse an einer solchen Garage nunmehr nach dem Gesetz zur Änderung schuldrechtlicher Bestimmungen im Beitrittsgebiet (Schuldrechtsänderungsgesetz – SchuldRÄndG) vom 21. September 1994 (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 SchuldRÄndG). Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SchuldRÄndG geht mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses das nach dem Recht der DDR begründete, fortbestehende Eigentum an Baulichkeiten auf den Grundstückseigentümer über.
Danach wäre das gesonderte Gebäudeeigentum an der Garagenreihe erloschen, wenn das nach dem Recht der DDR seinerzeit begründete Nutzungsverhältnis mit den Mitgliedern der Garagengemeinschaft beendet wäre. Die Beigeladenen zu 2 und 3 hatten dem Verwaltungsgericht bereits mit Schriftsatz vom 10. November 1999 mitgeteilt, die Beigeladene zu 1 sei “Besitzer” der Garagen; zwischen ihnen und der Beigeladenen zu 1 bestehe ein Pachtvertrag. Der beigefügte Pachtvertrag stammte aus dem August 1995. Damit war jedenfalls mit den Beigeladenen zu 2 und 3 das nach dem Recht der DDR begründete Nutzungsverhältnis spätestens bereits 1995 beendet worden. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, seinerzeit seien nicht individuelle Nutzungsverträge mit den einzelnen Mitgliedern der Garagengemeinschaft, sondern ein globaler Nutzungsvertrag mit der Garagengemeinschaft abgeschlossen worden. Ob das gesonderte Gebäudeeigentum an der Garagenreihe als einem einheitlichen Bauwerk erst mit der Beendigung eines solchen globalen Nutzungsvertrages erlischt, kann offen bleiben, denn bereits mit dem Abschluss eines (neuen) Pachtvertrages mit den Beigeladenen zu 2 und 3 bestanden hinreichende konkrete Anhaltspunkte für eine solche Entwicklung, denen das Verwaltungsgericht nachgehen musste. An dieser Wertung ändert das Schreiben der Beigeladenen zu 1 an die Beigeladenen zu 2 und 3 nichts, das diese ihrem Schriftsatz vom 10. November 1999 beigefügt hatten. Nach diesem Schreiben war die Beigeladene zu 1 (als Eigentümerin des Grundstücks) bemüht, Grund und Boden sowie die darauf befindliche Bebauung zusammenzuführen. Dieses Schreiben stammt indes bereits aus dem August 1995 und sagt nichts darüber aus, welchen Erfolg diese Bemühungen für die konkret in Rede stehende Garagenreihe inzwischen hatten, wenn der Vorbehalt in dem Schreiben sich nicht ohnehin auf andere Garagenreihen und Einzelgaragen bezog, die offenbar auf demselben Grundstück errichtet worden waren.
Das Verwaltungsgericht hätte deshalb bei der Beigeladenen zu 1 eine Auskunft darüber einholen müssen, ob das nach dem Recht der DDR begründete Nutzungsverhältnis für die in Rede stehende Garagenreihe inzwischen beendet worden ist und das gesonderte Gebäudeeigentum an dieser Garagenreihe damit erloschen ist. Der Notwendigkeit, eine solche Auskunft einzuholen, war das Verwaltungsgericht nicht deshalb enthoben, weil die Beigeladene zu 1, die in der abschließenden mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, von sich aus hierzu nichts vorgetragen hatte. Denn im gesamten Verfahren hatte die Frage keine Rolle gespielt, ob ein gesondertes Gebäudeeigentum an der Garagenreihe fortbesteht. Es war vielmehr allein darüber gestritten worden, ob die Beigeladenen zu 2 und 3 ein Eigentumsrecht an der Garage redlich erworben hatten, dies zudem offensichtlich ausgehend von einem Verständnis der bestandskräftigen Berechtigtenfeststellung, dass es um die Rückübertragung von Alleineigentum an einer konkreten Garage geht.
Da bereits dieser Verfahrensfehler der Beschwerde zum Erfolg verhilft, braucht der Senat auf die weiteren Verfahrensrügen nicht einzugehen.
Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, wegen des Verfahrensfehlers die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 133 Abs. 6 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Sailer, Herbert, Neumann
Fundstellen