Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 28.09.2001; Aktenzeichen 1 S 1659/01) |
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 28. September 2001 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die allein auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat keinen Erfolg.
Zwar ist die Beschwerde nicht wegen Versäumung der Einlegungsfrist am 29. November 2001 unzulässig, weil dem Kläger gemäß § 60 VwGO Wiedereinsetzung wegen dieser Fristversäumnis zu gewähren ist. Er hat glaubhaft gemacht, dass er wegen Fax-Ausfalls beim Verwaltungsgerichtshof unverschuldet an der Fristeinhaltung gehindert war.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Das ist hier nicht der Fall.
Die Beschwerde macht geltend, die Berufung des Klägers hätte durch das Berufungsgericht nicht als unzulässig verworfen werden dürfen.
Das Berufungsgericht hat seine Verwerfungsentscheidung darauf gestützt, dass die Berufung nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung begründet worden sei. Damit habe der Kläger seiner prozessualen Verpflichtung zur Vorlage einer Berufungsbegründung nach § 124 a Abs. 3 Satz 1 VwGO in der zurzeit des angefochtenen Beschlusses gültigen Fassung nicht genügt. Nach dieser Vorschrift müsse der Rechtsmittelführer nach der Zulassung der Berufung in jedem Fall einen gesonderten Schriftsatz zur Berufungsbegründung einreichen. Dem sei der Kläger nicht nachgekommen. Dass er in seinem Schriftsatz vom 26. Juni 2001 vor Zulassung der Berufung gleichzeitig mit dem Zulassungsantrag einen Berufungsantrag stellte und in der Begründung dazu Ausführungen machte, die den formellen Anforderungen des § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO a.F. Rechnung getragen haben dürften, vermöge diese gesonderte Berufungsbegründung nach Zulassung nicht zu ersetzen.
Die Beschwerde rügt diese Begründung als Förmelei, weil mit der Antragsformulierung in dem Zulassungsantrag der unbedingte Wille erkennbar geworden sei, die zugelassene Berufung „auch zu erheben”. Die gesetzliche Frist für die Berufungsbegründung stehe unter der „selbstverständlichen” Bedingung, „falls dies nicht schon vor der Zulassung der Berufung geschehen ist”.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist jedoch die Begründung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs nicht verfahrensfehlerhaft. Für die Erfüllung der prozessualen Anforderungen des § 124 a Abs. 3 Satz 1 VwGO a.F. (jetzt: § 124 a Abs. 6 VwGO) reicht es nicht aus, wenn der Rechtsmittelführer lediglich in dem Antrag auf Zulassung der Berufung sein Berufungsbegehren formuliert und auch die wesentlichen Gründe hierfür vorgetragen hat. Das Erfordernis eines gesonderten Schriftsatzes zur Berufungsbegründung nach Zulassung der Berufung, auf das der Rechtsmittelführer in der Rechtsmittelbelehrung zum Berufungszulassungsbeschluss ausdrücklich hingewiesen worden ist, ist keine bloße Förmelei.
Mit der Einreichung der Berufungsbegründungsschrift soll der Berufungskläger nämlich eindeutig zu erkennen geben, dass er nach wie vor die Durchführung eines Berufungsverfahrens anstrebt. Das entspricht der inzwischen einhelligen Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts. Der 9. Senat hat in seinem Urteil vom 30. Juni 1998 – BVerwG 9 C 6.98 – Buchholz 310 § 124 a VwGO Nr. 4, BVerwGE 107, 121 f.), in dem er von seiner abweichenden Auffassung im Beschluss vom 25. August 1997 (BVerwG 9 B 690.97, DVBl 1997, 1325) Abstand genommen hat, dazu Folgendes ausgeführt:
„§ 124 a Abs. 3 VwGO lehnt sich an die Regelungen aus dem Revisionsrecht und die Regelung für die Berufung in § 519 Abs. 3 ZPO an (vgl. BTDrucks 13/3993 S. 13) und erhebt wie diese die Begründung in den Rang einer Zulässigkeitsvoraussetzung. Die Vorschrift entspricht im Wesentlichen den in § 139 Abs. 3 VwGO enthaltenen Bestimmungen über die Revisionsbegründung im Falle der Zulassung der Revision aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde. Für die Revisionsbegründung ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderlich, dass der Revisionsführer die zugelassene Revision schriftsätzlich begründet, auch wenn sein Vorbringen im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren den Anforderungen (auch) an eine Revisionsbegründung genügt; in diesem Fall reicht es allerdings aus, wenn in dem Begründungsschriftsatz auf dieses Vorbringen Bezug genommen wird, sofern hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht wird, hinsichtlich welcher Zulassungsgründe Bezug genommen wird (z.B. Urteil vom 25. Oktober 1988 – BVerwG 9 C 37.88 – BVerwGE 80, 321, 322 f.). Entsprechendes ist nach Einführung des § 124 a Abs. 3 VwGO nunmehr auch vom Berufungsführer zu verlangen. Dabei kann offen bleiben, inwiefern wegen der Unterschiede zwischen Berufungs- und Revisionsverfahren an die inhaltliche Begründung der Berufung nach § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO andere Anforderungen zu stellen sind als bei der Revision nach § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO, denn hinsichtlich der äußeren formellen Anforderungen gelten angesichts der insoweit wortgleichen Bestimmungen jedenfalls dieselben Grundsätze.
Auch der vom Gesetzgeber mit Einführung des § 124 a Abs. 3 VwGO erfolgte Zweck spricht für diese Auffassung. Denn die Berufungsbegründungspflicht kann nur dann zu der angestrebten Verkürzung und Beschleunigung der Verfahren durch Entlastung der Berufungsgerichte beitragen, wenn sie es dem Berufungsgericht ermöglicht, anhand klarer prozessualer Kriterien, nämlich des Ausbleibens eines fristgerechten Begründungsschriftsatzes, ohne weitere Prüfung die Berufung gemäß § 125 Abs. 2 VwGO zu verwerfen. Dies wäre aber nicht mehr der Fall, wenn das Gericht hierfür regelmäßig auch noch das Vorbringen im Zulassungsverfahren auf seine Eignung für die Begründung der Berufung hin sichten und beurteilen müsste.”
Diesen Ausführungen schließt sich der erkennende Senat an. Bestätigt wird das Ergebnis auch dadurch, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 124 a VwGO durch Gesetz vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3987) in Kenntnis dieser Rechtsprechung an dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmung festgehalten hat.
Die Rüge des Klägers, das Berufungsgericht habe bei etwaigen Zweifeln am Sinn des Schriftsatzes vom 26. Juni 2001 eine weitere Aufklärung nach § 86 VwGO vornehmen müssen, ist damit gegenstandslos.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes aus § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel
Fundstellen